Kritik an zentralen Großunterkünften:Ehrenamt hat Grenzen

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"Wir sind keine Therapeuten", sagt Rita Knollmann, Leiterin des BRK-Mehrgenerationenhauses im Franziskuszentrum. Rechts: Inge Mair vom Asylhelferkreis. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Tölzer Asylhelferkreis zieht Zwischenbilanz: Das bürgerschaftliche Engagement ist ungebrochen groß, mit der politischen Rahmensetzung hingegen sind die Helfer nicht zufrieden

Von Katharina Schmid, Bad Tölz

In diesem Jahr haben sich in Bad Tölz 160 Bürger für Asylbewerber engagiert. "Genug Wertschätzung für das, was da geleistet wird, kann man den Helfern gar nicht entgegenbringen", sagt Rita Knollmann, Fachbereichsleiterin am BRK-Mehrgenerationenhaus, bei der die Fäden aus dem Helferkreis zusammenlaufen. Den ehrenamtlichen Helfern gegenüber stehen etwa 660 Flüchtlinge, die anerkannt, abgelehnt oder noch im Asylverfahren sind. Sie leben verteilt auf zwei Gemeinschaftsunterkünfte (GU) und private Wohnungen in der Stadt. Als der Helferkreis 2012 mit seiner Arbeit begann, engagierten sich 20 Ehrenamtliche, 2015 erlebte der Kreis mit 100 neuen Mitgliedern den größten Zuwachs. Über die Jahre sind daraus noch mehr engagierte Bürger geworden. Am Freitag zogen Vertreter des Helferkreises eine Zwischenbilanz, auch um auf die Grenzen des Ehrenamts und die aus ihrer Sicht unbefriedigende politische Rahmensetzung zu blicken.

Anlass für die Asylhelferinnen und -helfer um Knollmann, zum Pressegespräch zu laden, waren auch die Ereignisse in der GU in der Peter-Freisl-Straße. Knapp 90 Geflüchtete sind dort untergebracht, 80 Prozent davon junge Männer mit geringer Bleibeperspektive. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit haben dort in den vergangenen Wochen überhand genommen, es gab mindestens einen Suizidversuch. Die Ehrenamtlichen beobachten die Situation mit Sorge, gelangen hier jedoch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. In GUs, in denen viele teilweise schwer traumatisierte Menschen lebten, brauche es "Profis", fordert Knollmann: hauptamtliche Therapeuten und Sozialarbeiter. "Das ist für uns nicht zu leisten", sagt sie, "da sind die Grenzen des Ehrenamts erreicht." Ehrenamtliche könnten den Asylbewerbern helfen, in ihr Leben in Deutschland hineinzufinden, nicht jedoch grundsätzliche psychische und seelische Probleme lösen. "Schon gar nicht bei Menschen ohne Bleibeperspektive", ergänzt Andrea Grundhuber, Integrationsbeauftragte und Stadträtin (Grüne) in Bad Tölz.

Die Unterbringung der Asylsuchenden in Großunterkünften trägt in den Augen der Helfer nicht zu einer gelingenden Integration bei. Als die Stadt Flüchtlinge noch dezentral untergebracht habe, "war alles gut", erinnert sich Knollmann. Seit die Asylbewerber jedoch auf Geheiß der Regierung in Großunterkünften leben müssen, habe sich ihre Lebenssituation verschlechtert. Die Zusammenstellung der Bewohner sei "nicht besonders glücklich", findet Knollmann. Familien beschwerten sich oftmals über die Lautstärke der jungen Männer, berichten die Asylhelfer. Inge Mair, die ehrenamtlich Deutsch unterrichtet, spricht von "Gettobildung" und davon, dass dezentral untergebrachte Menschen zufriedener seien, viel öfter gezwungen seien, "rauszugehen" und Kontakte mit Deutschen zu knüpfen. In Sammelunterkünften hätten sie dagegen "wenig Anschlussmöglichkeiten".

Ganz grundsätzlich beklagen die Vertreter des Helferkreises die Linien der aktuellen Asylpolitik. "Das Konstrukt an sich ist verkehrt", sagt Knollmann. Ginge es nach den Tölzer Helferinnen und Helfern an der Basis, sollten die Geflüchteten dezentral untergebracht, die Asylverfahren "schneller und genauer" sein und die Menschen von Anfang an in einen Alltag eingebunden werden. "Und der darf dann auch kosten", sagt Knollmann. Denn missglückte Integration koste hinterher noch mehr.

Insgesamt zog der Helferkreis jedoch eine positive Bilanz. Anders als in anderen Kommunen sei die Zahl der ehrenamtlich Engagierten in Bad Tölz seit 2015 nicht zurückgegangen. Die Zusammenarbeit mit Stadtverwaltung, Vereinen und Schulen funktioniere hervorragend. "Wir hatten eine tollen Start", blickte Grundhuber zurück, "haben alle an einem Strang gezogen, und über die Jahre ist ein tolles Team gewachsen."

Den Erfolg ihrer Arbeit erklären sich die Helfer aus ihrer grundlegenden Herangehensweise, ein Miteinander von Geflüchteten und der Bevölkerung vor Ort anzustreben. Gesonderte Angebote für Asylbewerber seien in Tölz nie gewollt gewesen, es habe keine eigene Kleiderkammer oder Tafel gegeben, vielmehr sei darauf geachtet worden, dass die Geflüchteten möglichst mit der Bevölkerung verwachsen. Deshalb richtet sich die Hausaufgabenbetreuung der Helfer genauso an Kinder aus Flüchtlingsfamilien wie an hier geborene Kinder. Auch bei den Deutsch- und Mathekursen gilt dieser Grundsatz.

Wer sich ehrenamtlich im Tölzer Helferkreis engagieren möchte, wendet sich an Rita Knollmann, Telefon 08041/793 35 88 oder Email mgh@kvtoel.brk.de. Helfer für Deutschkurse, die Hausaufgabenbetreuung und Familienbegleiter sind aktuell gesucht.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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