Inklusion:Recht auf Teilhabe

Inklusion: Barrierefreie Bushaltestellen wie hier der Busbahnhof Bad Tölz sind für Menschen mit Behinderung wichtig. Betroffene berichten von Schwierigkeiten beim Zustieg in die öffentlichen Verkehrsmittel. Im Bild Ralph Seifert im Rollstuhl, Busfahrer Peter Müller hilft ihm beim Einstieg.

Barrierefreie Bushaltestellen wie hier der Busbahnhof Bad Tölz sind für Menschen mit Behinderung wichtig. Betroffene berichten von Schwierigkeiten beim Zustieg in die öffentlichen Verkehrsmittel. Im Bild Ralph Seifert im Rollstuhl, Busfahrer Peter Müller hilft ihm beim Einstieg.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Sozialausschuss des Kreistags will Menschen mit Behinderung besser unterstützen. Eine Arbeitsgruppe soll beraten, wie konkrete Maßnahmen aussehen könnten.

Von Katharina Schmid

Seit 2009 garantiert die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen Menschen mit Behinderung in Deutschland das Recht auf volle Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Seither hat sich auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen einiges getan. Das attestiert der Arbeitskreis für Menschen mit Behinderung zumindest hinsichtlich der Schaffung von Barrierefreiheit. Dennoch müsse mehr getan werden. Die Sprecherin des Arbeitskreises, Elfriede Wilfling, sowie ihr Stellvertreter und Landkreisbeauftragter für Menschen mit Behinderung, Ralph Seifert, schrieben daher im Dezember einen Brief an den Landrat und die Kreisräte, in dem sie einen kommunalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderung forderten. Nun hat der Sozialausschuss des Kreistags darüber beraten und beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die einen "Aktionsplan oder alternative Vorgehensweisen" vorbereiten soll.

Der Behindertenbeauftragte des Landkreises Ralph Seifert verlieh der Forderung, inkludierenden Maßnahmen im Landkreis voranzutreiben, am Montag Nachdruck. Das Thema müsse "einfach mal angepackt werden", um dann "das Beste daraus zu machen". Inklusionsbotschafter Markus Ertl sagte, er sehe einen Aktionsplan als "Startschuss". Auch forderte er, dass an der eingesetzten Arbeitsgruppe behinderte Menschen beteiligt werden müssten, da sie "die tägliche Ausgrenzung" tatsächlich erleben würden.

Die Kreisräte waren sich einig, dass die Inklusion gehandicapter Menschen noch lange nicht in der Gesellschaft verankert sei, weshalb noch viel getan werden müsse. Die Behörden im Kreis müssten vor allem Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie Beratung und Unterstützung leisten, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW). Weiter informierte er darüber, dass der Bezirk Oberbayern als überörtlicher Sozialhilfeträger im Jahr 2016 knapp 1 300 Menschen mit Behinderung im Landkreis mit einer Summe von insgesamt 23,5 Millionen Euro an Eingliederungshilfe unterstützt habe. Allein durch diese Leistung komme die komplette Bezirksumlage wieder in den Landkreis zurück, so Niedermaier. Er betonte zudem, dass die Gruppe der Menschen mit Behinderung nicht groß genug sei, um sich über demokratische Instrumente ausreichend Gehör zu verschaffen. Deshalb sei die Politik gefragt und die Gesellschaft müsse "bereit sein, Inklusion gemeinschaftlich umzusetzen".

Inklusion ist noch nicht in den Köpfen der Menschen verankert

In der Diskussion wurde deutlich, dass die Kreisräte mehr Maßnahmen zur Inklusion einstimmig befürworten. Die Meinungen, ob dafür ein Aktionsplan sinnvoll sei, gingen dagegen auseinander. SPD-Kreisrätin Edith Peter gab zu verstehen, dass ein Schriftstück noch lange keine Probleme löse. "Inklusion heißt für mich miteinander leben", sagte sie. Ob es dafür einen festgesetzten Plan brauche, stellte sie in Frage. Ähnlich äußerte sich Konrad Specker (FW): "Es bringen die besten Vorschriften nichts, wenn sie dann nicht umgesetzt werden."

Er befürworte stattdessen eine Arbeitsgruppe, um das Thema präsent zu halten, so Specker. Landrat Niedermaier räumte ein, dass die Erfahrung in einigen Nachbarlandkreisen, in denen Aktions- oder Teilhabepläne für Behinderte vorliegen, zeige, dass das Thema dadurch noch lange nicht in den Köpfen der Menschen verankert sei. Das habe er im Gespräch mit verschiedenen Landkreisvertretern erfahren. Auch Barbara Schwendner (B90/Grüne) befürchtet einen "Papiertiger, der lange dauert und viel kostet". Sie plädierte stattdessen dafür, "bessere Strukturen in der Verwaltung" zu schaffen und etwa die Inklusionsstelle und die des Behindertenbeauftragten aufzustocken.

Sabine Lorenz (CSU) wies darauf hin, dass ein Aktionsplan und eine zugehörige Arbeitsgruppe als Zeichen zu verstehen seien, dass man an dem Thema dranbleibe, und Günther Fuhrmann (AG) plädierte dafür, dass Inklusion als "Wert an sich" begriffen werden müsse. Er forderte, zuerst die Strukturen verschiedener Sozialräume zu erfassen: "Im Loisachtal haben wir hinsichtlich der Inklusion andere Bedürfnisse als etwa in Geretsried." Danach sollten, orientiert am Aktionsplan des Freistaats Bayern, die wichtigen Punkte bearbeitet werden.

Die von den Ausschussmitgliedern einstimmig beschlossene Arbeitsgruppe setzt sich aus Mitgliedern der verschiedenen Parteien sowie aus Vertretern des Arbeitskreises für Menschen mit Behinderung, dem Behindertenbeauftragtem des Landkreises, Vertretern der Lebenshilfe und des Sozialverbandes VdK und anderen zusammen. Sie soll vom 30. April an arbeiten und dem Ausschuss regelmäßig Bericht erstatten. Elfriede Wilfling zeigte sich nach der Sitzung froh darüber, dass der Landkreis dem Thema Inklusion "breiter und bewusster begegnen" wolle. Sie sei zuversichtlich, dass damit "einiges ins Rollen gebracht" werde und konkrete Maßnahmen eine Entwicklung der Inklusion im Landkreis vorantreiben. Dennoch gab sie zu bedenken: "Inklusion geht jeden an. Viele müssten etwas tun, um etwas Positives für die ganze Gesellschaft zu bewirken."

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