Gewerkschafterin im Porträt:Wer das Theater liebt, muss dafür kämpfen

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"Obwohl ich nette Chefs hatte, würde ich nie wieder bei einem Theater angestellt sein wollen", sagt Lisa Jopt. Seit ihrer letzten Anstellung am Schauspielhaus Bochum 2018 ist sie freischaffende Schauspielerin. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Ickingerin Lisa Jopt ist seit zwei Jahren Präsidentin der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger und hat vieles dort umgeräumt. Um Kultur und Gewerkschaftsarbeit miteinander zu verbinden, muss Kunst weg vom Bild der entfremdeten Lohnarbeit, findet sie.

Von Veronika Ellecosta, Icking

Eine aktive Schauspielerin als Präsidentin, dazu noch eine Frau, das gab es bei der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) noch nicht. Die Führungsriege Deutschlands ältester Theatergewerkschaft, die seit jeher Berufe auf und hinter der Bühne vertritt, war bis dato fest in Männerhand. Zuletzt standen ihr Opernsänger und Choreografen vor. Zudem galt die stille Übereinkunft: Wer die Gewerkschaft leitet, tritt vorübergehend von der Bühne ab.

Dann wurde Lisa Jopt Präsidentin und rüttelte an den Traditionen. Die 40-jährige Ickingerin, die aus Bielefeld stammt, hat für die Stelle nicht mit dem Schauspiel aufgehört. Derzeit ist die freie Schauspielerin in der ZDF-Serie "Marie fängt Feuer" zu sehen, daneben tourt sie mit dem Rumpel Pumpel Theater, das sie mitbegründet hat, in unregelmäßigen Abständen landauf, landab. Und dann wäre da eben die Anstellung als Präsidentin der GDBA - Vollzeit. "Manchmal frage ich mich, wie ich das schaffe. Alles nacheinander und manches parallel", sagt Jopt. Aber die Bühnengewerkschaft sei eine Anlaufstelle für bedürftige Menschen, wie eine Notaufnahme. "Da lässt du keinen hängen."

Gemeinsam mit ihrem Partner Pirmin Sedlmeir (Mitte) und Johannes Lange tritt Lisa Jopt mit dem "Rumpel Pumpel Theater" auf. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein Erfolg in den Tarifverhandlungen

Auf die Frage, was sie antreibt als Gewerkschafterin, sagt Jopt ohne zu zögern: "Die Liebe zum Theater und der Respekt vor den Leistungen der Theaterschaffenden." Dahinter scheinen aber auch die eigenen Erfahrungen mit entbehrungsreichen Jahren durch, die einen langen Schatten über das romantisierte Bild vom Schauspielerdasein werfen. Schlechte Bezahlung, häufige Ortswechsel und Umzüge, unregelmäßige Arbeitszeiten, lange Probe- und Spieltage, auch an den Wochenenden, dadurch belastete private Beziehungen. "Von außen schaut das nach einem edgy life aus, wenn du lange in die Nacht hineinfeierst und dein Geld wieder in der Kantine versoffen hast. Aber eigentlich kompensierst du damit oft die schlechten Bedingungen", sagt Jopt.

Vieles, was die Arbeit im Bühnenbereich erschwert, hat für sie mit dem Tarifvertrag zu tun. Der Normalvertrag Bühne, kurz NV-Bühne, ist die Arbeitsgrundlage für viele Beschäftige aus Technik, Verwaltung und Schauspiel. In der Spielzeit 2021/22 belief sich die Mindestgage für Schauspielerinnen und Schauspieler laut NV-Bühne auf 2ooo Euro brutto. Lisa Jopt trat als Präsidentin an, um den Tarifvertrag zu reformieren. Und nach Verhandlungen mit dem Deutschen Bühnenverein, dem Arbeitgeberverband der Theater und Orchester, gelang es der GDBA und ihren Schwestergewerkschaften, die Mindestgage um 35 Prozent zu erhöhen.

Weg von der "NV-Flatrate"

"Jetzt verhandeln wir Arbeitszeiten für Bühnendarstellende", sagt Jopt. Konkret geht es um geregelte Wochenarbeitszeiten und Ausgleiche nach Überstunden. "Das laugt die Menschen sonst aus." In der Gewerkschaft sagen sie "NV-Flatrate". Die Verhandlungen zu Arbeitszeitregelungen zwischen den Gewerkschaften und dem Deutschen Bühnenverein sind im Juni zwar gescheitert. Mitte Oktober einigten sich die Verhandlungspartner aber darauf, wieder ins Gespräch zu kommen. Jopt denkt kurz nach und sagt dann: "So wie es ist, wird es nicht bleiben, das ist allen in der Branche klar."

Neben den Tarifverhandlungen und dem gewerkschaftlichen Tagesgeschäft muss Jopt auch das Vertrauen in die GDBA in der Branche verankern, andere Kunstschaffende von der Arbeitnehmerorganisation überzeugen. Das sei nicht immer einfach. "Der Gewerkschaft klebt das Label von entfremdeter Lohnarbeit an, davon müssen wir wegkommen", sagt sie. Denn Kulturschaffende erkennen in der Arbeit zuallererst Selbsterfüllung, denken erst danach in sozialen und ökonomischen Parametern. "Das reicht aber nur bis zum Alter von 25, dann kommt der Realitätscheck", sagt Jopt. Und die Realität fordert: Miete zahlen, Essen kaufen, ab und zu in den Urlaub fahren.

Dazu komme, dass sich die Sprache der Gewerkschaft eines juristischen Wortschatzes bediene und damit für eine Welt stehe, von der sich Kunstschaffende abgrenzen, mit allen Konsequenzen. "Viele wollen aus der Reihe tanzen. Unsere Leute können Masken bauen, ein Rad auf der Bühne schlagen und einen Spagat machen. Aber mit dem Arbeitsgesetz sind sie nicht so vertraut."

Deshalb gilt es für Jopt auch, ihre Branche zu erreichen. Und immerhin, sagt sie: Die GDBA sei in den vergangenen zwei Jahren von 4000 auf 6500 Mitglieder angewachsen. Da helfe es auch, dass sie als Präsidentin aktive Schauspielerin geblieben ist, eine von ihnen, und sich hin und wieder für einen Dreh Zeit nimmt.

In Icking möchte sie bleiben

Daran, und noch an vielem mehr, stoßen sich aber einige in der Welt der Bühne. Jene mit einem konservativen Kulturverständnis etwa. Nach ihrer Wahl habe es zwei Wahlanfechtungen durch Männer gegeben, berichtet sie. Auch, dass sie während ihrer Zeit als Präsidentin ein Kind zur Welt brachte, habe für viele Fragen gesorgt. Aber viele Widerstände hätten sich von selbst entlarvt, ihr Kind habe sie bei den Tarifverhandlungen in Köln gestillt. "Am Anfang war es unangenehm, sich wegen allem rechtfertigen zu müssen." Aber wer nach ihr Präsidentin werde, werde es leichter haben, fügt sie hinzu.

Eine letzte Abweichung von den alten Traditionen wagte Lisa Jopt, als sie entschied, mit dem Job nicht nach Hamburg zu ziehen, wo sich die Geschäftsstelle der GDBA befindet. Da spielte ihr auch die Pandemie in die Hände, wodurch politische Gremien den digitalen Raum entdeckten, wie sie erzählt. Und Jopt wollte nicht mehr aus Icking weg. Gemeinsam mit ihrem Partner war sie vor einigen Jahren nach Irschenhausen gezogen. Dort hat sie sich etwas aufgebaut. Sie schätze die Kulturszene in und um München, nennt sie einen guten "kulturellen Nahversorger". Zu häufig sei sie als Schauspielerin umgezogen, zu verbeult seien ihre Möbel schon, weil sie zu oft in einen Sprinter hineingequetscht wurden. In Icking also würde sie gerne angekommen sein.

www.gdba.de

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