Lieder mit Schuss:"Es geht vor allem um den Schneid"

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Auch Georg Jennerwein, der wohl bekannteste bayerische Wilderer, soll ein guter Zitherspieler, Gstanzlsänger und Schuhplattler gewesen sein. (Foto: privat/oh)

Für den Jagerhoagart in Ascholding hat der Gaißacher Musikant Sepp Kloiber Stücke seines legendären Großonkels, des Kraudn Sepp, ausgewählt. Nur die ganz üblen bleiben besser ungesungen.

Von Stephanie Schwaderer, Dietramszell/Gaißach

Wer traditionelle Volksmusik mag, ist beim Jagerhoagart der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen an der richtigen Adresse. Zum 26. Mal kommen am Samstag, 30. September, beim Holzwirt in Ascholding bekannte Gruppen aus der näheren und weiteren Umgebung zusammen. Das Programm hat wieder der Ickinger Harfenspieler Hans Dondl gestaltet. Mit dabei ist der Gaißacher Sänger und Gitarrist Sepp Kloiber, der zusammen mit Hannes Janßen auftritt.

"Die einen singen die Stücke so, wie sie immer gesungen wurden. Die anderen entwickeln sie weiter": Sepp Kloiber fühlt sich in beiden Lagern wohl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

SZ: Herr Kloiber, haben Sie schon etwas mit der Flinte erlegt?

Sepp Kloiber: Als Bundeswehrsoldat war ich im Hochgebirgszug in Mittenwald Mitglied der Biathlon-Mannschaft, da hab ich Wettkämpfe bestritten.

Sie wissen also, wie man mit einem Gewehr umgeht?

Damals hab ich es gewusst. Beim Biathlon schießt man unter Belastung, muss erst den Puls runterbringen, in Ruhe zielen - und dann sollte man treffen. Nach der Bundeswehr hab ich nie wieder geschossen.

"Im Vordergrund stand immer der Kampf zwischen Jager und Wuidschütz."

Dem Jäger kommt in der bayerischen Volksmusik eine große Bedeutung zu. Könnten Sie den Idealtypus bitte mal kurz charakterisieren!

Ab 1800 etwa gab es in Bayern die Revierjäger, die für den König ihre Gebiete unter Kontrolle gehalten haben. Das alte Bild zeichnet einen Menschen, der fit ist, der Ausdauer hat und wenig Angst und der mit Leidenschaft jagt, weil er das Wild als Nahrungsquelle schätzt. Im Lauf der Zeit wurden dann auch die Trophäen wichtig. Dann kamen reichere Menschen, die sich in die Reviere eingekauft haben, weil sie auch einmal schießen wollten. Diese Jagdgäste wurden in der Volksmusik aber nur wenig thematisiert. Im Vordergrund stand dort immer der Kampf zwischen Jager und Wuidschütz, also Wilderer, wobei die Sympathie mal beim einen, mal beim anderen lag.

Wann war dieser Konflikt von Bedeutung?

Zwischen 1850 und 1900 war er am extremsten. Da gab es blutige Geschichten von Rache und Gegenrache, eine furchtbare Zeit. Die Isarwinkler Bauern haben oft gewildert, weil sie Hunger hatten, weil sie das Fleisch gebraucht haben. Und es gab selbstherrliche Jäger, die diese Bauern einfach erschossen haben, was dann wieder einen Gegenschlag provoziert hat. Der Krieg 1870/71 hat dazu beigetragen, dass die Menschen viel weniger Hemmungen hatten zu schießen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich die Bedeutung der Jagd und das ganze Wissen über Hege und Pflege des Wildbestands und der Natur stark gewandelt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich da mittlerweile auch viele Frauen engagieren.

In den Jägerliedern sind Frauen ja eher in der Beute-Klasse - so ähnlich wie die Gämsen.

So krass würde ich das nicht sagen. Sie kommen mehr oder weniger am Rande vor. Meistens geht es da um die Sennerin, die Frau, die auf der Alm arbeitet. Und wenn es eine junge Sennerin ist, dann ist es eigentlich immer das gleiche Bild: Wer gewinnt, ob Jager oder Wuidschütz, hockt bei ihr in der Hütte und die anderen sind außen vor.

Nicht nur das Frauenbild hat sich stark gewandelt. Derzeit werden Steinböcke aus der Schweiz an der Benediktenwand angesiedelt, um den Bestand zu sichern. Die Tiere werden per Monitoring überwacht. Sind die Wilderer schon ausgestorben?

Es gibt sie noch, aber sie sind nicht mehr die Schnelleren und Geschickteren, die den anderen eins ausgewischt haben, das ist wirklich vorbei. Wildern ist heutzutage nicht mehr notwendig und absolut daneben.

Haben Sie ein Lied über den Wolf im Programm?

Nein, das wäre zwar ein aktuelles, aber auch ein heikles Thema.

"Die Zeit war nicht lustig, aber die Lieder haben Witz."

Wenn Lieder keinen aktuellen Bezug mehr haben, warum singt man sie dann noch?

Weil sie Dokumente aus einer vergangenen Zeit sind. Diese Zeit war nicht lustig, aber die Lieder haben Witz und zeugen von Mut und Geschicklichkeit, von der Grobheit und vor allem vom Schneid.

Werden beim Jagerhoagart in Ascholding nur Jägerlieder gesungen?

Keineswegs. Den Titel hat sich einst der Dondl Hans ausgedacht, weil er netter klingt als einfach nur Herbstsingen. Wie immer sind die Jagdhornbläsergruppen dabei, aber ansonsten gibt es keine thematische Einschränkung. Ich hab einige Lieder von meinem Großonkel, dem Kraudn Sepp, dabei, in denen es um Jager und Wuidschützen geht, aber keine, in denen der Jager ganz schlecht wegkommt. So etwas singt man nicht, höchstens mal im kleinen Kreis im Wirtshaus.

Wie alt waren Sie, als Sie Ihrem Großonkel zugehört haben? Er wurde ja erst im Alter berühmt und ist 1977 gestorben.

Da war ich so um die zehn. Ich hab damals Gitarre gelernt. Er war immer unter Freunden und Musikanten, dann kam der Rundfunk oder das Fernsehen vorbei. Das hat mir schon gefallen.

Was hat sich in der Volksmusik seither verändert?

Grob gesagt, gibt es zwei Lager. Die einen singen die Stücke so, wie sie immer gesungen wurden. Die anderen entwickeln sie weiter, schreiben aktuelle Texte zu tradierten Melodien oder komponieren neue Stücke. Da war die Biermösl Blosn wegweisend. Ich bin in beiden Lagern unterwegs. Volksmusik ist zu jeder Zeit dazu da, etwas aus dem Volk fürs Volk weiterzugeben - zum Nachdenken, aber auch zum Lustigsein.

Welches Thema beschäftigt Sie gerade?

Ein großes Thema ist natürlich das Klima. Ich hab vor Jahren mal ein Liadl geschrieben, das heißt "Dreiviertl Johr Winta und a viertl Johr koit" - ein Spruch aus dem Bayerischen Wald. Jetzt bin ich dabei, es umzuschreiben. Es heißt jetzt "Dreiviertl Johr Summa und a viertl Johr warm".

Jagerhoagart, Samstag, 30. September, 20 Uhr, Holzwirt, Ascholding, u.a. mit der Laurenzi-Musi, der Familienmusik Wank, dem Werdenfelser Zwoa- und Dreigsang und einem Überraschungsgast; Moderation: Elisabeth Rehm und Hans Häusler; Karten zu 20 Euro gibt es bei den Raiffeisenbanken Wolfratshausen und Hohenschäftlarn, Schreibwaren Baumgartner Icking, Postfiliale Ebenhausen, Bäckerei Kögelsberger Deining und Holzwirt in Ascholding. Telefonische Reservierung unter 08171/783 66.

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