Personalie:Ein Karriereberater für die Penzberger SPD

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"Agiles Führen", Workshops und Brainstorming: Der neu gewählte Ortsvorsitzende Clemens Meikis will lieber den Blick nach vorn richten, statt das Wahldebakel aufzuarbeiten

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

16 Monate sind seit der Wahlniederlage der Penzberger SPD im Jahr 2020 vergangen. Die SPD hatte damals nach Jahrzehnten nicht nur den Bürgermeisterposten an die CSU verloren, ihre Stadtratsfraktion hatte sich auf fünf Mitglieder halbiert. Eine Aufarbeitung des Debakels gab es nicht - zumindest nicht öffentlich. Die Corona-Pandemie habe dies verhindert, heißt es aus der Führungsriege des Ortsvereins. Erst kürzlich zogen die Genossen personelle Konsequenzen. Bei der Jahreshauptversammlung wurde ein neuer Vorstand gewählt. An der Spitze des Ortsvereins steht nun Clemens Meikis. Er ist 42 Jahre alt, Jurist und ein nahezu unbeschriebenes Blatt in der aktiven Kommunalpolitik. Die SPD setzt große Erwartungen in den Neuen. Nach der Wahl betitelte sie einen Beitrag auf ihrer Homepage "Penzberg ist rot! Und die Aufbruchstimmung hat einen Namen ..."

Clemens Meikis und sein Vorstandsteam sollen Wunden heilen. Für die Aufgabe sieht sich der 42-Jährige gut gerüstet. Als Personalberater im Patent- und Markenwesen sei er es gewohnt, Menschen zusammenzubringen. Weltweit berate er Unternehmen, die im Patent-Bereich Mitarbeiter suchten, sagt der Senior Consultant, der seit 2016 bei der Omega Consulting Group arbeitet. "Ich bin zugleich auch Karriereberater - etwa für Patentanwälte", sagt Meikis und erzählt weiter, dass es 30 Jobprofile rund um das Patentwesen gebe.

Netzwerke knüpfen und pflegen, das Beste aus Menschen herausholen, ihnen zuhören und ihre Ideen aufnehmen und verwerten - so sieht Meikis seine Arbeit als Ortsvorsitzender. Seine Ausbildung in "agilem Führen" werde ihm helfen, die Mitglieder des Penzberger Ortsvereins zu motivieren und zu neuen Ufern aufzubrechen, ist der 42-Jährige überzeugt. Per Definition bedeutet "agile Führung", stets daran zu arbeiten, dass ein Unternehmen - im Falle Penzbergs der SPD-Ortsverein - sich an Veränderungen maximal schnell anpassen kann. Sie unterstützt Mitarbeiter auf Augenhöhe dabei, gemeinsam die besten Lösungen für Herausforderungen zu finden.

"Neue Tools"

Meikis zur Seite steht unter anderem Andreas Unterreiner. Meikis - der Personalberater, Unterreiner - der Führungskräftecoach. Bessere Kommunikationsstrukturen, Workshops, Brainstorming und andere Instrumente aus der Mitarbeiterführung möchte der SPD-Vorsitzende in seiner Partei anwenden. "Die Corona-Pandemie hat uns neue Tools beschert."

Seine Ideen brachte er zunächst im kleineren Führungszirkel der SPD vor. Dort war man begeistert und sah die Chance, mit Meikis den Neuanfang zu wagen. Auch wenn der 42-Jährige, der in Dachau geboren wurde und seit 35 Jahren mit seiner Familie in Penzberg lebt, erst im vergangenen Jahr Parteimitglied wurde. Für ihn habe es Sinn ergeben, als er gefragt wurde, ob er Bayram Yerli als Ortsvorsitzenden ablösen wolle, sagt Meikis. Yerli kandidierte nicht mehr und übernahm damit die Verantwortung für das Wahldebakel 2020. "Ich kann mich im Ortsverein mit meiner unmittelbaren Arbeit für etwas einsetzen", erklärt Meikis. "Man sieht unmittelbar ein Ergebnis." Lange davor habe er mit dem Gedanken gespielt, sich politisch in seiner Heimatstadt einzubringen. Bei einem Gespräch an einem SPD-Stand vor der Kommunalwahl sei er gefragt worden, ob er als Stadtrat kandidieren wolle. Meikis ließ sich auf die Liste setzen. Zunächst wollte er als Parteifreier antreten. "Weil ich beim Rotary Club Penzberg aktiv bin", sagt er. Meikis übernimmt dort die Pressearbeit. Rotary und Parteiarbeit - beides möchte er strikt getrennt halten.

Die Verbundenheit zur SPD habe eine "große Tradition" in seiner Familie. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmid sei für ihn das Sinnbild von "Vernunft als höchstes Maß". Er persönlich habe größte Hochachtung vor den Penzberger SPD-Altbürgermeistern Kurt Wessner und Hans Mummert. Letzteren als beratendes Mitglied an der Seite der Ortsvorstands zu wissen könne er nur gutheißen. Meikis hofft, mit Mummert bei einem Spaziergang ein Gespräch führen zu können. Zuhören werde er, was er für sich mitnehme, stehe natürlich auf einem anderen Blatt, so Meikis.

"Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch sein Bestes gibt, egal in welches Umfeld er hineingeboren wurde", sagt der Ortsvorsitzende weiter. Deshalb stehe für ihn Chancengleichheit für alle zuoberst auf der Agenda. In seiner Familie gebe es Vertreter aller Berufsschichten, vom Fließbandarbeiter über Lehrer bis zum Bankvorstandsvorsitzenden. Meikis' Mutter ist die ehemalige Leiterin der Wolfratshauser Realschule, Antonie Balint-Meikis. Diese Vielfalt mache unsere Gesellschaft aus, sagt der 42-Jährige. Und nur mit ihr könne sie funktionieren. Man werde in der Penzberger SPD ein neues Kapitel aufschlagen, so Meikis. Als "seine Themen" zählt er Arbeit, Jugend, kostenlose Bildung und Soziales auf. Als große Herausforderungen nennt er den Klimawandel, Big Data und die Globalisierung.

Das "neue Kapitel" könnte demnach geschrieben werden, wenn es nicht eben jene Stimmen gebe, die nach einer Aufarbeitung der Wahlniederlage rufen. In der Jahreshauptversammlung hatte SPD-Urgestein Anton Gumberger, selbst viele Jahre im Stadtrat, eine solche eingefordert. Drei Klausuren des engsten Führungskreises reichten nicht reichen; die Mitglieder müssten mitgenommen werden, sagte er. "Wir werden alle mitnehmen. Das wird passieren. Ganz transparent", sagt dazu Meikis auf Nachfrage der SZ. "Allerdings bin ich eher ein Freund davon, in die Zukunft zu schauen", betont der Ortsvorsitzende. Wie stellt sich die Penzberger SPD künftig auf, sei die Frage, die ihn mehr interessiere als eine Vergangenheitsbewältigung. "Was können wir gut und was können wir noch besser?" - darauf komme es schließlich an.

© SZ vom 10.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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