Mieten in Geretsried:Stadt der Extreme

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Die Baugenossenschaft lässt sich von einem verrückten Wohnungsmarkt zum Glück nicht mitreißen

Kommentar von Felicitas Amler

Nein, die S-Bahn ist noch längst nicht da. Es gibt noch nicht mal einen festen Zeithorizont, an dem sie sich erkennbar abzeichnen würde. Und doch verlangt der freie Markt in Geretsried bereits Mieten, als wollte man sich in der weit und breit bestangeschlossenen und schönsten Kommune ansiedeln. Zwölf Euro pro Quadratmeter scheinen inzwischen "normal" zu sein, extreme Ausreißer von 15 und 18 Euro sind ebenfalls zu entdecken. "Großzügig", "exklusiv" und "luxuriös" heißt es dazu. Nun gut, aber wer kann sich das leisten?

Dass Geretsried, die mit 26 000 Einwohnern größte Stadt des Landkreises, dennoch auch durchschnittlich verdienenden Menschen, Alleinerziehenden genauso wie Familien oder Rentnerinnen, eine Heimstatt bieten kann, ist vor allem der dortigen Baugenossenschaft zu verdanken. Sie verfügt über rund 3000 Wohnungen - überwiegend eigene, aber auch fremde, die sie verwaltet. Eine stolze Zahl. Doch es ist nicht nur die Menge, die's macht. Wer sich mit Geschäftsführer Wolfgang Selig unterhält, kann nur staunen. Hier sind, egal ob bei öffentlich geförderten oder frei finanzierten Wohnungen, noch Preise unter - und teils weit unter zehn Euro pro Quadratmeter üblich. Kein Wunder, dass selten eine Wohnung neu zu vermieten ist; wer würde gerade in prekären Zeiten wie diesen freiwillig eine günstige Bleibe verlassen. Die Baugenossenschaft errichtet daher weiterhin Wohnungen. An der Egerlandstraße sind es zwar nur 21 mehr, als sie dort gerade abgerissen hat: 93 statt 72. Aber immerhin. Und Selig kündigt in seinem Geschäftsbericht an, dass für Um- und Neubauten auch künftig jährlich mehrere Millionen Euro vorgesehen seien. Gut so. Geretsried braucht Bauherren, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Schon jetzt. Und falls die S-Bahn denn eines Tages wirklich in Sicht ist, noch mehr.

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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