Pilgerstätte der Kultserie:Der Schreibtisch von Tölz

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Benno Berghammer ist wieder da: Schauspieler Ottfried Fischer und Initiatorin Nessy Karolinger eröffneten das Bullen-Büro. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Fans des "Bullen von Tölz" können bald Benno Berghammers Büro besichtigen. Sogar Otti Fischer kam zur Eröffnung.

Von Klaus Schieder

Es ist alles wie damals. An der Wand hängt das gelbschwarze Eishockeytrikot, daneben der Stadtplan. Auf dem Aktenschrank verstauben zwei Pokale, in der Ablage auf dem Schreibtisch liegt eine Ausgabe des Tölzer Tagblatt mit der Schlagzeile "Die prominentesten Politikermorde". Und auch Benno Berghammer ist wieder da. Der beleibte Kommissar, alias Ottfried Fischer, hat sich in seinen Sessel gezwängt und lächelt in die Kameras der Fotografen.

Das mit Originalrequisiten rekonstruierte Büro des "Bullen von Tölz" ist am Donnerstag im Herderbad eingeweiht worden - an eben jenem Ort, wo seinerzeit all die Szenen im Kommissariat gefilmt wurden. Viel größer komme ihm der Dienstraum jetzt vor, sagt Fischer. Bei den Dreharbeiten sei "alles oft sehr eng" zugegangen. Aber dieser Unterschied passt für ihn zu Oberbayern, das weiträumig aussieht, aber manchmal "in der Enge angesiedelt ist".

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Das Büro wird für Fans geöffnet

Ein roter Teppich führt am Donnerstagabend ins Herderbad, wo vor einem halben Jahr noch die Liegestühle des inzwischen geschlossenen Spaßbads Alpamare standen. Allzu viele Gäste sind nicht gekommen, von der Stadtprominenz hat sich niemand eingefunden. Nessy Karolinger scheint das nicht zu stören. Die 2009 Jahren abgedrehte Kultserie hat für sie immer noch viel Potenzial. Die Stadt bekomme täglich 300 bis 400 Anfragen zum Bullen, die "leider nicht immer zur Zufriedenheit beantwortet werden", sagt die transsexuelle Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin, die früher das Café Keese auf der Reeperbahn in Hamburg führte.

Als Peter Seidl zusammen mit dem Ausstellungsmacher Peter Syr im September 2014 das Museum zum Bullen von Tölz am Isarkai eröffnete, war Karolinger unter den Gästen. Was Schauspieler und Crew-Mitglieder damals an Anekdoten erzählten, brachte sie auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben, das Büro originalgetreu wieder aufzubauen und es für Touristen zu öffnen.

Wer die Folgen gut kennt, kann gewinnen

Ein mühseliges Unterfangen. Die Baupläne erhielt sie zwar von den Bavaria Filmstudios, auch die Filmkameras von damals, dagegen brachte sie Kostüme nur "mit Ach und Krach" zusammen. So seien die Originaljacken von Benno Berghammer verschwunden, auch Ottfried Fischer habe sie nicht in seinem Besitz, erzählt Karolinger. Ein Jahr lang pendelte sie von Hamburg nach Tölz, ehe sie vor anderthalb Monaten endgültig in die Kurstadt umzog. Das Bullen-Büro hat sie eingerichtet, die eigene Wohnung noch nicht.

Die Besucher im Herderbad könnten sich künftig durch Akten wühlen und an einem Gewinnspiel teilnehmen, indem sie "von der Spurensicherung gesicherte Requisiten den einzelnen Folgen der Serie zuteilen", erzählt sie. Zu gewinnen gibt es unter anderem den "Bullen-Trunk", den der Tölzer Mühlfeldbräu eigens gebraut hat. Wie viel sie investiert hat, darüber mag Karolinger nicht sprechen. "Über Geld und Männer reden wir nicht", sagt sie und schweigt.

In 60 von 69 Folgen der Krimireihe war Bea Maria Heinz zu sehen. Eine große Rolle hatte sie nie. Einmal stand sie in der Bürotür und unterhielt sich mit jemandem, wenn Benno Berghammer hereinkam, ein anderes Mal saß sie als Gast in einem Café, oft begegnete sie dem Kommissar auf der Marktstraße und grüßte ihn. Sie habe seinerzeit nicht weit vom Stadtmuseum gewohnt, das als Fassade des Polizeireviers diente, und sei von der Filmcrew angerufen worden, ob sie zwei, drei Stunden Zeit habe, erzählt die Komparsin, die mittlerweile in Tegernsee lebt. "Das war die geilste Zeit der Welt", sagt Heinz, die als Statistin auch in Tatort-Folgen oder bei "Pater Braun" auftrat. Das ganze Team des "Bullen von Tölz" sei traumhaft gewesen.

Bedauerlich findet sie nur, dass die Stadt anfangs mit dem Krimi nichts anzufangen wusste und damit nicht warb. Sie habe diese Chance nicht gesehen, sagt die Kleindarstellerin. "Für jeden Quadratmeter Boden, wo man stand, musste man Miete zahlen." Außerdem habe die Stadt Requisiten, die sie vom Produzenten in einem Container bekam, einfach verbrannt. Als Grund für diese Abwehrhaltung vermutet Heinz, dass Figuren in den ersten zehn Folgen auf den einen oder anderen in Tölz wirkten, als seien sie auf ihn zugeschrieben.

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Der Kultserie war für die Kurstadt ein Geschenk des Himmels. Allerdings eines, das sie seltsamerweise nie recht annehmen mochte.

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Der echte Polizeichef war wenig begeistert

Ottfried Fischer erinnert sich noch daran, dass der Kommentar des Polizeichefs von Bad Tölz nach der ersten Ausstrahlung nicht eben schmeichelhaft ausfiel. Für Karl Drexl hätte Berghammer wegen seiner Leibesfülle gerade mal einen halben Arbeitstag erlebt, dann zum Amtsarzt gehen müssen und nicht zurückkehren dürfen. Der Kabarettist und Schauspieler fand in Tölz aber auch gute Freunde, zum Beispiel den Eishockey-Nationalspieler Axel Kammerer. Sportler seien Schauspielern "nicht unverwandt", sagt Fischer. Spielten sie gut, würden sie gelobt, andererseits würden sie aber auch schnell ausgelacht und ausgepfiffen.

Die Tage in der Kurstadt hat der Hauptdarsteller jedoch in guter Erinnerung: In der Filmcrew hätten sich alle gut vertragen, "wir haben eine schöne Zeit da gehabt". Ein großes Lob zollt er seinem 2006 gestorbenen Kollegen Udo Thomer, der den völlig unfähigen Polizisten Anton Pfeiffer mimte. Er habe noch nie einen Schauspieler gesehen, "der mit solcher Begeisterung und mit solcher Hingabe, der so inbrünstig einen Deppen spielte", sagt Fischer.

Der Hype wird anhalten

Ob der Hype um die Krimiserie sieben Jahre nach Drehschluss nicht langsam abnimmt und das Büro im Herderbad dann verstaubt wie die Pokale auf dem Aktenschrank? Das glaubt niemand bei der Einweihung am Donnerstagabend. Für Peter Seidl hat der "Bulle von Tölz" einen ähnlichen Kultstatus wie die Filme mit Don Camillo und Peppone. Der Drehort Brescello in der Po-Ebene mit seinen 4000 Einwohnern zähle noch immer rund 80 000 Filmtouristen im Jahr, sagt er.

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Für Karolinger war die TV-Serie nie ein bloßer Krimi, sondern stets eine Familienserie. Sie war mit Figuren wie dem korrupten Baulöwen Toni Rambold oder dem intriganten Prälaten Barthel Hinter auch ein politisches Gesellschaftsbild. Dem stimmt Ottfried Fischer zu. "Das Geheimnis ist das Privatleben des Kommissars", sagt er. Weniger die harmlosen Kriminalfälle. Das hebt den "Bullen" aus seiner Sicht auch von Oberbayern-Krimis wie "Rosenheim Cops" oder "Hubert und Staller" ab. Die seien zwar gut, aber bloß Plagiate, "man hat ja nichts neu erfunden", so Fischer.

Gut 300 Kilometer ist Holger Roß angereist, um die Eröffnung des Bullen-Büros mitzuerleben. Alle 69 Folgen der Serie hat er gesehen. Warum? "Sie ist glaubwürdig, heimatnah, ja, sie ist einfach schön", sagt der Besucher aus Bayreuth.

Das neue Büro des "Bullen von Tölz" ist von März an jeweils donnerstags, freitags und samstags geöffnet. Es kann bei der großen Bullen-Tour durch den ganzen Landkreis besichtigt werden. Außerdem ist es möglich, einen privaten Termin in der Zeit von Sonntag bis Mittwoch zu vereinbaren.

© SZ vom 09.01.2016/dac - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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