Mountainbiker:Ringen um die Berghoheit

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Immer mehr Mountainbiker sind im Landkreis unterwegs und bringen Fauna und Flora in Bedrängnis. Die Lösung könnte ein Gesamtkonzept sein, das nur mit hohem personellen Aufwand durchsetzbar wäre.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Ein Mountainbike-Konzept für den Landkreis könnte die Konflikte zwischen Radfahrern, Wanderern und Forstwirten lösen. (Foto: Christoph Bayer/Enduro Magazin/ohne Honorar)

Sind Mountainbiker und Wanderer gemeinsam auf einem Trail unterwegs, bleiben Konflikte nicht aus. Auch Almbauern, Waldbesitzer und Naturschützer sind nicht gut auf die Freizeitsportler zu sprechen, die mit ihren Rädern talwärts preschen - und dabei immer öfters bisher unbefahrene Strecken nutzen. Ausgesetzte Wege und Steige sind längst nicht mehr sicher. Der Landkreis sucht nach einer Lösung. In seinem Auftrag hat das Alpenforschungsinstitut mit Sitz in Seeshaupt die "Machbarkeitsstudie Mountainbiking" erarbeitet. Das Ergebnis: Ohne Kontrolle nutzt ein noch so ausgefeiltes Konzept nichts.

Thomas Bausch vom Alpenforschungsinstitut stellte die Machbarkeitsstudie im Umweltausschuss des Kreistags vor. Mountainbikefahren ist zum Breitensport geworden. Schon deshalb, weil es solche Räder inzwischen mit Elektromotoren gibt. Auch normale Pedelecs machen es weniger Sportlichen leichter, steiles Gelände zu meistern. Das erhöhe die Reichweite und die Anzahl der Nutzer, sagte Bausch. "Der Druck von München aus wird steigen." Weil in den Bergen mehr Menschen länger unterwegs seien, würden bestimmte Tierarten massiv beeinträchtigt. Sensible Gebiete müssten vom Freizeitdruck entlastet werden. "Bis dahin ist es allerdings ein mühseliges Geschäft."

Für die Machbarkeitsstudie hat das Alpenforschungsinstitut Workshops mit Beteiligten organisiert, Konfliktfelder wurden herausgearbeitet, Rechtsfragen wie die Haftung auf Wegen diskutiert. In einem Punkt seien sich alle einig gewesen, erklärte Bausch: "Das Ausweisen eines Mountainbike-Netzes würde ein geeignetes Instrument zur Lenkung darstellen, da attraktive Wege die Fahrer anziehen."

Vier Varianten für ein weiteres Vorgehen sind in der Machbarkeitsstudie aufgeführt. Deren Für und Wider stellten Franz Steger von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt und Andreas Wüstefeld vom Tölzer Land Tourismus vor. Die große Lösung, ein Mountainbike-Konzept für den gesamten Landkreis, könnte die Konflikte zwischen Radfahrern, Wanderern, Land- und Forstwirten sowie den Grundstückseignern lösen und im Sinne des Naturschutzes bestimmte Trails freigeben, dafür andere sperren, sagte Steger. Touristisch ließe sich ein Mountainbike-Wegenetz sehr gut vermarkten. Bei der Regierung von Oberbayern habe man angefragt, ob die Ausweisung von Wegen im Naturschutzgebiet Karwendel mit einem derartigen Konzept möglich wäre. Im Karwendel ist es verboten, mit dem Rad zu fahren. Die Höhere Naturschutzbehörde sei nicht abgeneigt, so Steger. Die Kehrseite der Medaille skizzierte Wüstefeld: Für ein Gesamtkonzept müssten die Interessen zahlreicher Kommunen und Eigentümer in Einklang gebracht werden, vor allem wenn es um Widmungen und Haftungen gehe. Die Konzepterstellung koste eine sechsstellige Summe, vielleicht sogar mehr. Fünf Ranger seien notwendig, um die Einhaltung der Verbote zu überwachen. Dazu käme noch ein Projektmanager. Ohne die Nachbarlandkreise Miesbach und Garmisch-Partenkirchen mit an Bord zu haben, sei eine "Insellösung" unbefriedigend.

Bausch indes präferiert einen "Zwischenschritt", nämlich die Einrichtung von Probe-Trails im Norden und Süden des Landkreises: zwei auf Bergen, zwei an der Isar. Diese Probe-Routen seien kostengünstiger einzurichten, ließen sich dennoch touristisch vermarkten, sagt Steger. Und man könnte Erfahrungen für ein landkreisweites Konzept sammeln. Keine Vorteile bringe diese Lösung für den Naturschutz, ergänzte Wüstefeld. Die Regierung von Oberbayern habe einen Probe-Betrieb im Karwendel ausgeschlossen. Man müsse dennoch einen Projektmanager und Ranger beschäftigen.

Ebenfalls möglich wäre ein Trail-Center, also die Konzentration verschiedener Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden an einem Berg-Standort. Sinnvoll wäre es, so ein Center an bestehende Bergbahnen anzuschließen. Doch weder die Betreiber am Brauneck, Herzogstand oder Blomberg hätten daran Interesse. "Es gibt keinen Standort", sagte Bausch. Natürlich bliebe noch, gar nichts zu tun. "Das löst jedoch nicht die Konflikte."

Ohne Hilfe des Freistaats und der Nachbarlandkreise sei keine Umsetzung möglich, sagte Cornelia Irmer (FW). Große Probleme bei der Überwachung der Trails und verbotenen Bereiche machte Klaus Heilinglechner (FW) aus. Auch die Idee eines Trail-Centers gefiel ihm nicht. "Dafür opfert man einen Berg", sagte er. Die Natur nicht den Bikern preiszugeben, dafür plädierte Nikolaus Mair (Grüne). Er sprach davon, rote Linien zu ziehen. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) und sein Stellvertreter Thomas Holz (CSU) baten die Räte darum, das Thema in ihre Fraktionen zu tragen und gemeinsam zu diskutieren. Einen Beschluss über das weitere Vorgehen traf das Gremium nicht. Niedermaier nahm für sich den Auftrag mit, mit seinen Landratskollegen über ein übergreifendes Konzept zu sprechen.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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