Natur und Garten:Gepflegte Wildnis

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Claudia und Wolfgang Kube in ihrem Naturgarten in Münsing. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zwei Münsinger Gärten sind als erste im Landkreis für ihre Naturnähe ausgezeichnet worden. Einer davon ist der von Claudia und Wolfgang Kube.

Von Benjamin Engel, Münsing

Rund um sein Haus in Münsing kann Wolfgang Kube ein vielstimmiges Tableau der Tierwelt erleben: Er berichtet von den Käfern und Insekten in den Hohlräumen der Naturstein-Terrasse, den am Teich quakenden Kröten und Unken, über die in den Eiben brütenden Elstern, den Zaunkönig und Fischreiher bis zum nach einer Amsel schnappenden Habicht, dem Schwalbenschwanz in der Wildblumenwiese sowie durchs Gras schlängelnden Ringelnattern und Blindschleichen.

Das liegt wohl daran, dass die Pflanzen in seinem Garten möglichst naturnah wachsen dürfen. Kube schneidet so wenig wie möglich zurück und lässt auch Totholz zwischen den Büschen liegen, damit die Kleinlebewesen am Boden genügend Nahrung finden. Kurz geschorener Rasen ist nur in einem kleinen Teil zu finden - ein Zugeständnis an die spielenden Enkelkinder. Eine "geordnete Wildnis" nennt der 70-jährige Betriebswirt im Ruhestand seinen Garten. "Ich will durch Vielfalt Lebensräume schaffen."

Das Niederschlagswasser wird in einer Zisterne im Garten zum Gießen gesammelt. (Foto: Harry Wolfsbauer)
Überall im Garten existieren wilde Ecken. Die Terrasse besteht aus Natursteinen, in deren Hohlräumen Käfer und Insekten Platz finden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seitdem er selbst nicht mehr berufstätig ist, kann er sich umso ausgiebiger damit beschäftigen. Erst vor zwei Jahren ist Kube in den Münsinger Gartenbauverein eingetreten. So ist er auf die bayernweite Auszeichnungsinitiative "Bayern blüht - Naturgarten" des Landeslandwirtschaftsministeriums aufmerksam geworden. Von dieser ist Kubes Garten offiziell zertifiziert worden, genauso wie der Gemeinschaftsgarten des Gartenbauvereins. Beide sind nun die ersten sogenannten "Naturgärten" im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Sie sollen nicht die einzigen bleiben. "Ich will die Leute in meinem Umfeld motivieren, ähnliche Wege einzuschlagen", sagt Kube.

Dafür verzichtet er etwa auf chemische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger und erfüllt damit zwei Muss-Kriterien für einen Naturgarten. Stattdessen holt sich Kube etwa Pferdemist für seine Rosen. Möglichst junge Brennnesseltriebe lässt er mit Wasser zwei Wochen lang zu einer Jauche vergären. "Das gibt einen schönen Dünger." Zum Gießen nutzt er das Niederschlagswasser, das vom Dach über die Regenrinnen ab- und in einer Zisterne zusammenläuft. Die ist im diesjährigen, lange regenfreien Sommer zwar erstmals trockengefallen. Die Pflanzen mussten einige Zeit ohne die Nassquelle auskommen. Das scheinen diese aber gut überstanden zu haben. Wer am schmalen Weg südlich um das Wohnhaus bergab geht, kommt an einfach-offen blühenden Rosen vorbei, deren Nektar die Insekten auch gut erreichen könne, oder an orange-leuchtendem Rotdorn.

Für die Zertifizierung als Naturgarten zählt insbesondere die Vielfalt der Lebensräume, sie ist eines der sogenannten Kann-Kriterien. Je nachdem ob jedes von diesen ganz oder teilweise erfüllt wird, gibt es ein oder zwei Smileys. Sieben davon müssen erreicht werden. So sollen auch im Garten seltene Tier- und Pflanzenarten heimisch werden. Das stellen beispielsweise Feuchtbiotope wie der von Kube angelegte Naturteich sicher. Wo die Sumpfdotterblumen im Frühjahr rundherum goldgelb leuchten, ist die Vegetation im Herbst in mattgrün-braunen Naturtönen ausgeblichen. Die langen Binsen am Teich schneidet Kube erst später im Jahr etwas zurück, das Hechtkraut, das ihm fast zu sehr überhand nimmt, reißt er aus. Die eine Rasenhälfte am zum Lüßbach abfallenden Grundstück wird nur zweimal im Jahr gemäht. Darauf kommen dann Margeriten, Löwenzahn oder auch Wiesenschaumkraut im Frühjahr empor.

Im Herbst blühen Rosen. (Foto: Harry Wolfsbauer)
Hagebutten bleiben am Strauch. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Umgefallen sind dagegen auf dem Grundstück zwei mehr als zehn Meter hohe vor dem Lüßbach gepflanzte Bäume. Die Traubenkirsche und die Birke sind dem Sturm zum Opfer gefallen, der im Juli durch den Landkreis-Norden fegte. Um die beiden Bäume tut es Wolfgang und seiner Frau Claudia Kube knapp drei Monate später immer noch leid. Sie waren auch jahrzehntelang gewohnter Sichtschutz zur Kuhweide auf der gegenüberliegenden Bachseite. Mehr als die beiden Exemplare zerschneiden und professionell abtransportieren zu lassen, blieb dem Ehepaar nicht übrig. Wolfgang Kube hat jedoch wenigstens ein paar Baumscheiben zwischen die Gebüsche auf seinem Grundstück gelegt. Die dürfen dort nun verrotten und sollen so neuen Lebensraum für Kleintiere und Vögel bieten.

"So ein Garten ist Versuch und Irrtum", betont Kube. Als er vor 35 Jahren mit seiner Frau und dem damals gerade geborenen dritten Kind in das Haus im Münsinger Nordwesten eingezogen sei, hätte er für so einen naturnahen Garten gar keine Zeit gehabt, erzählt er. "Als junge Familie sind andere Dinge wichtig." Erst vor etwas mehr als 20 Jahren hat er begonnen, seinen Garten nach und nach umzubauen. Danach erst hat er den Teich oder die Wildblumenwiese mit Schneeglöckchen oder Krokussen an der Straßenseite im Osten des Grundstücks angelegt. Manchmal muss aber selbst Kube gegen die überbordende Natur vorgehen. So musste etwa der Efeu, der die ganze Garage vollkommen überwuchert hatte, vor wenigen Jahren weg. Die Pflanze hatte das Gebälk zu stark beschädigt und damit die Statik gefährdet. Und auch die Hornissen, die sich unter dem Dachgiebel zum Schlafzimmer eingenistet haben, sind eher lästig, wie Kube berichtet. Durch den Jalousiekasten liefen deren Exkremente in den Innenraum. Hornissen stehen aber unter Artenschutz, dürfen daher nicht getötet, können aber umgesiedelt werden. Im Landratsamt habe man ihm geraten, erst einmal abzuwarten, bis die großen Insekten in der kalten Jahreszeit absterben, sagt Kube.

So gibt es im Gartenjahr immer wieder Neues zu beobachten. Wenn Wolfgang Kube nicht selbst im Garten werkelt, holt er sich auch gerne einen Stuhl und genießt die umgebende Natur auch gemeinsam mit seiner Frau - vom Wasser, über die Strauchhecken bis zu den Beerenobststräuchern. Ganz auf südliche Gewächse wollte aber auch er nicht verzichten. So stehen auf der Terrasse ein Oleander und ein Olivenbäumchen, "um die Sehnsucht zu befriedigen", wie Kube sagt. Das Gärntnern begeistert den Münsinger. "Ich bin eigentlich ein Städter aus dem Münchner Steinhaufen", sagt Kube. Womöglich habe er daher die Leidenschaft zum Naturnahen entwickelt.

Der Münsinger Gemeinschaftsgarten

Am Hanggrundstück des örtlichen Gartenbauvereins im Osten des Dorfes bewirtschaften Hobbygärtner 19 Parzellen. Zwei Beete bewirtschaftet der Gartenbauverein selbst. Die Idee dafür entstand 2016, als die Vorsitzende Regina Reitenhardt sowie Stellvertreterin Anke Mai zu Projektgärtnerinnen ausgebildet wurden. Der Gemeinschaftsgarten diente dafür als Abschlussarbeit. Wie Mai erklärt, werden darin Wildkräuter geduldet. Auf der Wiese dürfen Löwenzahn, Gänseblümchen, Klee, Giersch, Gundermann und Brennnesseln wachsen. Zum Gießen wird Niederschlagswasser gesammelt. Chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel sind nicht erlaubt. Zur Zertifikatsübergabe stellten sich auch die beiden neuen Kreisfachberaterinnen für Gartenkultur und Landespflege vor: Elisabeth Obermüller und Anika Dollinger.

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