Solarenergie:B11-Standort bleibt im Rennen

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Photovoltaik-Freiflächenanlagen wie diese bei Iffeldorf erregen derzeit vielerorts die Gemüter. Der Ickinger Gemeinderat will einen Standort an der B11 noch nicht endgültig ausschließen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Gemeinderat stimmt mehrheitlich gegen den Bürgerantrag, eine Photovoltaikanlage zwischen Icking und Ebenhausen grundsätzlich abzulehnen. Eine endgültige Entscheidung sei verfrüht.

Von Susanne Hauck, Icking

Das Nachdenken über die Standortfrage geht in die nächste Schleife: Das Thema Freiflächen-Photovoltaik-Anlage an der B11 zwischen Icking und Ebenhausen wird noch nicht beerdigt, auch wenn ein Teil der Bürger dies wegen der Auswirkungen auf das Landschaftsbild liebend gern tun würde. Der Gemeinderat Icking wollte sich mit seiner Entscheidung jedoch nicht unter Druck setzen lassen.

Die Sache war wieder auf dem Tisch der Räte gelandet, da ein erfolgreicher Antrag aus der Bürgerversammlung einige Wochen zuvor gefordert hatte, das Vorhaben ein für allemal abzulehnen. Rechtlich bedeutet das, dass der Gemeinderat sich damit befassen muss, jedoch nicht an das Meinungsbild gebunden ist. Die Entscheidungen des Gremiums wurden auch diesmal mit Argusaugen betrachtet. Rund 30 Zuhörer verfolgten die Diskussion, in deren Verlauf sich einige unschöne Vorwürfe manifestierten.

"Wir reden über ungelegte Eier."

"Wir reden hier über ungelegte Eier", sagte Stefan Schneider (Unabhängige Bürgerliste Icking) und sah daher keine Veranlassung für eine Entscheidung ins Blaue hinein. "Wenn wir abstimmen, sollte es schon ein konkretes Projekt geben." Auch seine Fraktionskollegin Claudia Roederstein, die sich grundsätzlich als Kritikerin des Standorts bekannte, hielt den Zeitpunkt für falsch: "Das ist mir zu früh."

Das wollte Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) so nicht stehen lassen, schon weil der Standort, der wegen seines Alpenblicks umstritten ist, das Zeug zu einem "Spaltpilz" in der Gemeinde habe. "Das Argument, dass die Sache nicht spruchreif ist, geht an der Wirklichkeit vorbei", sagte sie und forderte ihre Ratskollegen auf, das Votum aus der Bürgerversammlung zu respektieren. In scharfen Worten unterstellte Nipperdey dem Gremium, die Meinung der Bürger absichtlich zu übergehen. "Das wirft ein schlechtes Licht auf das Demokratieverständnis dieses Gemeinderats", schloss sie ihre wütende Kritik. Ihr Groll wurde noch größer, als der Antrag mit zehn Stimmen von UBI, Grünen und CSU gegen vier Stimmen aus Ickinger Initiative und PWG deutlich abgelehnt wurde. "Was ist Ihre Linie?", griff sie UBI-Bürgermeisterin Verena Reithmann an und warf ihr vor, "umgefallen" zu sein. "Meine Linie ist, dass es jetzt der falsche Moment ist, sich von dem Projekt zu verabschieden", entgegnete Reithmann daraufhin. "Wir entscheiden, wenn wir weitere Erkenntnisse haben."

Ob tatsächlich wie behauptet eine Mehrheit der Bürger gegen den Standort sei, bezweifelten die Grünen und führten ins Feld, dass sich in einer Online-Petition 200 Bürger für eine Photovoltaikanlage an dieser Stelle ausgesprochen hätten. Und dass Nipperdey eine schlechte Verliererin sei: "Es gehört auch zum Demokratieverständnis, die Meinung der anderen zu respektieren, auch wenn einem die Abstimmung nicht gefällt", erklärte der Grüne Jörg Überla.

Ein neues Gutachten lehnt der Gemeinderat ab

Der Ickinger Gemeinderat musste jedoch noch über zwei weitere Anträge aus der Bürgerversammlung entscheiden. Einer Meinung waren die Räte dahingehend, dass es nicht extra einen Sachverständigen braucht, der mit dem Energieversorger Bayernwerk die mögliche Netzüberlastung abklären soll. Und dass auch kein neutraler Experten zugeschaltet werden soll, um in einer "Kurzstudie" nochmals die Vorranggebiete für Photovoltaik herauszuarbeiten. Das sei überflüssig, fand der für UBI-Gemeinderat Georg Linsinger nachgerückte Johannes Voit. "Das produziert nur Papier, das später wieder in der Schublade verschwindet", sagte er. "Wir kennen unser Gemeindegebiet besser als fremde Dritte."

Auch Claudia Roederstein verwies auf die in der Bürgerversammlung bereits erfolgte Vorstellung von 23 möglichen Standorten für Photovoltaikanlagen. Für zwölf konnte sich eine Mehrheit des Gemeinderats erwärmen, für drei davon fiel die Entscheidung sogar einstimmig aus. Dies waren der Standort der alten Geothermieanlage bei Attenhausen, sowie in Dorfen oberhalb des Sonnenwegs am Waldrand und in Walchstadt bei der bereits vorhandenen FFPV-Anlage. Der umstrittene Standort an der B11 zwischen Icking und Ebenhausen war knapp abg-elehnt worden.

Stromleitungen am Limit - Netzbetreiber wollen Netz ausbauen

Photovoltaik bringt die Stromleitungen an ihre Leistungsgrenze. Das Netz ist für die immensen Mengen an Solarstrom gar nicht ausgelegt. Immer wieder wird berichtet, dass Anlagen wegen der Überlastung teils gar nicht ans Netz gehen können oder monatelang auf den Anschluss warten. Nehmen die großen Anlagen am Ende den privaten Besitzern von Kleinanlagen auf dem Dach die Kapazität weg? Und lohnt es sich überhaupt, die Freiflächen-Photovoltaik weiter anzuschieben, wenn das Netz zu schwach ist? All diese Fragen beantwortete Alexander Usselmann vom regionalen Netzbetreiber Bayernwerk im Ickinger Gemeinderat. Der Kommunalbetreuer war als Experte eingeladen worden, weil ein Antrag in der Bürgerversammlung die Einspeisekapazität und den künftigen Netzausbau geklärt haben wollte.

Usselmann ließ keinen Zweifel daran, dass die Energieversorger wegen des immensen Booms an Einspeisern und Abnehmern und wegen der geforderten Klimaneutralität vor einer Jahrhundertaufgabe beim Netzausbau stünden. Was die Leitungen und die Zahl der Umspannwerke betrifft, muss die Infrastruktur in den nächsten Jahren wohl verdoppelt werden. So muss der Netzbetreiber in seinem Gebiet 300 neue Umspannwerke bis 2030 bauen. Dennoch müssten Kleinbetreiber nicht befürchten, dass sie nicht mehr zum Zuge zu kommen, wenn Icking größer in die Photovoltaik einstiege, beantwortete er Claudia Roedersteins diesbezügliche Frage. "Anlagen mit höherer Leistung werden eigens betrachtet", sagte er. "Private können ohne Einschränkung bauen, wir sind verpflichtet das abzunehmen."

Das Kapazitätslimit sei teils auch durch die Flut von Anfragen bedingt, für die Leistung reserviert werden müsse, obwohl nur ein Bruchteil von ihnen später realisiert würde - ein anderes Handling soll das Blockieren des Netzes verbessern. Zum künftigen Netzausbau sagte Usselmann, dass das wichtigste Projekt die geplante neue Leitung von Geretsried Richtung Norden sei, die Isar und die S-Bahn-Trasse machten die Sache schwierig, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bekommen. Dass die Leitungen vielerorts an ihre Leistungsgrenze stoßen, wirft darüber hinaus die Frage auf, ob die mögliche Wartezeit bis zum Netzausbau am Ende nicht ein wirtschaftliches K.-o.-Kriterium für den Investor bedeutet, der erheblich in Vorleistung gehen muss. Zumal sich noch das erfahrungsgemäß langwierige Verfahren wie das Aufstellen eines Bebauungsplans dazugesellen, für das leicht eineinhalb Jahre draufgehen.

Wie sich die Gemeinde jetzt am besten verhalten solle, wollte Bürgermeisterin Verena Reithmann wissen. "Wann ist der richtige Moment um zu starten?" Das zu beantworten sei zurzeit noch schwierig, räumte der Bayernwerk-Kommunalbetreuer ein. Er plädierte für etwas Geduld, in einem Jahr werde man sicher schlauer sein. "Das wird schon", war er sich sicher. Seine klare Empfehlung lautete, die Photovoltaik jetzt schon anzustoßen und zunächst klein anzufangen, um mit dem künftigen Netzausbau mitwachsen zu können.

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