Projekt mit G8-Altlasten:Kunstwerk statt Altpapier

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Stapelweise Schulbücher: die Zehntklässler Lukas, Gabriel, Jonas, Hannes, Alex, David und Moritz (von links) mit ihrer "Mauer der Hoffnung". (Foto: Hartmut Pöstges)

Gymnasiasten in Icking haben aus ausrangierten Schulbüchern die "Mauer der Hoffnung" gestaltet. In die große Pyramide auf dem Pausenhof kann man nun auch Zettel mit persönlichen Wünschen stecken.

Von Anja Brandstäter, Icking

Bunte Zettel mit Wünschen stecken in der "Mauer der Hoffnung". Ein Wunsch ist fein säuberlich in asiatischen Schriftzeichen auf das Papier gesetzt. Auf einem anderen steht "Ich wünsche mir Frieden". Die Mauer der Hoffnung sieht aus wie eine übermannshohe Pyramide aus zusammengebundenen Bücherstapeln. Sie steht an der Nordwand des Theatron, wie der Pausenhof des Rainer-Maria-Rilke Gymnasiums in Icking genannt wird. Es handelt sich um eine Kunstinstallation der Klasse 10 c.

Die Idee dazu hatten Hannes und Jonas, die in der Arbeitsgruppe Bücherteam des Gymnasiums engagiert sind. Ihre Aufgabe ist es, Ordnung in dem Raum zu halten, der alle Schulbücher sämtlicher Jahrgangsstufen enthält. Viele Bücher sind alt, zerfleddert oder stammen aus der Zeit des G8, des achtjährigen Gymnasiums, das 2004 vom bayerischen Kultusministerium schrittweise eingeführt worden war und mit dem kommenden Schuljahr endgültig Geschichte ist. Diese Bücher sind jetzt obsolet geworden. Es sind sehr viele, für die es in der Schule keine Verwendung mehr gibt. Das hat die beiden Schüler nachdenklich gemacht. Sie wollten nicht, dass die Bücher einfach so entsorgt werden. Zunächst haben die beiden an die Klagemauer in Jerusalem gedacht. "Wir wollten aber keine politische Aussage treffen", sagt Hannes. "Das Menschliche sollte im Vordergrund stehen."

In den Lücken der Stapel ist Platz für Wünsche, die man auf bunten Papierstreifen notieren kann. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit ihren Gedanken sind die Schüler bei ihrer Kunstlehrerin Kelly Wright auf offene Ohren gestoßen. Die Überlegung, die Bücher für ein Kunstprojekt zu verwenden, hat sie begeistert. Aus der Idee entstand ein beachtliches Werk, an dem 24 Schülerinnen und Schüler beteiligt waren: ein Gemeinschaftsprojekt mit großer Aussagekraft. Doch zuallererst musste die Schulleitung mit ins Boot geholt werden. Denn es waren auch Themen wie Brandschutz und Sicherheit zu berücksichtigen. Schließlich gab auch Schulleiter Stefan Nirschl grünes Licht. Er hat das Projekt genehmigt und darüber hinaus vorgeschlagen, einen Pavillon aufzustellen, um die Installation vor Regen und Schnee zu schützen.

Dann ging es an die Umsetzung. Zunächst wollten einige Schüler mitmachen. Manche zweifelten an der Sinnhaftigkeit, andere hatten keine Lust. Zu Beginn des Projekts fertigten die Jugendlichen Skizzen an. Die Bücher sollten in gleich große Stapel gepackt werden. Im ersten Versuch verwendeten die Schülerinnen und Schüler Kreppband, um die Bücherstapel zu fixieren. Schnell merkten sie, dass es nicht hält. Auch mit Heißkleber hatten sie keinen Erfolg. Bis Samuel auf die Idee kam, es mit Schnüren zu probieren. Das hat funktioniert.

Pünktlich zum Adventsmarkt war das Kunstwerk fertig

"Zuerst wollten wir eine Wand bauen, doch das ist statisch sehr schwer. Jetzt ist eine Pyramide daraus geworden, die wir Mauer der Hoffnung nennen", sagt Hannes. In den folgenden Kunststunden trugen die Schüler die Bücher von der Bücherkammer in den Kunstraum, stapelten sie zu gleich hohen Päckchen auf und schnürten sie zusammen. Einen geeigneten Standort hatten sie bis dahin noch nicht. "Wir wollten sie ursprünglich auf dem Sportplatz aufstellen", sagt Viktoria. Auch drei weitere Orte hatten sie im Blick. Entschieden haben sie sich dann für einen Platz, den sie zunächst gar nicht vorgesehen hatten: den Pausenhof. "Weil hier viele Leute vorbeikommen", sagt die Schülerin.

Dort stapelten die Schülerinnen und Schüler die Päckchen so aufeinander, dass sie eine standhafte übermannshohe Pyramide bildeten und auf der Rückseite durch die Wand des Schulgebäudes gestützt wurden. Auch die Zwischenräume wollten sie nutzen: Das war der Platz für die Wünsche. Um möglichst viele Menschen mit ihrem Kunstprojekt zu erreichen, bezogen die Jugendlichen ihre Eltern mit ein. Pünktlich zum Adventsmarkt der Schule am Freitag, 1. Dezember, war die Mauer der Hoffnung fertig. Veronika, Viktoria, Valentina und Franziska entwarfen ein Plakat, das dazu aufrief, sie mit Zetteln zu befüllen, auf denen man seine Sorgen, Nöte, Hoffnungen und Wünsche notieren konnte. Viele Eltern und Besucher haben mitgemacht.

Schulleiter Stefan Nirschl und Kunstlehrerin Kelly Wright sind von dem Schülerprojekt begeistert. (Foto: Hartmut Pöstges)

Aus alten Bildern, die sich aus dem Kunstunterricht im Laufe der Jahre angesammelt hatten, hat Kelly Wright große Streifen geschnitten, die als Wunschzettel dienten. Sie sind bunt und schmücken die Lücken der Mauer. Regen und Schnee der vergangenen Tage haben der Kunstinstallation keinen Schaden zugefügt. Wie lange sie dort stehen kann, hängt von vielen Faktoren ab und ist noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall sind alle Interessierten eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen, einen Wunschzettel zu schreiben und ihn in einen Zwischenraum im Bücherstapel zu stecken.

"Wir haben das Werk in die Welt gegeben, jetzt kommt es darauf an, wie es aufgenommen wird", sagt Kunstlehrerin Kelly Wright und fügt hinzu "Alles, was man macht, produziert auch ein Ergebnis." Das ist wohl für die Schülerinnen und Schüler die wichtigste Erfahrung.

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