Kraniche:Die Glücksvögel kehren nach Bayern zurück

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Wer nach den Kranichen Ausschau halten möchte, sollte zwischen dem 20. Oktober und dem 20. November besonders aufmerksam sein. (Foto: Martina Schulz)

Hunderte Kraniche werden schon bald über das Voralpenland hinwegziehen. Sie gelten als Wächter und Symbole der ewigen Treue.

Von Martina Schulz, Königsdorf

Der Kranich ist zurück in Südbayern. Seit einigen Jahren überquert er das Alpenvorland auf dem Zug in die Winterquartiere in Südfrankreich und Spanien. Sogar ein Jungvogel wurde schon gesichtet - für die Wissenschaftler eine Sensation, denn die letzte bekannte Brut erfolgte 1890 im Murnauer Moos. Wo genau der Jungvogel gesehen wurde, gibt Miriam Hansbauer nicht preis, um die Vögel zu schützen. Die Biologin ist, wie sie selbst sagt, seit 2006 "kranichinfiziert" und engagiert sich ehrenamtlich für den Schutz der beeindruckenden Vögel. Beim Landesbund für Vogelschutz in Königsdorf referierte sie über den Zug der Kraniche und die Veränderung der Flugrouten.

Wer nach Kranichen Ausschau halten möchte, sollte zwischen dem 20. Oktober und dem 20. November besonders aufmerksam sein. Dann ziehen womöglich Hunderte der Vögel über das Voralpenland hinweg. 2015 könnten Hansbauer zufolge insgesamt 30 000 Kraniche Südbayern überflogen haben.

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"In allen Erdteilen hat der Kranich den Menschen fasziniert. Seine mystischen Rufe bewegen die Menschen", erklärt die Biologin. Die Luftröhre von Kranichen wird bis zu 1,30 Meter lang und windet sich ähnlich wie bei einer Posaune. Sie ermöglicht das typische laute Trompeten der Vögel. Kraniche gelten in vielen Kulturen als Wächter, Glücksbringer und Symbole der ewigen Treue. Für die Griechen waren sie auch Schutzvögel der Wanderer - kein Wunder, legen sie doch selbst große Strecken zurück - bis zu 5800 Kilometer von Estland in den Süden Äthiopiens.

Dabei können Kraniche mehr als 760 Kilometer an einem Stück zurücklegen und 50 Kilometer pro Stunde schnell werden. Ein Kranich, der mit einem Sender ausgestattet war, habe diese Geschwindigkeit an die 300 Kilometer weit aufrecht erhalten, berichtet Hansbauer. Auch wenn es für die Jungvögel Stress bedeutet: Ohne sie zu beringen und mit Radiotelemetrie- oder GPS-Sendern zu versehen, wäre eine wissenschaftliche Beobachtung nicht möglich.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es drei Zugrouten gibt. Die erste führt von Skandinavien über Nord- und Mitteldeutschland bis nach Südfrankreich und Nordafrika. Eine zweite verläuft von den baltischen Staaten über Polen und die Slowakei nach Ungarn, dann nach Nordafrika. Eine dritte Zugroute führt von Westrussland in die Ukraine und von dort in die Türkei und nach Israel.

Die zweite Zugroute scheint für das veränderte Flugverhalten wichtig zu sein, denn aus diesem Zug stammen wohl die Vögel, die den Süden Bayerns und das Alpenvorland überfliegen. "Kraniche sind da wie Menschen. Einige sind konservativer und verlassen die gewohnten Routen kaum. Andere sind offener und abenteuerlustiger", sagt Hansbauer. In Hortobágy in Ungarn versammeln sich im September bis zu 130 000 Kraniche. Es wäre denkbar, dass einige dieser Vögel 2011 und 2012 von Ostwinden verdriftet wurden, so dass sie, statt weiter nach Süden fliegen zu können, auf die Alpen stießen. Um die Berge nicht überqueren zu müssen, flog ein Teil der Vögel nördlich des Alpenkamms weiter, vermuten die Forscher. Einen anderen Teil verschlug es nach Norditalien - auch dort wurden plötzlich Kraniche gesichtet. In der Camargue seien die Gruppen wieder aufeinander getroffen.

Konkrete Daten dazu gebe es noch nicht - keiner dieser Vögel trug einen Sender. Die Sichtungen von Kranichen haben aber zugenommen. 2013 wurden 1000 Kraniche in einer einzelnen Gruppe gezählt, 2015 waren es 2100 auf einmal. Die wirklichen Gründe für eine Zunahme der Anzahl auf der neuen Flugroute seien im Moment noch spekulativ. Mit großer Wahrscheinlichkeit suchten aber einige Tiere neue Brutgebiete. Denn die Kranichpopulation wächst. Andererseits seien Kraniche sehr kommunikative Vögel, die durchaus in der Lage seien, Informationen weiterzugeben, sagt Hansbauer.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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