Politik in Penzberg:Stunk im Stadtrat

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Insekten brauchen Nahrung. Die finden sie immer seltener im städtischen Bereich, weshalb viele Arten verschwinden könnten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Gängelung von Bürgern oder Schutz der Biodiversität: Das Penzberger Ratsgremium streitet über eine Freiflächengestaltungssatzung - und lehnt sie mehrheitlich ab.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Die gute Nachricht zuerst: Der Penzberger Stadtrat ist sich tatsächlich in einem Punkt einig, nämlich im Verbot von Schottergärten. Das wurde allerdings nicht beschlossen am Dienstag. Ansonsten gab es ordentlich Stunk in der jüngsten Sitzung. Streitpunkt war eine neue Satzung, die innerstädtische Blüh- und Grünstreifen schützen und zu einem Netzwerk verbinden sollte. Dass dies erstrebenswert ist im Sinne der Ökologie, darüber gab es keinen Dissens. Anders sieht es damit aus, ob die Bürger mit einem neuen Regelwerk "gegängelt" würden, wie die Kritiker der Satzung argumentierten. Weil sich die Mehrheit dieser Meinung anschloss, wurde letztlich aus der Satzung keine Satzung, sondern ein Leitfaden.

Die Wut stand Markus Bocksberger (Penzberg Miteinander) ins Gesicht geschrieben. Im April vergangenen Jahres hatte seine Fraktion den Antrag gestellt, eine Grünerhalt-Satzung - so der Arbeitstitel - zu erlassen. Ihr Ziel sollte eine Art Lückenschluss sein. Nicht alle Bereiche im Penzberger Stadtgebiet sind über Bebauungspläne geregelt. Daher hat der Stadtrat auf diesen Flächen, wenn sie neu überplant werden, kaum Einspruchs- oder Gestaltungsmöglichkeiten. Dort sollte die neue Satzung ansetzen und Bauherrn etwa vorschreiben, wie Flachdächer begrünt werden, welche Zäune erlaubt sind oder welche Gehölze gepflanzt werden dürfen. All die Vorschriften sollten letztlich dazu führen, dass mehr Grün in der Stadt geschaffen und die Versiegelung reduziert wird, was unter anderem dem Wasserhaushalt, dem Mikroklima oder der Biodiversität in Penzberg zugute käme. Nur Neubau-Vorhaben wären davon betroffen, bestehende Gärten sollten außen vor sein. So weit, so gut.

PM-Fraktionssprecher und zweiter Bürgermeister Markus Bocksberger war sauer, weil ein gutes Jahr umsonst diskutiert wurde über die Freiflächengestaltungssatzung. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Schon bei der ersten Beratung über das neue Regelwerk konnte kein Konsens gefunden werden. Ein Arbeitskreis wurde gegründet. Der traf sich fünf Mal. Es wurde um Punkte gerungen, diskutiert - schließlich kam es zu einem Kompromiss, an dem auch der städtische Klimaschutzmanager Carl-Christian Zimmermann mitarbeitete: die Freiflächengestaltungssatzung. Drei Stunden diskutierte der Bauausschuss kürzlich über sie und entschärfte den ein oder anderen Punkt. Mit einer Gegenstimme sagte das Gremium schließlich Ja zu dem Regelwerk.

So gesehen, konnten die Befürworter der Satzung - neben Penzberg Miteinander ist das die Fraktion der Grünen - davon ausgehen, dass es im Stadtrat noch etwas wortreiches Geplänkel gibt, ansonsten die Satzung verabschiedet wird. Weit gefehlt! "Teilweise sinnvolle Ansätze" sah Adrian Leinweber in den elf Paragrafen. "Trotzdem ist es eine Gängelei", betonte der SPD-Sprecher. Seine Fraktion werde gegen den Erlass stimmen, könnte sich allerdings einen Kompromiss vorstellen. Aus der Satzung soll ein Leitfaden werden, der Bauherrn informiert, was sich die Stadt wünscht, so Leinweber. Die Satzung sei schon deshalb nicht sinnvoll, weil ihre Einhaltung nicht kontrolliert werden könne, schloss er. Klar sei, dass der Stadtrat Schottergärten verbieten möchte, erklärte Aleksandar Trifunovic (CSU). Dies könne über die bereits vorhandene Ortsgestaltungssatzung geregelt werden. Im Übrigen möchte er die Penzberger nicht dermaßen bevormunden. Würde jemand seine Terrasse neu anlegen wollen, müsste der gesamte Garten überplant werden, interpretierte Trifunovic die Vorgaben der Satzung.

Nach etlichen Wortbeiträgen kristallisierte sich heraus, dass CSU, SPD, Bürger für Penzberg und Freie Lokalpolitik Penzberg mit Nein votieren werden. Die Reaktionen der Befürworter der Satzung fiel entsprechend aus. John-Christian Eilert (Grüne) fand die Debatte "sehr ernüchternd", Anette Völker-Rasor (PM) sprach davon, "bisschen irritiert" zu sein und Kerstin Engel (Grüne) war schlichtweg "sehr enttäuscht". "Persönlich" nahm es Martin Janner (PM), der im Arbeitskreis saß und seine Arbeit zunichte gemacht sah. Richtig sauer war Bocksberger. Warum werde ein "halbschariger Arbeitskreis" eingesetzt, wenn dessen Arbeit nicht gewürdigt werde, fragte er in die Runde. "Das ist gestohlene Lebenszeit", polterte der Zweite Bürgermeister. Er verstehe dieses Beleidigtsein nicht, meldete sich Bayram Yerli (SPD) zu Wort. Die Entscheidungsfindung sei ein demokratischer Prozess gewesen.

Nach einigem Hin und Her, das Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) mit den Worten beendete, er wolle hier nicht die Generalprobe für das nächste Theaterstück der Oberlandler abhalten, stimmte die Mehrheit dafür, aus der Satzung einen Leitfaden zu machen. Da muss wohl Klimaschutzmanager Zimmermann nochmals Hand anlegen.

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