Bad Tölz setzt wichtige Projekte aufs Gleis:Das große Weichen-Stellen

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Für den Erweiterungsbau am Tölzer Kurhaus sind im städtischen Haushalt bis 2026 rund 3,3 Millionen Euro eingepreist. (Foto: Büro Beer, Bembe, Dellinger/oh)

Die Kurhaus-Erweiterung, das Moralt-Gelände oder das Nahwärmenetz sind auf den Weg gebracht. Und auf der Wackersberger Höhe wurde das Naturhotel "Bergeblick" eröffnet.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Mit den Ereignissen und Vorhaben ging es 2023 in Bad Tölz beinahe so zu, als wäre die Stadt ein großer Bahnhof: Züge werden aufs Gleis gesetzt, andere fahren los, manche befinden sich auf halber Strecke, verlieren an Tempo und zuckeln weiter, wieder andere gelangen ans Ziel - und mitunter gibt es auch welche, die schon unterwegs schienen und plötzlich angehalten werden. Als das Jahr noch keine zwei Wochen alt war, setzte das Staatliche Bauamt Weilheim das Stoppsignal für den Bau der seit gut drei Jahrzehnten lange geplanten Nordspange. Der Baugrund für die Umgehungsstraße sei anspruchsvoller, "als aus den bisherigen Untersuchungen aus dem Vorentwurf erkennbar war", hieß es. Eine Überraschung. Und alles andere als ein guter Start in das nun zu Ende gehende Jahr.

Mit der Schlussfeier an der Isarpromenade gingen die "Special Olympics Winterspiele" in Bad Tölz zu Ende. (Foto: Manfred Neubauer)

Aber es wurde besser, was Starts angeht. Viel besser. Bad Tölz durfte, zusammen mit Lenggries und Schaftlach, im Januar vier Tage lang Gastgeber der Special Olympics Winterspiele (SOBY) sein. Die Sportlerinnen und Sportlern mit geistiger Behinderung aus mehreren Ländern begeisterten Tausende Zuschauer. Von Tölz wiederum war Erwin Horak angetan. Man sei hier "aufgenommen worden wie selten zuvor", sagte der SOBY-Präsident bei der Schlussfeier.

Den Maxlweiher mitsamt den angrenzenden Wäldchen und der Wiese ersteigerte die Stadt Bad Tölz kurz vor Ostern am Amtsgericht Wolfratshausen. (Foto: Manfred Neubauer)

Ein Coup gelang der Stadt zwei Wochen vor Ostern: Sie ersteigerte vor dem Amtsgericht Wolfratshausen für knapp neun Millionen Euro die großen Grundflächen am Maxlweiher zwischen der Sachsenkamer Straße und der Bundesstraße 472. Das gut sieben Hektar große Areal besteht aus Weiher, Wäldchen und Wiese. Was die Kommune damit anfangen will? Vorerst gar nichts. Warum also der Erwerb? Als einen der Gründe nannte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) die neue Situation auf der Flinthöhe, wenn die Nordumfahrung gebaut ist. Dann wird das gesamte Quartier rund ums Lettenholz umgestaltet.

Lettenholz-Bewohner erwarten Mitspracherecht

Ein Großprojekt, für das die erste Weiche schon gestellt ist: Das Pflegeheim Josefistift soll dort nahe der Bundesstraße 13 auf dem Grundstück neu gebaut werden, auf dem sich bislang der Kinderspielplatz befindet. Der wiederum soll auf dem Gelände entlang der B472 verlegt werden. Nicht alle Lettenholz-Bewohner sind von diesen Plänen aus dem Stellwerk Rathaus sonderlich angetan. Sie forderten ein Mitspracherecht bei der Entwicklung ihres Stadtviertels - und sollen es auch bekommen. Der Tölzer Stadtrat stimmte im Juni einem Bürgerbeteiligungsprozess zu. Geplanter Start: Frühjahr 2024.

Im Stadtzentrum wiederum lief heuer nicht alles nach Wunsch. Die Postbank und die Deutsche Post schoben die Hauptpost an der Hindenburgstraße endgültig aufs Abstellgleis, daran änderte auch eine Petition der Tölzer Bevölkerung nichts mehr. Und Edeka rangiert die kleine Filiale in der Marktstraße nach dem Jahreswechsel aus.

Für das brach liegende Moraltgelände wurde im Sommer eine Machbarkeitsstudie vorgestellt. Sie sieht ein Mini-Stadtviertel mit Kultur, Gewerbe, Wohnen und Gastronomie vor. (Foto: Manfred Neubauer)

Mit der künftigen Gestaltung des Moralt-Geländes an der Lenggrieser Straße hat Bad Tölz den Bahnhof schon verlassen, allerdings dürfte die Reise noch Jahre dauern. Was am Ende der Strecke auf dem 64 000 Quadratmeter großen Gelände der Industriebrache zu sehen sein könnte, skizzierten die Stadtplaner vom Münchner Büro Dragomir in der Machbarkeitsstudie, die sie im Juli dem Stadtrat präsentierten: Kultur, Gewerbe, Wohnen, Gastronomie.

Demnach könnte eine multifunktionale Halle in der alten Schlosserei entstehen, ein urbaner Platz am alten Zentralbau mit Gastronomie, immer wieder Stadtbalkone zur Isar hin, kleine Plätze, viel Grün, dazu Einzelhandel, Büros und kleinteiliges Gewerbe entlang des Linsensägbachs, Gewerbebetriebe nahe der Bundesstraße 13, vorzugsweise Wohnungen in Richtung Isar. Im November konkretisierten sich die Pläne der Stadt für die künftigen Gespräche mit dem Eigentümer: Auf dem Areal soll es neue Wohnungen für etwa 1000 Einwohner geben, zumindest 20 Prozent der Domizile sollen preisgebunden verkauft oder vermietet werden. Die Gewerbefläche umfasst insgesamt 41 000 Quadratmeter. So weit, so fern.

Neues Ziel: Nahwärmenetz

Eine wichtige Weiche hat Bad Tölz in der Energieversorgung gestellt. Sie führt zu einem Nahwärmenetz, mit dem verschiedene Heizkraftwerke und Wärmeinseln über die Stadt miteinander verbunden werden. Gesteuert wird es von einer neuen Wärmeenergiezentrale neben dem Feuerwehrhaus an der Lenggrieser Straße. Die Stadtwerke hatten für dieses Großprojekt etliche Baustellen eingerichtet, im Kurviertel ebenso wie auf der Flinthöhe. Und weil auch die Telekom das 5G-Netz ausbaute, was das Autofahren in der Kurstadt heuer ungefähr so nervig wie das Unterwegssein mit der Deutschen Bahn.

Der geplante Erweiterungsbau am Kurhaus soll einen Konzert- und Veranstaltungssaal beherbergen. (Foto: Beer, Bembe, Dellinger/oh)

Auf die Reise geschickt hat der Stadtrat einen "Nebendarsteller" fürs Kurhaus. Der Erweiterungsbau soll nach dem Entwurf des Büros Beer, Bembé, Dellinger aus Greifenberg ein flaches Gebäude mit Glasfassade und begrüntem Dach sein, das ein Foyer, zwei Seminarräume und einen großen Saal für Konzerte und Veranstaltungen umfasst. Der Neubau soll sich hinter dem ehrwürdigen Kurhaus an den Hang der Türkwiese anlehnen. Der Stadtrat fasste dafür im Oktober den Grundsatzbeschluss. Die Gesamtkosten, inklusive Sanierung des Kurhauses, belaufen sich nach derzeitigem Stand auf knapp 21 Millionen Euro. Baubeginn soll im April 2025 sein.

Das Naturhotel Bergeblick auf der Wackersberger Höhe wurde Anfang August eröffnet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Bau des Naturhotels "Bergeblick" auf der Wackersberger Höhe war Johannes Tien gleichsam Rangiermeister, Lokomotivführer und Bahnvorstand in Personalunion. In nur drei Jahren schaffte der Investor und Betreiber etwas, woran ein österreichisches Unternehmen an der Arzbacher Straße gescheitert war, eine Firma aus Aalen an der Bockschützstraße nach fünf Jahren immer noch keinen Zentimeter weitergekommen ist: ein neues Hotel. Im August wurde das 100-Betten-Haus mit seiner Holzpergola-Fassade, seinem ausgelagerten Sauna- und Wellnesshaus mit Pool und den drei Lodges eröffnet. Die Frage, warum es bei ihm geklappt hat, beantwortete Tien in drei Worten: "Wir waren mutig."

Kämmerer geht in den Ruhestand

Von Bord gegangen ist Hermann Forster. Nach 32 Dienstjahren bei der Stadt wurde er Ende März in den Ruhestand verabschiedet. Forster sei es "gelungen, quasi Geld herbeizuzaubern", sagte Bürgermeister Ingo Mehner. Außerdem habe er nicht nur "Zahlen geschubst", sondern Ideen entwickelt und vorangetrieben. Und sonst? Es gab noch so manches, was nach langer Fahrt ins Ziel gebracht wurde. Nur ein Beispiel: die neue Stadtmarke. Sie stellt ein Haus aus neun Symbolen dar, die für Bad Tölz stehen. Für 2023 hätte eines der Piktogramme auch ein Bahnhof sein können.

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