Bildende Kunst:Auf der Suche nach dem Wesen der Farbe

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Kuratorin Anette Völker-Rasor (links) und Museumsleiterin Annette Vogel vor Heinz Kreutz' Bild "Rot-Rosa" ( 1960-61, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, Sammlung Ströher). (Foto: CP Stadt Penzberg/oh)

Der Informel-Maler Heinz Kreutz hat lange in Antdorf gelebt. Nun kehren Werke des Künstlers im Rahmen einer großen Retrospektive ins Museum Penzberg-Sammlung Campendonk zurück.

Von Paul Schäufele, Penzberg

Heinz Kreutz war ein Suchender: nach der richtigen Form, nach der Möglichkeit, der Farbe auf der Leinwand eine angemessene Bühne zu bereiten. Aus den Schilderungen und Selbstäußerungen des Künstlers ergibt sich nicht das Bild eines rastlos Experimentierenden, sondern eher das eines konzentrierten Arbeiters, der den Farben auf den Grund, der ihr Wesen erfassen will. Von Samstag, 23. März, an lädt das Museum Penzberg - Sammlung Campendonk dazu ein, den Künstler in einer Retrospektive seiner Werke aus allen Schaffensphasen auf diesem Weg zu begleiten.

Die Ausstellung, die nun im Oberland zu sehen ist, hat schon eine nicht unerhebliche Wegstrecke zurückgelegt. Zum hundertsten Geburtstag des 1923 in Frankfurt am Main geborenen Künstlers zeigte das Duisburger Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, dessen Stiftung auch Kreutz' künstlerischen Nachlass verwaltet, eine umfassend angelegte Werkschau. Dass die Ausstellung nun nach Penzberg kommt, ist kein Zufall. Seit Mitte der Siebzigerjahre hatte Kreutz in Antdorf gelebt und war Mitglied des Penzberger Vereins Kunstzeche. 2002 stellte er seine Werke im Stadtmuseum aus, 2016 ist er in Penzberg gestorben.

Die Ausstellungssituationen könnten unterschiedlicher indes nicht sein, betont Anette Völker-Rasor von der Kunstzeche, eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Das Museum in Duisburg ist eine eindrückliche Industriefestung, im historischen Teil des Penzberger Museums hingegen knarren Holzdielen. Zudem wird die Ausstellung dort noch angereichert durch Exponate etwa aus privaten Sammlungen.

Auch diese gewebte Arbeit gehört zu den Exponaten (1967, Wolle, gewebt, 90 x 178 cm, Entwurf: Heinz Kreutz, Ausführung: Inge Richter, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg). (Foto: Nachlass Heinz Kreutz, Foto: Henning Krause, Köln/oh)
Ebenso die "Apotropäische Konstellation" (1988, Öl auf Leinwand, 63,5 x 78,7 cm, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg). (Foto: Nachlass Heinz Kreutz, Foto: Henning Krause, Köln/oh)

Für Völker-Rasor bedeutet die Sichtbarmachung der Werke des großen Neu-Expressionisten in Penzberg auch ein Wiedersehen. Sie war mit Kreutz bekannt, was die Einrichtung der Ausstellung im Museum Penzberg für sie "außerordentlich bewegend" macht, wie sie sagt. Zu Lebzeiten habe man sich über Details unterhalten, nun in der Rückschau offenbare sich manches neu, größere Linien träten hervor: "In der Retrospektive lassen sich sechs Werkphasen ausmachen", sagt Völker-Rasor. Wobei alle Phasen durch die Persönlichkeit Kreutz' verbunden seien, durch das Wirken eines "ganz stark theoretisch sich fortbewegenden und diszipliniert arbeitenden Künstlers".

Die Einflüsse, aus denen Heinz Kreutz schöpfte, waren zahlreich: Der Alte Meister Peter Paul Rubens gehört dazu, ebenso Goethe oder der Sonnengesang des Franz von Assisi. "Er war außerordentlich belesen", erinnert sich Anette Völker-Rasor. "Man konnte unendlich von ihm lernen." Doch auch ganz handfeste Dinge haben Kreutz inspiriert. Völker-Rasor beschreibt einen Atelierbesuch, bei dem auf der einen Seite des Raums ein antiker Teppich ausgebreitet war, während auf der anderen Seite ein Gemälde fertiggestellt wurde. Die Verbindung der beiden Werke sei, so Völker-Rasor zwar nicht unmittelbar ersichtlich, für Kreutz aber als inneres Band umso wichtiger gewesen.

Eine kleine Sensation: ein Album mit Zigarettenbildern

Nicht zuletzt die klassische Moderne hat Kreutz geprägt, Cézanne, Kandinsky, Monet. Wie Heinz Kreutz die unter den Nazis als "entartet" verfemte Kunst kennenlernen konnte, ist als Anekdote brillant und als Detail in der Geschichte der Kunstvermittlung faszinierend: In Gestalt von Sammelbildchen aus Zigarettenschachteln hat man die neuen Künstler und ihre Werke sehen können. An seiner Sammlung hat Kreutz die Jahre hindurch festgehalten. Erhalten hat er sie nach schwerer Verwundung in der Schlacht um Stalingrad im Lazarett. Es ist schon mehr als eine kleine Sensation, dass das Zigarettenbilderalbum gefunden wurde und als Leihgabe von Kreutz' Witwe Dorothea nun die Retrospektive ergänzt.

Die Kunst von Heinz Kreutz lässt sich kaum auf einen Nenner bringen, Aquarelle, Bleistiftzeichnungen und Drucke sind zu sehen, in allen möglichen Größen. Einen Favoriten unter den ausgestellten Werken auszumachen, fällt Museumsdirektorin Annette Vogel schwer. Doch nach kurzer Überlegung nennt sie ein relativ frühes, typisch abstraktes Ölgemälde mit poetischem Titel: "Aus dem Leben der Eisblumen" heißt es. "Das ist so verdichtet, die Farben entwickeln eine solche Kraft - da sieht man, was er kann", sagt Vogel. Nicht umsonst gelte er als einer der prägenden Künstler der Nachkriegsjahrzehnte.

Großes Rahmenprogramm

Ein umfangreiches Rahmenprogramm rundet die neue Ausstellung ab. Dazu gehören bewährte Formate wie die Kuratorenführung oder Meditatives Yoga, das sich sicher gut zu den abstrakten, spirituell grundierten Gemälden Kreutz' üben lässt. Aber auch Neues wird ausprobiert, so das Konzept "Kunst und Baby", bei dem Eltern dazu eingeladen sind, ihre Jüngsten Kontakt zur Kunst aufnehmen zu lassen. Einzelveranstaltungen wie ein Vortrag von Alzheimer-Forscher und Kreutz-Sammler Christian Haass zum Thema "Kreatives Altern" am Sonntag, 7. April, oder ein Orgelkonzert am Sonntag, 14. April, beleuchten spezifische Aspekte.

"Er hat ein Leben geführt für die Erforschung der Farben und des Lichts", sagt Anette Völker-Rasor. Das strahlende Lebenswerk des Heinz Kreutz wird vom kommenden Samstag an drei Monate lang zur Auseinandersetzung, zum Sich-Versenken und zum ästhetischen Genuss anregen.

Weitere Informationen unter museum-penzberg.de

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