Menschen mit Behinderung:Dabei sein ist alles

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An der Lausitzer Straße in Geretsried bauen die Oberland-Werkstätten einen Betrieb, in dem seelisch kranke Menschen entsprechend ihren jeweiligen Fähigkeiten beschäftigt werden können. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Oberland-Werkstätten strukturieren sich neu, um die Inklusion ihrer Mitarbeitenden in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Oberland-Werkstätten (OLW) wollen "inklusiver werden" und haben sich deswegen neu strukturiert. Die bisher eigenständigen Standorte Gaißach und Geretsried mit insgesamt vier Betriebsstätten arbeiten seit 1. September eng zusammen und bilden die neu entstandene OLW-Region Tölz. Damit sollen, so Geschäftsführer Oliver Gosolits, die Angebote für Menschen mit Behinderungen im Landkreis "durchlässiger und vielfältiger" werden. In einer Pressekonferenz stellte Gosolits diese Neuerung und das Leitungspersonal vor.

Der Geschäftsführer zitierte aktuelle Vorwürfe, wonach Behindertenwerkstätten die Mitarbeitenden eher isolierten, als sie in den ersten Arbeitsmarkt zu inkludieren. Auf die Frage der SZ, wie vielen Personen die OLW in den vergangenen Jahren einen regulären Arbeitsplatz vermittelt haben, sagte er, seit 2015 seien es 13 gewesen. Es gebe nun keine konkrete neue Zielvorgabe, aber die Absicht, diese Zahl auf jeden Fall zu erhöhen.

Der Standort Gaißach bietet Tätigkeiten in der Wäscherei, in der Metall- und Holzverarbeitung und der Küche. In Geretsried werden Montagearbeiten erledigt; künftig gibt es dort zusätzlich einen Betrieb mit verschiedenen Arbeitsbereichen speziell für Menschen mit seelischen Erkrankungen. All diese Einsatzgebiete stehen nun Mitarbeitenden aus dem Nord- wie aus dem Südlandkreis gleichermaßen offen. Damit begegneten die Werkstätten den gewachsenen Anforderungen, sagte Gosolits, und verbesserten die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, auf inklusiven Arbeitsplätzen einer jeweils zu ihnen passenden Tätigkeit nachzugehen.

Mit "Oberland Arbeitsassistenz" und "Oberland Firmenintegriert" böten die OLW gemeinsam mit regionalen Unternehmen und Organisationen auch inklusive Möglichkeiten. Beispiele für ausgelagerte Einzelarbeitsplätze fänden sich bereits im Gartenbau, einem Café und in einem Hausmeister-Service. Dana Verwohlt, Leiterin der neuen OLW-Region Tölz, sagte, sie wolle "individuelle Arbeitsplätze noch mehr erschließen".

Das Team an der Spitze der OLW-Region Tölz (von rechts): Leiterin Dana Verwohlt, Veronika Dammmüller, Birgit Schreyer und Wolfgang Reibl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Verwohlt ist studierte Wirtschaftsingenieurin und seit sieben Jahren bei den Oberland-Werkstätten engagiert. Ihr zur Seite stehen die Sozialpädagoginnen Veronika Dammmüller, Leiterin des Bereichs Reha-Dienste, und Birgit Schreyer für die Bildungsbegleitung. Betriebswirt Wolfgang Reibl teilt sich die Bereichsleitung Produktion mit Matthias Schmidhuber und Thomas Weickmann.

Bei den bald ein halbes Jahrhundert bestehenden Oberland-Werkstätten arbeiten von jeher Menschen mit geistiger Behinderung. Inzwischen werden zunehmend auch Mitarbeitende mit psychischen Erkrankungen beschäftigt. Das Spektrum reiche insgesamt von Schädel-Hirn-Traumata bis zu Depression und Borderline, erklärten Gosolits und Schreyer. Auch Menschen mit Autismus - der keine Erkrankung ist, sondern je nach Betrachtung eine neurologisch bedingte Wesensart oder Störung - finden bei den Oberland-Werkstätten eine ihnen gemäße Tätigkeit.

"Impuls" nennt sich die neue Betriebstätte, welche die OLW gerade an der Lausitzer Straße in Geretsried bauen. Die offizielle Einweihung ist für 31. März 2023 geplant. Menschen mit seelischen Erkrankungen finden dort Arbeit von einfachen Verpackungstätigkeiten bis zu komplexen Montagen. Auch an Computer-Arbeitsplätze sei gedacht: "Eine Zukunftsaufgabe", wie der Geschäftsführer sagte.

Deutschland sei das einzige Land in Europa, das Menschen mit dauerhafter voller Erwerbsminderung einen Rechtsanspruch auf Arbeit in einer Behindertenwerkstatt sichere, sagte Gosolits. Die OLW habe daher eine Aufnahmeverpflichtung. Zur Frage der Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt erklärte er, viele brauchten dennoch "das sichere Netz", das die OLW begleitend auch böten. Außerdem gebe es grundsätzlich eine Rückkehrmöglichkeit.

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