Interview:"Da kann man nicht einfach durchregieren"

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"Es ist viel Arbeit, die man gar nicht so sieht": Bürgermeister Ingo Mehner erläutert die anstehenden Projekte der Stadt Bad Tölz in diesem Jahr. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nordumfahrung, Umgestaltung des Lettenholz-Viertels, Moralt-Gelände, Post-Areal: In Bad Tölz stehen 2024 große Projekte auf der Agenda. Für Bürgermeister Ingo Mehner erschöpft sich die Stadtpolitik darin allerdings nicht.

Interview von Klaus Schieder, Bad Tölz

In Bad Tölz stehen 2024 wichtige Vorhaben an - vom Bau der Nordumfahrung und der Gestaltung des Lettenholz-Quartiers über das Moralt-Gelände bis hin zum Post-Areal. Bürgermeister Ingo Mehner setzt dabei auf viel Bürgerbeteiligung. Wie er die Projekte anpacken will, erläutert er im Gespräch mit der SZ.

SZ: Herr Mehner, seit knapp vier Jahren sind Sie Bürgermeister von Bad Tölz, zwei Drittel der Sitzungsperiode des Stadtrates sind vorüber. Gab es schon mal einen stillen Moment, in dem Sie sich gedacht haben, es wäre besser gewesen, nicht Bürgermeister zu werden?

Ingo Mehner: Nein, gar nicht. Es ist ein wunderbares Amt, es gibt viele schöne Momente. Allerdings es ist auch nicht so, dass man sich immer auf Wolke Sieben befindet. Es ist viel Arbeit, die man gar nicht so sieht, weil man viel vorbereiten muss. Und man hat auch keine Chance, es jedem recht zu machen: Egal, wie Du Dich entscheidest, es gibt immer jemanden, der Dich kritisiert.

Und was ist dann positiv an dem Job?

Positiv bei uns in Bad Tölz ist, dass man keine so aufgeheizte Stimmung hat, nicht so viel Gegeneinander. Es macht viel Freude, aber das Amt ist eben, wie es zu erwarten war, sehr anspruchsvoll.

Inwiefern?

Das heißt, dass man häufig von anderen abhängt, von Behörden, von Privatpersonen. Da kann man nicht einfach durchregieren, sondern muss schauen, dass man möglichst viele Menschen mitnimmt.

2024 steht der Baubeginn für die Nordumfahrung an. Damit rückt das gesamte Stadtviertel am Lettenholz in den Fokus. Seien Sie doch mal Regisseur und zeigen in einer Art kurzem Trailer, wie die Entwicklung dieses Quartiers aussehen soll.

Ich kann den Film nicht ganz abdrehen. Entscheidend ist, dass wir, bevor wir ein fertiges Ergebnis haben, die Bevölkerung dort mitnehmen und uns mit ihr intensiv austauschen.

Der Kinderspielplatz an der General-Patton-Straße muss dem Pflegeheim weichen, wird in der Nähe aber neu angelegt. (Foto: Manfred Neubauer)

Dann nur ein paar kurze Spots...

Die Aspekte, die mir wichtig sind: Durch die Nordspange haben wir die große Chance, den Autoverkehr zu reduzieren, das bringt für das Viertel, aber auch für andere Stadtbereiche enorme Verbesserungen. Durch die Möglichkeit, den Durchgangsverkehr drastisch zu verringern, können wir Straßen zurückbauen und freie Flächen gewinnen. Es gibt viele Bereiche, die wir für Freizeitgestaltung nutzen können. Es gibt die Möglichkeit, den Wohnraum zu verbessern und zu erweitern. Ich bin ein großer Freund von Durchmischung, das ist für mich ein Grundprinzip.

Was bedeutet dies fürs Lettenholz?

Was wir momentan dort haben, sind die Bereiche, wo gewohnt wird, und die Bereiche, wo gearbeitet und Handel getrieben wird. Wenn man Straßen zurückbaut, kann man zusätzlichen und anderen Wohnraum schaffen.

Anderen? Zum Beispiel?

Im Lettenholz, wo ich selbst aufgewachsen bin, gibt es viele Kinder, viele Spielmöglichkeiten, das ist die große Stärke des Viertels. Und die Wohnungen haben einen sehr guten Zuschnitt. Aber sehr viele Gebäude haben den gleichen Zuschnitt. Es ist nicht gut, dort 26 Wohnblocks am Stück stehen zu haben. Von der Mischung und der optischen Wahrnehmung her wäre es besser, wenn andere Gebäude am Rand oder mittendrin stünden, das würde baulich für Abwechslung sorgen. Das neue Pflegeheim Josefstift, das an der General-Patton-Straße geplant ist, kann man dort als Fremdkörper sehen - oder auch als Teil der Durchmischung.

Die Pläne für das neue Pflegeheim sollte der Investor Schleich & Haberl bis Ende 2023 vorlegen. Was ist damit?

Der Bauantrag ist vor Weihnachten beim Landratsamt eingereicht worden. Und wir als Stadt werden jetzt beteiligt.

"Wir machen das mit viel professioneller Unterstützung."

Den Anwohnern am Lettenholz wurde vom Stadtrat per Beschluss eine Bürgerbeteiligung zugesichert. Wann und wie geschieht dies?

Der erste Termin ist am 19. Februar, 19 Uhr, im Sitzungssaal des Landratsamtes, zu dem die Stadt alle Interessierten einlädt. Vertreter des Staatlichen Bauamts Weilheim stellen die Pläne für die Nordumfahrung vor, Schleich & Haberl den Bau des Pflegeheims, die Stadt übernimmt den Part für eigene Anteile, wie die Verlegung des Kinderspielplatzes. Auf dieser ersten Info-Veranstaltung wird dann der Bürgerbeteiligungsprozess aufgesetzt, der mehrere Jahre andauern wird. Das ist übrigens nicht ganz kostenneutral. Es gibt weitere Termine, wo es um die Frage geht, wie ich Vorschläge und Ideen in die Entwicklung integrieren kann. Auch dann werden externe Moderatoren und Planer dabei sein. Wir machen das mit viel professioneller Unterstützung.

Für die Kommunalwahl vor vier Jahren war die Verbesserung des Fahrradverkehrs eines Ihrer Hauptthemen. Wie viel davon konnten Sie bisher umsetzen?

Da gibt es mehrere Dinge. Ein wichtiger Schritt ist für mich auch die Verbindung Tölz-Wolfratshausen, darüber laufen viele Gespräche, unter anderem mit Privateigentümern der dazu nötigen Flächen. Innerörtlich haben wir im Alltagsradwegekonzept viele Einzelmaßnahmen umgesetzt, von 200 Schildern über die Markierung von Radfurten bis zur Absenkung der Gehwege an der Osterleite. Wir haben Engstellen vergrößert, sodass man mit dem Anhänger durchkommt.

Nun sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir die Ideen, die wir hatten, umgesetzt haben. Oder wir haben festgestellt, dass sie aus irgendwelchen Gründen nicht funktionieren. Wir haben jetzt den Masterplan Radachsen in der Ausschreibung. Profis von außen sollen sagen, ob es noch weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Radverkehrs gibt. Ein Hauptthema in Bad Tölz sind die Straßenbreiten, die Gehwege sind oft schon so schmal, dass man als Fußgänger kaum durchkommt.

Die Stadt Bad Tölz gibt laut Bürgermeister Mehner pro Jahr sechsstellige Summen für den barrierefreien Umbau von Bushaltestellen aus (Foto: Harry Wolfsbauer)

Apropos Nahverkehr: Wie sieht es mit den Stadtbussen nach der MVV-Erweiterung im Südlandkreis aus?

Wir erstellen gerade den Zeitplan für die Neuausschreibung des ÖPNV und das Stadtbus-Konzept. Wir stimmen dies mit dem Landratsamt und dem MVV ab. Im Stadtrat wird dann entschieden, wie es mit dem ÖPNV weitergeht. Das Ganze muss auf den Nahverkehrsplan des Landkreises aufgesetzt werden.

Die Zustände am Zentralen Busbahnhof (ZOB) in Tölz sind für Behinderten-Sprecher wie Ralph Seifert oder Markus Ertl verbesserungsbedürftig. Nehmen Sie diese Kritik an?

Selbstverständlich. Wir geben pro Jahr sechsstellige Summen für barrierefreie Bushaltestellen aus, 2023 wurden drei Bushaltestellen umgebaut. Ich werde dem Stadtrat vorschlagen, weitere 100 000 Euro in den nächsten Haushalt dafür einzustellen. Wir priorisieren die Bushaltestellen. Ziel ist es auch, den ZOB in den nächsten Jahren zu überplanen. Es wäre aber ein Schildbürgerstreich, ihn jetzt barrierefrei auszubauen, um ihn dann in drei, vier Jahren nochmals komplett neu zu gestalten.

Zur Entwicklung der Industriebrache Moralt-Gelände will die Stadt Bad Tölz heuer einen städtebaulichen Vertrag mit dem Eigentümer abschließen. (Foto: Manfred Neubauer)

Zurück zur Stadtentwicklung: Der Stadtrat hat 2023 die Eckpunkte für einen städtebaulichen Vertrag mit dem Eigentümer der Industriebrache Moralt-Gelände festgelegt. Wie laufen die Gespräche?

Über die Weihnachtszeit war jetzt nichts los, aber im Januar finden wieder Gespräche statt. Weil die Entwicklung des Geländes sehr komplex ist, wird es allerdings einige Monate dauern, bis es zu einem Ergebnis kommt. Wir müssen den städtebaulichen Vertrag so abschließen, dass die Weiterentwicklung möglichst gut funktioniert.

Zur Gestaltung der sogenannten Hindenburg-Kreuzung gibt es eine Bürgerbeteiligung am 27. Januar. (Foto: Manfred Neubauer)

Das ehemalige Post-Areal an der Hindenburgstraße, das von der Immobilienfirma Aureus gekauft wurde, ist kleiner und daher weniger schwierig zu entwickeln. Wie geht es dort weiter?

Das ist deutlich weniger komplex, allerdings liegt das Post-Areal in Privathand. Wir sind zwar im Austausch mit Aureus, die Umgestaltung läuft aber ohne uns. Was wir tun können, ist die Entwicklung des öffentlichen Raums - also den Verkehrsraum von der Marktstraße über die Hindenburgstraße zur Hindenburg-Kreuzung, wo ein Kreisverkehr angedacht ist, und nach links zur Einmündung der Bairawieser Straße. Hier planen wir eine Bürgerbeteiligung am 27. Januar um 10 Uhr. Interessierte sind herzlich eingeladen.

Wenige Schritte davon entfernt hat Edeka die kleine Filiale in der Marktstraße zu Jahresbeginn geschlossen. Ist das wirklich endgültig?

Edeka hat gesagt, dass die Sache erledigt ist. Die Rückmeldung war eindeutig, das Kapitel ist abgeschlossen. Bei den neuen Eigentümern des Post-Areals ist der Wunsch auf offene Ohren gestoßen, dort eine Handelsfläche zu errichten.

Zur Stadtentwicklung gehören auch neue Hotels. 2023 wurde das Hotel "Bergeblick" auf der Wackersberger Höhe eröffnet. Von den geplanten beiden Hotels an der Bockschützstraße hat man seit Jahren nichts mehr gehört. Wurde das Grundstück dort mittlerweile verkauft?

Das Grundstück ist noch nicht verkauft, sondern in städtischem Eigentum. Wir haben letztes Jahr den Bebauungsplan aufgestellt, Baurecht ist damit geschaffen. Mehr darf ich nicht sagen.

Der Neubau der Jahnschule ist abgeschlossen. Einweihung ist am 24. Februar mit einem Tag der offenen Tür. (Foto: Manfred Neubauer)

Was ist mit dem Umbau der Jahnschule? Ist das undichte Dach jetzt dicht?

Das Dach wurde gemacht, es ist nahezu alles fertig. Die Einweihung ist am 24. Februar mit einem Tag der offenen Tür für Schüler, Eltern und die Öffentlichkeit. Auch die Tölzer Stadtkapelle wird sich beteiligen und den neuen Proberaum vorführen.

Welche Projekte stehen 2024 sonst noch an?

Wir stellen einen Bedarfsplan zur Kinderbetreuung auf. Je nachdem, wie er ausfällt, bauen wir eine neue Kita. Ein fundiertes Bauchgefühl sagt mir, dass wir wohl bauen müssen. Dann gibt es noch viele Dinge mehr. Nur zwei Beispiele, die völlig unspektakulär klingen, bei denen man aber sieht, was die Stadt machen muss: 530 000 Euro sollten wir in die Überarbeitung der Technik der Kläranlage investieren, eine Million Euro in die Kanalsanierung. Das ist nichts Besonderes, aber wichtig für die Infrastruktur und eine nachhaltige Entwicklung. Mit dem Haushalt wird über diese Projekte entschieden.

Mit dem Abenteuerspielplatz "Girlitzer Weiher" wollen wir in die konkrete Planung gehen. 2023 fand eine Befragung von Kindern von acht bis 14 Jahren statt. Wenn alles gut geht, beginnen wir nächstes Jahr mit dem Bau. Und wir schlagen dem Stadtrat die Sanierung des Parkplatzes Schlossplatz wird saniert, der sieht an manchen Stellen ein wenig wüst aus.

Die neue Weihnachtsbeleuchtung gehört zu den kleinen Projekten, die Bürgermeister Mehner in seinem Amt Freude bereiten. (Foto: Manfred Neubauer)

Worauf freuen Sie sich 2024 als Bürgermeister?

Wichtig ist, dass man große Projekte voranbringt, aber es sind oft die kleinen Dinge, die Freude machen, wie etwa auch ein neuer Trinkwasserspender oder die Weihnachtsbeleuchtung. Ich freue mich dieses Jahr auf Veranstaltungen wie das gemeinsame Konzert der Bananafishbones und der Tölzer Stadtkapelle in der Marktstraße, auf "4 Tage - 4 Bands" oder auf die Leonhardifahrt, weil man dabei erlebt, wie die Stadtgesellschaft gemeinsam die Stadt genießt. Das sind die besonderen Momente.

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Von Klaus Schieder

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