Max-Rill-Schule:Ein Rasenklavier im Schulhof

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Einen defekten Flügel hat eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern in Reichersbeuern in ein Rasenklavier verwandelt. Von links: Timo, Max (sitzend), Hannes, Ferdinand, Marta, Schulleiterin Carmen Mendez und Projektleiterin Kelly Wright. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

Während andere auf Klassenfahrt sind, verwandelt eine Gruppe von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in Reichersbeuern einen defekten Flügel mit viel Arbeit in ein Kunstwerk.

Von Anja Brandstäter, Reichersbeuern

Wer einen kreativen Prozess durchläuft, kommt oft anders aus ihm heraus: Das haben einige Gymnasiasten der sechsten, siebten und elften Klasse von der Max-Rill-Schule in Reichersbeuern erfahren. Sie gingen nicht mit Klassenfahrt, sondern schufen zwei Tage lang ein außergewöhnliches Kunstobjekt: ein "Rasenklavier". Dabei erlebten sie auch, dass Kunstrasen ein ausgesprochen sperriges Material ist.

Ihr Werk steht nun im Innenhof der Schule und dürfte so manchem, der daran vorbei geht, ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Der Anblick ist auf jeden Fall außergewöhnlich: ein grüner Flügel, der mit rosa Blumen verziert ist, darauf liegt eine Katze, ein roter Schmetterling sitzt an der Seite, zwei Marienkäfer scheinen über die Tastatur zu krabbeln, blauer Enzian wächst aus den Füßen.

Das Werk von Künstler Stefanos Milkidis in Weimar diente als Vorbild für das Projekt

Was man auf dem ersten Blick nicht sieht, ist die Menge an Arbeit, die in dem Projekt steckt - und die verschiedenen Emotionen, die es auslöste. "Der Flügel in der Schulaula war alt und kaputt. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, was wir nur damit anstellen könnten", erzählt Schulleiterin Carmen Mendez. Als sie in den Ferien zufällig durch den Ilmpark in Weimar spazierte und vor der Villa Haar das Rasenklavier des griechischen Künstlers und Umweltaktivisten Stefanos Milkidis erblickte, da wusste sie, was ihre Schüler mit dem ausgedienten Klavier anstellen könnten. Sie machte ein paar Fotos, die sie Projektleiterin Kelly Wright zeigte.

Bei Kelly Wright fand sie sofort offene Ohren. Die Projektleiterin besorgte im Baumarkt Schiffslack, Klebstoff, Tacker und meterweise Kunstrasen. Als sie das Foto vom Rasenklavier des Künstlers Stefanos Milkidis ihren Schülerinnen und Schülern zeigte, bekam sie zur Antwort: "Das schaffen wir nie."

"An diesem Tag war Aufbruchsstimmung", sagt die Projektleiterin

Mit einem Radlader transportierten die drei Hausmeister des Gymnasiums den Flügel aus der Aula in den Kunstraum. 200 abschüssige Meter weit. "An diesem Tag war Aufbruchstimmung. Heute passiert etwas", erinnert sich Kelly Wright an diesen Moment im Mai. "Gott sei Dank hat der Flügel durch die Türe des Kunstraums gepasst", fügt sie hinzu und lacht.

Die Reaktionen der Jugendlichen waren sehr unterschiedlich: Nils wollte auf dem Klavier spielen und konnte nicht fassen, dass es jetzt eine andere Funktion erhält. "Er war sehr traurig", erzählt Hannes. Andere Schüler hinterfragten den Sinn der Aktion. Kelly Wright erwiderte: "Jetzt versuchen wir das einfach." Zwei Tage lang haben die Schülerinnen und Schüler dann konzentriert gearbeitet. Sie putzten die Klaviertasten, bevor sie diese mit Bootslack versiegelten und wetterfest machten.

Der Innenhof der Max-Rill-Schule im Schloss Reichersbeuern. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Gruppe lernte das Instrument und seine Einzelteile genau kennen, sie schnitt Rasen zu, klebte ihn an oder tackerte ihn auf das Klavier. Den Schülerinnen und Schülern war es wichtig, möglichst sorgsam mit dem Material umzugehen und Reste zum Beispiel an den Füßen anzubringen. Dabei stellten sie fest, wie schwierig es ist, Kunstrasen an Kurven ordentlich zu befestigen. Insgesamt verarbeiteten die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nicht weniger als 17 Meter Kunstrasen.

Weil ihnen die silbernen Tacker-Klammern nicht gefielen, gaben sie ihnen einen grünen Anstrich. "Ganz zum Schluss haben wir die Verzierungen angebracht", sagt Melanie. Einen Schwung Kunstblumen hatten die Schülerinnen und Schüler von der Hausmeisterin bekommen. "Wir wollten pinke Blumen und haben sie einfach angesprüht", erzählt Melanie. Damit wurden die Lücken kaschiert.

Carmen Mendez ist es wichtig, dass die Jugendlichen an der Max-Rill-Schule in einer inspirierenden Umgebung lernen und leben. "Die Kinder sollen Freude am Gestalten haben, auch wenn sie nicht zeichnen möchten. Als die anderen Schüler von der Klassenfahrt zurückkamen, haben wir eine Vernissage veranstaltet", sagt die Schulleiterin. Dass der Kunstunterricht auf eine Stunde in der Woche begrenzt ist, bedauert sie: "So ein Fach sollte doppelstündig unterrichtet werden."

Jetzt dient das Rasenklavier in der Pause als Stehtisch. Die Schülerinnen und Schüler sind stolz auf ihr Werk. "Ich finde, das war ein tolles Projekt", sagt Hannes.

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