Messungen bei Mooseurach:Klimaforschung im Moor

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Aus zwei Masten besteht die Mess-Station, die Wissenschaftler von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Mooseuracher Moor errichtet haben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Eine deutschlandweit einzige Station misst bei Königsdorf den Gasaustausch zwischen der Biosphäre und Atmosphäre an einem Waldstandort. Das Projekt findet im Rahmen des Icos-Netzwerks statt, das Treibhausgase in ganz Europa ermittelt.

Von Arnold Zimprich, Königsdorf

Es ist eine in Deutschland einzigartige Mess-Serie, die Ökologin Janina Klatt von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mit ihren Kolleginnen und Kollegen derzeit im Moor bei Mooseurach vornimmt. Sie ermitteln dort den Gasaustausch zwischen Biosphäre - in diesem Fall dem Hochmoor - und Atmosphäre an einem Waldstandort. Dafür haben die Forscher die bundesweit einzige Mess-Station aufgebaut: zwei mit Geräten bestückte Masten, der eine 30 Meter, der andere rund zehn Meter hoch. Am höheren Mast wird bereits seit 2010 gemessen. "Ich erinnere mich noch, als ich mit empfindlichen Messgeräten im Rucksack nach oben geklettert bin", berichtet Klatt. "Damals standen hier gut 20 Meter hohe Fichten."

Kernaufgabe der Wissenschaftler vom Institut für Ökologie und Landschaft war von Beginn an die Messung des Treibhausgas-Austauschs. Dabei half ihnen Sturm Niklas, der 2015 auch im Voralpenland wütete. "302 Festmeter Holz wurden hier rausgeholt", sagt Klatt, am Ende habe der Sturm aber wenigstens einen guten Aspekt gehabt: Die Messungen können nun in einem störungsfreieren Umfeld stattfinden.

Das Moor bei Königsdorf nimmt mehr CO₂ auf, als es abgibt

"Über Wirbel, auf Englisch Eddies, werden Treibhausgase, Wärme und Energie zwischen Biosphäre und Atmosphäre transportiert", erklärt Klatt. Diese Wirbel könnten einen Durchmesser von wenigen Zentimetern bis zu zwei Kilometern haben. Um festzustellen, ob das Ökosystem Kohlendioxid aufnimmt oder abgibt, wird die CO₂-Konzentration in diesen Wirbeln gemessen. "Man sieht hier eine CO₂-Senke", erläutert die Wissenschaftlerin: Das Moor bei Mooseurach nimmt also mehr CO₂ auf, als es abgibt.

Immer wieder zieht die Ökologin den Vergleich zur Mess-Station im benachbarten Schechenfilz südlich von Seeshaupt, die Icos-zertifiziert ist (Integrated Carbon Observation System). Seit 2022 gilt dies auch für Mooseurach. "Icos sieht vor, ein Netzwerk von kontinuierlichen, qualitativ hochwertigen und standardisierten Treibhausgasmessungen über Europa zu errichten und ein europäisches Gesamtbild zu erstellen", schreibt der deutsche Icos-Ableger auf seiner Website, denn "Treibhausgase kennen keine Ländergrenzen". Icos begann mit dem Aufbau seines Netzwerks im Jahr 2015. Es besteht aus einem Atmosphären-, Ökosystem- und Ozean-Programm.

"Es ist noch nicht klar, was hier passieren wird": Ökologin Janina Klatt befürchtet allerdings nicht, dass das Moor bei Mooseurach austrocknen wird. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Schechenfilz ist die Mess-Station nur von niedrigen Spirken umgeben, also langsam wachsenden Moorkiefern, die maximal zwei Meter hoch werden. Daher zählt Schechen nicht als Waldstandort. Zwar funktionierten die alten Drainageanlagen in Mooseurach noch, erzählt Klatt. Unternehmer und Naturliebhaber Robert Bosch, der 1912 das Gut Mooseurach erwarb, hatte sie einstmals zu Kultivierungszwecken anlegen lassen. Trotzdem sei der Untergrund hier nasser als in Schechen, die Wiedervernässung zeige Wirkung, so die Ökologien. Der Moorkörper im Schechenfilz ist mit rund fünf Metern mächtiger als der in Königsdorf, wo er etwa dreieinhalb bis vier Meter misst. Die Folge: Das naturnahe Schechener Moor kann mehr Kohlendioxid aufnehmen.

Mess-Stationen von Icos auf der Zugspitze und im Nordatlantik

Die Messstation in Mooseurach befindet sich bei Icos in prominenter Gesellschaft, denn dazu gehören auch die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze, wo Atmosphärenmessungen vorgenommen werden, und der sogenannte Hausgarten, eine kreuzförmig angeordnete Gruppe von Meeres-Messstationen in 250 bis 5500 Metern Wassertiefe im Nordatlantik. Gäbe es Icos nicht, würden die Klimaeffekte nicht länderübergreifend gemessen, erklärt Klatt. Und gäbe es Christof Bosch nicht, den Mooseuracher Gutshof- und Waldbesitzer und Enkel von Robert Bosch, könnten die Messungen dort nicht stattfinden - ihm ist Klatt besonders dankbar.

Die enorme Bedeutung der Moore als Kohlenstoffspeicher ist unumstritten; dass Moore aus unterschiedlichen Gründen gefährdet sind, ebenfalls. Auf die Frage, welches Fazit sie aus ihren Forschungen zieht, reagiert Janina Klatt indes ausweichend: "Es ist noch nicht klar, was hier passieren wird." Dass das Mooseuracher Moor austrocknet, stehe nicht zu befürchten, Südbayern habe vergleichsweise viele Niederschläge, erst recht im Alpenvorland.

Der Schutz der Moor gehe zu langsam voran, sagt die Ökologin

Was den Schutz der Moore angeht, könnte allerdings noch mehr passieren. "Es geht zu langsam", sagt Klatt. Zu viele Interessenverbände seien am Werk. Schwarzmalen möchte die Wissenschaftlerin nicht, jedoch sei der Prozentsatz der schützenswerten, naturnahen Moore ohnehin nicht sehr hoch. "Das Bewusstsein zum Schutz der Moore ist da, die verschiedenen Zahnräder aus Politik und Umweltschutz greifen jedoch zu wenig ineinander."

Es ist der Biodiversitätsschutz, um den es Klatt geht. Und die 39-Jährige möchte wissenschaftlichen Nachwuchs für die Mitarbeit an solch spannenden Projekten wie Icos begeistern.

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