Literatur:"Es war kein Vorsatz"

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Ludwig Steinherr verbringt jedes Jahr ein paar Wochen am Kochelsee. Dort ist ihm spontan sein erster Krimi eingefallen. Das Bild zeigt ihn im Englischen Garten. (Foto: Rafaela Steinherr/oh)

Der Münchner Autor Ludwig Steinherr hat mit "Der Sturm erwartet dich" einen Kochelsee-Krimi geschrieben - ungeplant, im Sommerurlaub. Jetzt hat er Blut geleckt.

Interview Von Stephanie Schwaderer, Kochel am See/München

Ludwig Steinherr ist ein produktiver Autor. Der 61-jährige Münchner, Doktor der Philosophie, hat mehr als 20 Gedichtbände veröffentlicht. Seit Kurzem schreibt er auch Theaterstücke und Prosa. Sein erster Krimi heißt "Der Sturm erwartet dich" und spielt am Kochelsee.

SZ: Herr Steinherr, wie viele italienische Vorspeisenteller hat die Recherche in Kochel Sie gekostet?

Ludwig Steinherr: Schon einige! Ich habe nicht mitgezählt, aber wir waren häufig im La Pineta essen.

Eben dort beginnt auch Ihr Krimi. Sie nennen Lokal und Wirt beim Namen und porträtieren den Ort fast schon journalistisch. Warum?

Ich finde das ganz schön, weil es einen gewissen Realismus ergibt. Auch in meinen Novellen beschreibe ich bisweilen Orte und Lokalitäten exakt, sofern keine persönlichkeitsrechtlichen Gründe dagegen sprechen und ich davon ausgehen kann, dass die Menschen nichts dagegen haben.

Die Leute im Pineta hatten wohl nichts dagegen.

Nein, die haben sich gefreut.

Wann hatten Sie den Gedanken, dass Kochel einen Krimi vertragen könnte?

In dieser Weise hatte ich den Gedanken gar nicht. Bis dato hatte ich ja nur Lyrik geschrieben. Der Krimi ist mir einfach eingefallen. Das war in den Sommerferien 2021. Ich war mit meiner Familie in Kochel, wo wir jedes Jahr ein paar Wochen Urlaub machen, und ich hatte meine Lektüre vergessen. Dann fiel mir der Plot ein. Auf einen Schlag!

Andere Leute wären wohl einfach in die nächste Buchhandlung gegangen. Ihnen ist auf einen Schlag ein Krimi eingefallen?

Ja, das war ohne jede Vorüberlegung. Und ich hab das dann auch in einem Zug geschrieben.

Im Urlaub in Kochel?

Genau. Dabei hatte ich weder geplant, einen Krimi zu schreiben, noch ein Buch über Kochel. Der Witz ist: Dieser Krimi war für mich die Initialzündung, überhaupt Prosa zu schreiben. Zuvor hatte ich nie das Bedürfnis danach. Mittlerweile habe ich unter anderem sieben Novellen geschrieben. Der Krimi hat in mir eine Tür geöffnet.

Sie schreiben schnell?

Ja, rauschhaft. Auch als Lyriker füge ich meine Texte nicht additiv zusammen. Stattdessen bereite ich mich innerlich darauf vor, ein Gedicht zu schreiben. Nach einer Art Meditationsphase entsteht dann ein Text aus einem Guss. So war das auch bei dem Krimi.

Die aufregendste Entdeckung, die Ihr Protagonist Benedikt in Kochel macht, ist die Jocher Birg, ein uraltes Siedlungsgebiet, von dem im realen Leben nur wenige Leute wissen. Wie haben Sie die Birg entdeckt?

Durch Zufall. Unser Sohn hat sich sehr für das Keltentum interessiert, als er noch kleiner war. In den Ferien bin ich öfter mit ihm auf die beiden Hügel geklettert. Für mich war das damals auch eine Entdeckung.

Auf einem bewaldeten Felsen am Fuß des Kesselbergs finden sich die Reste einer keltischen Siedlung. Steinherr hat die Jocher Birg mit seinem Sohn erkundet. (Foto: Manfred Neubauer)

Teilen Sie mit Ihrem Protagonisten eine Schwäche für Archäologie?

Nicht unbedingt. Ich finde Archäologie interessant, bin aber nicht darauf spezialisiert.

Benedikt ist ein junger Mann aus München, der in Kochel zu Besuch ist. In den Worten seiner Mutter ist er "ein Genie, das zu absolut gar nichts nützlich" ist. Er ist blitzgescheit, hat aber keine Idee, was er mit seinem Leben machen soll, und zudem eine ausgeprägte Orientierungsschwäche, weshalb er immer wie in Trance durch Kochel läuft. Haben Sie sich das einfallen lassen, weil man in Kochel wirklich kaum spazieren gehen kann, ohne immer wieder auf die B11 zu stoßen?

Das ist auf der einen Seite tatsächlich so. Auf der anderen spielt die Orientierungsschwäche aber auch für den Plot eine Rolle.

Sie lassen sich viel Zeit mit dem Mord. Erst auf Seite 62 taucht die Leiche auf. Hatten Sie ein bisschen Angst vor ihr?

Mir war vor allem die Psychologie wichtig. Ich wollte nicht mit einer anonymen Leiche starten. Stattdessen sollte man einen Menschen erleben, der dann fehlt. Es braucht einen gewissen Raum, das aufzubauen.

Mit der Leiche beginnen die Verdächtigungen, und als Leserin verdächtigt man natürlich fleißig mit. Wussten Sie wirklich von Anfang an, wer es getan hat?

Natürlich, das wusste ich ganz genau. Den Schluss habe ich als Allererstes geschrieben.

"Der Sturm erwartet dich. Ein Kochelsee-Krimi" ist 2023 bei Allitera erschienen. (Foto: Allitera/oh)

Hätten Sie Lust, einen zweiten Krimi zu schreiben?

Ganz offen gesagt: Das ist schon passiert. Es war kein Vorsatz, es hat sich wieder von selbst ergeben. Bei einem Spaziergang am Morgen. Aber es wird noch etwas dauern, bis er gedruckt ist.

Wo wird er spielen?

Hauptsächlich in München, aber es gibt auch eine Verbindung nach Verona - und eine nach Kochel.

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