Lenggries:Klinik-Verteidiger weist Vorwürfe zurück

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Die Fachklinik in Lenggries muss wegen gravierender Mängel zum 31. August schließen. (Foto: Manfred Neubauer)

Laut dem Rechtsanwalt hat das Landratsamt den Betrieb zu Unrecht untersagt. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bestätigten die Anschuldigungen wegen Pflegemängeln nicht.

Von Benjamin Engel, Lenggries/München

Von einer "schwierigen Lage" spricht Rudolf Ratzel, nachdem das Landratsamt angeordnet hat, die Lenggrieser Reha-Klinik wegen pflegerischer Mängel zu schließen. Der vom Betreiber im Strafverfahren eingeschaltete Anwalt für Medizinrecht ist aber zuversichtlich, die Anschuldigungen entkräften zu können. "Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ergeben sich die Vorwürfe nicht", erklärt Ratzel am Dienstag am Telefon auf Nachfrage.

Ausgangspunkt der Ermittlungen ist seiner Darstellung nach, dass drei Personen anonym Anzeige gegen die Klinik erstattet hätten. Wie der Betreiber herausgefunden habe, handele es sich um frühere Mitarbeiter der Reha-Einrichtung "aus dem Querdenker-Milieu", sagt Ratzel. Teils seien diese schon seit zwei Jahren nicht mehr für die Lenggrieser Klinik tätig. Laut Ansicht des Anwalts wollten die ehemaligen Mitarbeiter der Einrichtung schaden. Aufgrund ihrer Anschuldigungen hätten Mitarbeiter aus dem Gesundheits- und Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen Ende April dieses Jahres eine erste unangemeldete Begehung der Klinik organisiert.

Im Raum steht der Verdacht auf vorsätzliche Körperverletzung und pflegerische Missstände

Im Raum steht der Verdacht auf vorsätzliche Körperverletzung und pflegerische Missstände. Deswegen ermittelt die Kriminalpolizei Weilheim unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft München II seit vergangenem Mai strafrechtlich gegen die Klinik. Polizisten hatten die Reha-Einrichtung Ende Juni durchsucht.

Parallel dazu leitete das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen auch ein verwaltungsrechtliches Verfahren ein. Das Ergebnis: Die Lenggrieser Fachklinik für geriatrische Rehabilitation müsse zum 31. August dieses Jahres schließen. Für die Einrichtung gelte ein Aufnahmestopp, die Betriebserlaubnis sei widerrufen. Das begründete die Kreisbehörde mit festgestellten pflegerischen Mängeln, Unstimmigkeiten in den Dienstplänen und falschen Insulingaben.

Gegen die Vorwürfe in dieser massiven Form wehrt sich der Anwalt des Klinikbetreibers. Lediglich ein einziges Mal sei es zu einer falschen Insulingabe gekommen, räumt Ratzel ein. Daraus sei aber kein gesundheitlicher Schaden entstanden. Erst kürzlich habe der Prüfkonzern Dekra die Klinik zertifiziert. Auch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes Bayern liege vor, das keine Beanstandungen ergeben habe.

Bei einer angemeldeten Kontrolle stellte der Medizinische Dienst keine Mängel fest

Darauf verweist auch die AOK in ihrer Funktion als Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern (Arge). Die gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst Bayern eingeleiteten Qualitätsprüfungen in der Einrichtung hätten die Vorwürfe in Bezug auf Versorgungsmängel in der Lenggrieser Fachklinik nicht bestätigt, so Steffen Habit von der Arge. "Mängel konnten dabei nicht festgestellt werden." Allerdings müssten diese Kontrollen vorher angemeldet werden. Die Kinikleitung konnte sich also darauf einstellen.

Dass Vorwürfe wegen erheblicher Versorgungs-Mängel gegen die Lenggrieser Reha-Klinik im Raum stehen, sei der Arge erst nach der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren angeordneten Durchsuchung Ende Juni bekannt geworden. "Die Kassen haben bereits damit begonnen, ihren dort behandelten Versicherten zu empfehlen, die Einrichtung zu wechseln", sagt Habit. Sie machten den Patienten konkrete Verlegungsangebote. Wie mit der Fachklinik in Lenggries umzugehen sei, werde beraten. "Die AOK Bayern hat fünf Patienten in der Fachklinik in Lenggries", bestätigt Habit.

Insgesamt soll die Lenggrieser Klinik für geriatrische Rehabilitation 60 Betten haben. Diese seien aktuell gut belegt, so Anwalt Ratzel. Die Verlegung der Patienten werde in Angriff genommen. Dies sei aber in der Kürze der Zeit ein komplexes Unterfangen.

Im Impressum auf der Homepage der Fachklinik ist Professor Nikolaus Netzer zwar noch als Geschäftsführer der Gesundheitsbetriebe Isarwinkel GmbH aufgeführt. Zwischenzeitlich soll sich der Mediziner jedoch aus dieser Funktion zurückgezogen haben. So stellt es jedenfalls Rechtsanwalt Ratzel dar.

Der Anwalt des Klinikbetreibers geht von einem langwierigen Verfahren aus

Im Verfahren wolle Netzer möglichst keine Angriffsfläche bieten. "Die Vorwürfe sind massiv, müssen im Einzelnen gründlich aufgearbeitet werden." Der vom 28. Juli datierte Bescheid des Landratsamts liste auf 20 Seiten detailliert auf, was in der Klinik falsch gelaufen sein soll. Nur in zwei Sätzen werde darin allerdings auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft eingegangen. Mit dem Klinikbetreiber sei er zwar "recht guter Hoffnung", aufklären zu können, dass die Anschuldigungen nicht stimmten. Das werde aber dauern, so Ratzel. Da keine schnelle Lösung absehbar sei, werde die Situation für die Klinik schwierig. Derzeit arbeite seine Kanzlei an einer ersten Stellungnahme für die Staatsanwaltschaft München II.

Im verwaltungsrechtlichen Verfahren prüft unterdessen das Team der Rechtsanwaltskanzlei von Jens Wernick mit Sitz in München die Unterlagen. Was die nächsten Schritte sind gegen den Bescheid des Landratsamts, der Klinik die Konzession zu entziehen, will er nicht sagen. "Wir sind dabei, uns inhaltlich damit auseinanderzusetzen", sagt Wernick.

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:Lenggrieser Reha-Klinik muss schließen

Landratsamt widerruft Betriebserlaubnis wegen "erheblicher Mängel".

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