Mobilität in Geretsried:Lieber weg vom Primat des Autos

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Sieht schön aus, ist aber erschreckend: Die Karte, die Verena Wagner hier zeigt, stellt die Temperaturentwicklung in Bayern seit 1881 dar: je röter, desto wärmer. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Bürgerforum wird Kritik an bestehenden Radwegen und Busverbindungen gesammelt und es werden erste Ideen für Verbesserungen entworfen. Online-Umfrage läuft noch bis Mitte Dezember.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Situation an diesem Abend ist bezeichnend: 37 Personen sind mit dem Auto gekommen, sieben zu Fuß, sechs mit dem Fahrrad und nur zwei mit dem Bus. Schon zu Beginn des Mobilitätsforums am Mittwoch in der Aula der Karl-Lederer-Schule in Geretsried zeigt sich, woran es in der Stadt fehlt: an einem optimalen Radwegenetz und an einem dichten Bus-Takt. Mit einem Wort: an guten Alternativen zum Auto. Bürgermeister Michael Müller (CSU) führt dies auf die lang gezogene Siedlungsstruktur der Stadt zurück und erklärt: "Den Primat des Autos haben wir bis heute."

Um dies zu ändern, um also mehr für den Klimaschutz zu tun, aber auch um dem demografischen Wandel und vielfältigen neuen Lebensstilen gerecht zu werden, Energie zu sparen, Kosten zu senken und die Digitalisierung zu nutzen, hat die Stadt ein Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben. Das Verkehrsplanungsbüro Planersocietät mit Sitz in Dortmund und Büros in Bremen und Karlsruhe hat dazu bereits die ersten Schritte unternommen. Projektleiterin Verena Wagner erklärte, es seien "Akteure" befragt worden ("Wünsche: Mehr Miteinander und Rücksicht im öffentlichen Raum, Förderung des Umweltverbunds, Fußverkehr, Radverkehr, Bus und Bahn"), und Mitarbeitende hätten sich selbst einen ersten Eindruck verschafft. Diesen fasste Wagners Kollegin Annika Jung so zusammen: "Man ist sehr auf sein Auto angewiesen, wenn man hier lebt."

Unterlegt wird dies mit Daten, darunter die Pendlerströme (Zahlen des Jahres 2021): Es gibt in Geretsried demnach 5989 Einpendelnde und 8437 Auspendelnde. "Die stärksten Einpendler-Beziehungen bestehen aus Wolfratshausen, München und Bad Tölz. Die größten Auspendlerströme sind nach Wolfratshausen, München und Bad Tölz." Die durchschnittliche Pendlerstrecke habe 9,81 km und sei damit "fahrradtauglich".

Annika Jung leitete den Workshop zum Fuß- und Radverkehr. (Foto: Felicitas Amler/oh)
Andreas Wagner im Workshop zu den Öffentlichen. (Foto: Felicitas Amler/oh)

Viele Eindrücke bestätigten sich anschließend in den Workshops mit den Besucherinnen und Besuchern der Veranstaltung. Gefragt wurde in drei Gruppen zu den Themen Fuß und Radverkehr, Öffentlicher Verkehr und Kfz-Verkehr. Dabei wurden eine Fülle von Mängeln und vielerlei Anregungen und Wünsche gesammelt.

So hieß es etwa: Radwege seien zu schmal, manche glichen einer Buckelpiste, Alltagswege fehlten im Vergleich zu Ausflugsradwegen, an großen Straßen wie der Sudeten- oder der Jeschkenstraße gebe es gar keine Radwege; Fußgängerüberwege seien oft unsicher und auch davon gebe es zu wenige, Bordsteine seien oft zu hoch, Beleuchtungen schlecht, Kreuzungen zugeparkt.

Wie sind Sie hergekommen, lautete die Frage vor der Veranstaltung - wie würden Sie gern beim nächsten Mal kommen, am Ende. Klarer Fall: Busse und Radwege müssten verbessert werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In der Auto-Gruppe wurden zu hohe Geschwindigkeiten bemängelt, es wurde ein Car-Sharing reklamiert, der Lkw-Verkehr als zu schnell bewertet und die Steuerung der Ampelschaltungen als unzureichend kritisiert. Im neuen Zentrum rund um den Karl-Lederer-Platz herrsche eine unklare Verkehrslage und es gebe dort immer noch zu viele parkende Autos, Wildparker würden zu wenig sanktioniert, und es gebe keine Schnellladesäulen für E-Autos.

Bei den "Öffentlichen" wurde kritisiert, dass der Stadtbus abends und am Sonntag nicht fährt, die Pünktlichkeit und die Fahrpreise der Busse wurden bemängelt, der zeitliche Anschluss an die S-Bahn in Geretsried funktioniere oft nicht, in der Rushhour brauche es mehr Busse, allerdings wurden auch kleinere Citybusse gefordert und ein "Bus on demand", also fahrplanunabhängig auf Nachfrage.

Um möglichst viele Stimmen zu sammeln, hat die Stadt eine Online-Umfrage eingerichtet, an der sich nicht nur Geretsriederinnen und Geretsrieder beteiligen können, sondern alle, die an der Mobilität in der Stadt interessiert sind. Zusätzlich gibt es dort eine "interaktive Ideenkarte", einen Stadtplan, auf dem Vorschläge für Fuß- und Radwege, Bus, Bahn und Pkw markiert werden können. Die Umfrage läuft bis 15. Dezember. Betreut wird sie von der Planersocietät.

www.geretsried.de/dubistgefragt

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