Der Bauantrag eines Grundstückeigentümers, an der Scharfreiterstraße eine Flüchtlingsunterkunft für etwa 100 Menschen zu bauen, sorgt in der Brauneckgemeinde für Unmut. Vor der Bauausschusssitzung am Montag hatten sich etwa 70 Gegner und besorgte Bürger vor der Touristinfo versammelt, rund 15 Gegendemonstranten auf der Straßenseite gegenüber. Angemeldet waren die Versammlungen nicht, wie der stellvertretende Dienststellenleiter der Tölzer Polizeiinspektion, Andreas Rohrhofer, erklärte, der mit einigen Einsatzkräften gekommen war. Man habe über Mundpropaganda und in den sozialen Medien erfahren, dass es im Ort rumore, sagte er. Handlungsbedarf gab es nicht, die Lage blieb ruhig.
Die Gegner wollten offenbar vor der Abstimmung Präsenz zeigen, auch im Sitzungssaal im Rathaus waren alle Besucherstühle besetzt. Der Bauantrag bezog sich auf ein Grundstück an der Scharfreiterstraße, wo bis vor gut einem Jahr ein Motorradhändler seine Verkaufsräume hatte. Eigentümer des Grundstück ist der Lenggrieser Projektentwickler Christoph Hertwig, der das Brauneck Hotel gekauft hat, das zurzeit saniert wird.
Im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes an der Scharfreiterstraße sollten nach den Plänen Gemeinschaftsräume, Lager, Sanitäranlagen und das Büro des Sicherheitsdienstes eingerichtet werden. Daran angeschlossen wollte der Eigentümer eine Containeranlage mit 24 Wohneinheiten für maximal 100 Personen bauen - nicht auf eigene Initiative, sondern dem Vernehmen nach auf Anfrage des Landratsamts. Auch ein Spielplatz sei vorgesehen, erklärte Bauamtsleiter Ronny Bousseljot. Der Bebauungsplan sieht auf dem Gelände ein Gewerbegebiet vor. Weil aber der Bund im Jahr 2015 Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte geschaffen habe, könnten Abweichungen gebilligt werden, sagte Bousseljot weiter. Demnach wäre eine befristete Nutzungsänderung als Gemeinschaftsunterkunft (GU) möglich, die längstens bis Ende 2027 gelte.
Die Gemeinderäte halten die Unterkunft für zu groß
Im Bauausschuss war man sich einig: Eine Flüchtlingsunterkunft in dieser Größe will man dort nicht, der Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Theoretisch hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen aber die Möglichkeit, das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen und das Vorhaben doch noch auf den Weg zu bringen. Die Argumente für die Ablehnung im Bauausschuss waren vielfältig: Die Unterkunft sei zu groß, mit einer kleineren Anlage für 20 bis 30 Menschen könnte man leben, hieß es. Die Gemeinde habe auf die Belegung keinen Einfluss, weil die Containerunterkunft von einem Privateigentümer an den Landkreis verpachtet werde. Womöglich kämen 100 "junge testosterongesteuerte Männer mit Kriegstrauma", wie Thomas Murböck (CSU) erklärte. Unterschiedliche Glaubensrichtungen, Nationalitäten - "wir lassen zu, dass das eskalieren könnte und haben keinen Einfluss", warnte Sabine Gerg (SPD). Die Pachtzahlungen leiste der Freistaat an den Grundstückseigentümer. Die Gemeinde gehe leer aus, sei aber für die Integration und alle sozialen Belange zuständig. Etwa für die Bereitstellung von Kindergartenplätzen, von denen es in der Gemeinde aber ohnehin seit Jahren zu wenige gebe.
Außerdem habe sich der Helferkreis, dem 2015 rund 70 Mitglieder angehört hatten, aufgelöst. Und ohne eine solche Unterstützung sei das für die Gemeinde kaum zu schaffen, sagte Daniela Werner (Grüne). Ihr Antrag auf Vertagung, um offene Fragen zu klären und dann im Gemeinderat abstimmen zu lassen, wurde abgelehnt. Zustimmung, auch bei den Zuhörern, fand dagegen der Vorschlag von Peter Gascha (FWG): Der Bauausschuss solle bei der Abstimmung ein klares Zeichen setzen, und der Gemeinderat in der nächsten Sitzung über ein geeignetes Grundstück für eine GU beraten. "Wir brauchen ein lösungsorientiertes Vorgehen", mahnte Bürgermeister Stefan Klaffenbacher (FWG). "Ich erwarte Vorschläge vom Gemeinderat."
In Lenggries gibt es bereits eine Containeranlage an der Geiersteinstraße, die allermeisten der etwa 130 Geflüchteten in der Gemeinde leben dort. Seit Oktober nehmen die Zahlen deutlich zu. "Alle zwei Wochen wird uns ein Bus mit knapp 50 Asylbewerbern zugeteilt", sagte Klaffenbacher, die ukrainischen Flüchtlinge kämen noch on top. Landkreis und Gemeinde können die vorgegebene Quote derzeit nicht erfüllen: In Lenggries fehlen 45 Plätze. "Und wenn sich an der Bundespolitik nichts ändert, werden wir noch einige Busladungen dazubekommen", sagte Klaffenbacher.
Nach einem Aufruf des Landratsamts, die Kommunen sollten Grundstücke oder Gebäude zur Unterbringung von Asylbewerbern melden, hatte sich der Gemeinderat im Februar auf ein Grundstück südlich der Flussmeisterstelle verständigt, das dem Freistaat gehört. Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim habe aber das Grundstück nicht freigegeben, erklärte Bauamtsleiter Bousseljot auf Nachfrage. Mit Gründen, die für die Gemeinde Lenggries nicht nachvollziehbar seien, weshalb man die nächsthöhere Instanz eingeschaltet habe. Wenn die Gemeinden keine neuen Plätze schaffen, drohe eine weitere Belegung von Turnhallen. Oder "Fehlbeleger", also anerkannte Flüchtlinge, die immer noch in einer GU leben, müssten ausziehen. "Wenn sie in der Obdachlosigkeit landen, sind wieder die Gemeinden zuständig", warnte Klaffenbacher.