Der erste Punkt wurde schon gesetzt, bevor es überhaupt losging. Wie lässt sich das Gesundheitssystem entlasten? Wie kann der Umstieg auf erneuerbare Energien gelingen? Welche Investitionen braucht es für ein lebenswertes Bayern? Über diese Fragen haben am Dienstag die Kandidaten für den bayerischen Landtag im Wolfratshauser Erinnerungsort Badehaus diskutiert. Eingeladen waren alle im Land- und Bundestag vertretenen Parteien, bis auf die AfD. Der Vorsitzende des DGB-Kreisverbandes Raimund Novak betonte, dass nur "demokratische" Gruppierungen erwünscht seien. "Bei solch einer Veranstaltung haben Faschisten nichts zu suchen."
Knapp zwei Stunden ging es um die Gesundheits- und Energieversorgung sowie faire Löhne. Fragen stellte den sechs Politikern nicht nur die Moderatorin Veronika Ahn-Tauchnitz, sondern auch das Publikum erhielt die Gelegenheit, bei den Kandidaten nachzuhaken. Am Ende reichte die Zeit zwar nicht, um alle Themen anzusprechen, die den Politikern am Herzen liegen. Es spricht aber für die Debatte, wenn es so kommt.
Susanne Arndt (CSU) ist die einzige Frau in der Runde
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) holte Sebastian Englich von der Linken, Benedikt Hoechner von der SPD, Jakob Koch von den Grünen, Tim Sachs von der FDP und Konrad Specker von den Freien Wählern auf die Bühne. Manuel Tessun von der ÖDP war nicht dabei, auch der aussichtsreichste Stimmkreiskandidat für den Landtag war verhindert: CSU-Politiker Thomas Holz, Bürgermeister von Kochel am See, wurde von Listenkandidatin Susanne Arndt vertreten. Sie rettete das Podium davor, zu einer reinen Männerrunde zu werden.
Die Podiumsdiskussion sollte bei den Wählern auf großes Interesse stoßen. Der Erinnerungsort Badehaus, in dem die Veranstaltung stattfand, war bis auf wenige Plätze gefüllt. Das Publikum erlebte eine ruhige Debatte, bei der sich die Kandidaten in vielen Punkten einig waren. Nur vereinzelt gerieten sie aneinander - und dann vor allem die Jungen in der Runde, der Grüne Jakob Koch und der Liberale Tim Sachs.
Das Gesundheitssystem brauche weniger Bürokratie und mehr Personal
Dass es mit der Gesundheitsversorgung nicht weitergehen kann wie bisher, stellte keiner infrage. Die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) sei eine gute Sache, erklärte Sachs, ändere aber nichts an den Mitteln, die am Ende verteilt werden. Das Problem sei nicht das Gehalt, sondern die hohe Belastung: "Die Leute gehen, weil sie nicht die Zeit haben, um gute Pflege zu leisten." Die Kandidaten aller Parteien betonten: Das Gesundheitssystem brauche weniger Bürokratie und mehr Personal, damit sich Pflegekräfte auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können. Das sei mit dem bisherigen System der Fallpauschalen nicht gelungen, sagte Koch: "Wir müssen den Druck rausnehmen, damit das Gesundheitswesen wieder menschlich wird."
Sebastian Englich machte mit Blick auf den Fachkräftemangel darauf aufmerksam, dass es zum Beispiel unter den Asylbewerbern viele Leute gebe, die gerne arbeiten würden, aber es nicht dürften. "Denen müssen wir auch erlauben, dass sie hier arbeiten können." Susanne Arndt äußerte die Sorge, dass Kliniken auf dem Land durch die Reform um ihre Existenz bangen müssten: "Wir müssen unsere kleinen Krankenhäuser behalten, um die Versorgung vor Ort zu gewährleisten." Dafür erntete Arndt von den anderen Kandidaten viel Zustimmung. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte solche Befürchtungen im Juli allerdings zurückgewiesen.
Beim Thema Energieversorgung waren die Unterschiede schon größer. Es sei nicht gelungen, eine Infrastruktur aufzubauen, um eigenen Strom zu erzeugen. Uneinigkeit herrschte jedoch darüber, wie es in Zukunft besser werden kann: Grüne und SPD wollen zukünftig auf Solarenergie, Wind- und Wasserkraft setzen. Benedikt Hoechner möchte sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass auch an Balkonen Solarpanels hängen dürfen. Damit schaffe man einen zukunftsfähigen Mix, bei dem die Preise nicht durch die Decke gingen. Sachs entgegnete, dass man sich alle Optionen - auch den Ausbau von Kernkraftwerken - offenhalten müsse. "Wir sind zu schnell in der Art, wie wir aus der Atom- und Kohleenergie herauskommen wollen."
Die Energieversorgung zu verstaatlichen, hielten die Kandidaten von der Linken, der SPD und den Grünen für eine gute Idee. "Es würde uns gut tun, Energie mit allen für alle zu erzeugen", erklärte Koch - und erntete dafür Applaus aus dem Publikum. Konrad Specker erwiderte, dass der Staat nicht immer der beste Betreiber sei, und die Leitplanken so gesetzt werden müssten, dass die Wertschöpfung in der Region bleibe. "Wichtig ist, dass der Rahmen stimmt, damit der Bürger vor Ort wieder profitiert." Ein Mann aus dem Publikum sagte, dass es den Bürgern beim Thema Energieversorgung vor allem darum gehe, was es sie am Ende kostet und ob sie es sich leisten können.
Ein Gesetz für faire Löhne sei in Bayern längst überfällig
Die meisten Diskussionen gab es bei fairen Löhnen. Der DGB engagiert sich dafür, dass öffentliche Aufträge und staatliche Wirtschaftsförderung nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigen nach Tarif bezahlen. Ein solches Gesetz ist in 14 Bundesländern schon Standard, nur in Sachsen und in Bayern noch nicht. Hoechner erklärte, dass diese Regelung im Freistaat längst überfällig sei, "aber wir müssen sie insofern besser machen, als dass es keine Schlupflöcher gibt".
Widerspruch gab es von der CSU, der FDP und den Freien Wählern: Arndt befürchtete, dass die Regelung durch Subunternehmer ausgehebelt werde, die nicht an die Tarife gebunden seien. Stattdessen warb sie dafür, dass Überstunden nicht mehr besteuert, sondern netto ausgezahlt werden. Specker betonte die Notwendigkeit, die Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge zu reformieren. Die Ausschüsse seien verpflichtet, diese an das wirtschaftlichste, also das günstigste Unternehmen zu vergeben.
Damit es sich in Bayern gut leben lässt, möchte Hoechner die Löhne deutlich anheben, vor allem in den unteren Bereichen. Specker entgegnete, dass das Problem damit nicht gelöst sei und das Leben nur noch teurer werde.
Einigen konnten sich die Kandidaten hingegen darauf, dass bezahlbarer Wohnraum stärker gefördert werden muss. "Wir müssen vor Ort dafür sorgen, dass wir mehr Wohnflächen ausweisen", betonte Sachs, "und das auch zu günstigeren Preisen." Das gehe aber nur, indem man auch den Flächenverbrauch anpasst - und sich von Reihenhäusern mit Garten verabschiedet. Um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, müsse man anfangen, höher zu bauen, erklärte Englich, zudem müsse sichergestellt werden, dass Genossenschaftswohnungen ihren Status behalten. Arndt möchte Einheimischenmodelle stärken, auch wenn sich diese von Jahr zu Jahr schwieriger gestalteten.
Am Ende des Abends verließen die meisten Gäste den Saal zufrieden. Sie hatten die Diskussion vor allem dafür genutzt, ihren Eindruck von den Kandidaten zu unterstreichen. Eine kurze Umfrage im Publikum sollte ergeben: Die große Mehrheit weiß schon, wen sie am 8. Oktober wählen möchte.