Die Lage des BCF Wolfratshausen ist weiterhin prekär. Manfred Fleischer, Vorsitzender des zweitgrößten Sportvereins in Wolfratshausen, drückt es noch drastischer aus: "Die Situation treibt den BCF Wolfratshausen in den Ruin", sagt er. Der Grund: Bereits seit 14 Monaten ist die Mehrzweckhalle in Farchet als Flüchtlingsquartier für den Sportbetrieb geschlossen. Fünf von den sieben Abteilungen des Vereins brauchen die Halle eigentlich ganzjährig - die Mitglieder können ihre Sportart aktuell nur eingeschränkt ausüben. Auf einen offenen Brief, den der BCF am 11. Mai an Landrat Josef Niedermaier (FW) und die Stadt Wolfratshausen geschickt hatte, bekam der Verein bisher keine Antwort.
Dass die alternativen Sportstätten nicht ideal funktionieren, zeigt Fleischer zufolge ein Blick auf die Abteilung Tischtennis. "Wir sind froh, dass wir für das Erwachsenentraining nach Geretsried ausweichen können", sagt der Vorsitzende. "Aber vor allem im Jugendbereich ist das eine Katastrophe. Sie können keinen Acht- oder Neunjährigen im Winter durch den Wald mit dem Radl nach Geretsried schicken." Die Eltern hätten sich laut Fleischer mit dem BCF ja gerade einen Verein ausgesucht, bei dem sie in Hallennähe wohnten und ihre Kinder nicht mit dem Auto zum Training bringen müssten.
Die Unzufriedenheit der Vereinszugehörigen macht sich unter anderem in den Zahlen bemerkbar. Im Jahr 2022 sank demnach die Zahl der BCF-Mitglieder von mehr als 1300 auf etwa 1150. Fleischer hat hierfür Verständnis: "Die Mitglieder sind sehr treu und unterstützen den Verein - aber sie wollen halt auch ihren Sport ausüben." Und nicht nur alte BCF-ler steigen laut dem Vorsitzenden aus; auch interessierte Personen, im Jugendtischtennis waren es 15 im vergangenen Jahr, müssten abgewiesen werden. "Jetzt gilt es, endlich zu handeln und die Halle freizumachen", fordert Fleischer.
"14 Monate Zweckentfremdung reichen!"
Vorbilder sieht er in vielen anderen Landkreisen. Fürstenfeldbruck sperre beispielsweise keine Hallen. "Die Alternativoptionen sind ganz einfach: Der Landkreis muss in Absprache mit Städten und Gemeinden Flächen finden und da eine Traglufthalle oder Container draufstellen", so Fleischer. Der Landkreis müsse die Flächen, die bereits von der Stadt Wolfratshausen vorgeschlagen worden seien, "möglichst zügig" prüfen, fordert er. Die Nutzung der Mehrzweckhalle als Unterkunft hält er außerdem für rechtlich höchst fragwürdig. "14 Monate Zweckentfremdung reichen!" Ein weiterer Punkt, den Fleischer stark kritisiert, ist die Kommunikation mit den zuständigen Stellen. "Wir brauchen eine Perspektive, wann die Halle wieder für den Sport zur Verfügung steht", sagt er.
Günther Eibl (CSU) betont, dass er die Situation beim BCF nachvollziehen könne. "Die Aufgabe liegt jetzt beim Herrn Niedermaier und nicht bei der Stadt", sagt der Zweite Bürgermeister von Wolfratshausen. Die Stadt habe Grundstücke gemeldet, von denen zwei aktuell vom Landratsamt geprüft werden.
"Es gibt keine Kommunikation, es fehlt einfach ein sinnvolles Konzept", kritisiert auch der Vorsitzende des TuS Geretsried, Mirko Naumann. Dies betreffe nicht nur die aktuelle Krise durch den Krieg in der Ukraine, sondern "alles, was noch kommt", so Naumann. "Wir sind natürlich solidarisch und haben vollstes Verständnis dafür, wenn man bei einem kurzfristigen Bedarf Turnhallen hernehmen muss", betont er. "Aber jetzt mutiert das halt langsam zur Dauerlösung - und das kann's einfach nicht sein!" Von den E-Mails, die er an den Landrat geschickt habe, sei bisher nicht eine beantwortet worden.
Der TuS Geretsried ist dabei weniger stark betroffen als der BCF Wolfratshausen. Zwar ist die Halle der Mittelschule an der Adalbert-Stifter-Straße in Geretsried seit September gesperrt, andere Hallen in Geretsried sind jedoch weiterhin für den Verein nutzbar. Für die Handballer in der Spielgemeinschaft HSG Isar-Loisach fällt allerdings die Haupthalle weg, ebenso für die Abteilung Basketball. Der Trainingsbetrieb könne jedoch weiter aufrecht erhalten werden - mit viel Kreativität, beispielsweise mit Doppelbelegungen von Hallen oder der Anmietung weiterer Sportstätten, erzählt Naumann. "Es geht ja darum, dass die Kinder ein Angebot bekommen, damit sie sich bewegen."
Der Bedarf an Turnhallen ist nur gerade so gedeckt
Auch auf die Bedarfserhebung für Hallen im Sommer und Winter verweist der TuS-Vorsitzende. Der Bedarf sei, insbesondere im Winter, auch mit der neuen Dreifachhalle nur gerade so eben gedeckt. "Das heißt auch, dass jegliche Sportentwicklung ausgebremst ist und auf der Stelle steht", kritisiert er. Den Einbruch der Mitgliederzahlen aus der Corona-Zeit habe der Verein inzwischen trotzdem wieder ausgleichen können - obwohl auch sie, beispielweise in der Abteilung Basketball, Interessenten hätten abweisen müssen.
Landrat Niedermaier verweist darauf, dass es derzeit keine Unterbringungsalternativen gebe. Im Moment befinden sich rund 3000 Flüchtlinge im Landkreis, von denen gut 2500 nicht in Hallen untergebracht seien. Vereinzelt werde wieder etwas frei, aber nicht in den erforderlichen Mengen, sagt Niedermaier. Denn aktuell bekomme der Landkreis monatlich etwa 100 neue Flüchtlinge zugewiesen. "Wenn ich mir die gesamtpolitische Lage anschaue, werden wir weiterhin von steigenden Flüchtlingszahlen ausgehen müssen, und dann wird die Situation sich noch massiv verschärfen", sagt Niedermaier.
Die Forderung der Vereine, Flächen für neue Unterkünfte zu suchen, um die Hallen freizugeben, werde bereits umgesetzt. "Das machen wir ja, aber da brauche ich die Grundstücke dazu", so Niedermaier. In Bad Tölz könne, wenn alles gutgehe, nach vier Monaten Vorbereitungszeit eine neue Unterkunft auf der Flinthöhe mit 126 Unterbringungsmöglichkeiten Anfang Juli in Betrieb gehen. "Das hilft mir genau einen Monat." Bis Jahresende bräuchte man also noch zehn Anlagen wie die in Tölz - die alle eine Umsetzungszeit von etwa einem halben Jahr haben -, um die neuen Flüchtlinge aufzunehmen und zusätzlich die Turnhallen frei zu bekommen.
Die Unterbringung der Geflüchteten ist nur der erste, kleine Schritt
Finanziell werde man beim Bau von Unterkünften vom Freistaat gut unterstützt, sagt der Landrat. "Aber das hilft ja auch nichts, wenn ich kein Grundstück habe, auf dem ich dann bauen kann." Er nehme die Gemeinden des Landkreises in die Pflicht, Grundstücke vorzuschlagen. Die Rückmeldung auf die Abfragen sei bisher aber überwiegend "spärlich" gewesen. Allerdings gebe es einige vorgeschlagene Grundstücke, die jetzt diskutiert würden. Niedermaier betont auch, dass die Unterbringung nur der erste, kleine Schritt sei. "Der nächste Schritt sind dann Integrationsplätze, Kindergartenplätze, Beschulungen - und da haben die Gemeinden natürlich einen Riesenhorror, das stemmen die nicht so locker", so der Landrat.
Die Kritik an der Kommunikation mit den Vereinen weist der Landrat zurück: "Wir haben keine Zeit und keine Ressourcen, irgendwie zu diskutieren." Das Ziel sei, die menschliche Tragödie, die Leute nicht unterbringen zu können, abzuwenden. Die Vereine würden die Situation kennen. Gleichwohl wolle man die Hallen bis Ende 2023 frei kriegen, daran habe sich nichts geändert. "Ob es erreichbar ist, weiß ich nicht", so Niedermaier. Er kann auch eine Verschlimmerung der Situation nicht ausschließen: "Wenn das so weitergeht, werden weitere Hallen belegt werden."