Kultur-Austausch:Europa bittet zum Tanz

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Völkerverständigung ohne Worte: Neben bayerischem Volkstanz wird es in Icking auch ungarische und griechische Schrittfolgen geben. (Foto: Renate Schmidt)

Bei einem internationalen Volkstanzabend im Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium begegnen sich Jugendliche aus Ungarn, Griechenland und Bayern - und laden Interessierte zum Mittanzen ein.

Von Paul Schäufele, Icking

Europa schläft. Knapp zwei Monate vor der Wahl des Europäischen Parlaments scheint das Interesse am Austausch jenseits nationaler Grenzen verblasst. Goethe-Institute schließen, Städtepartnerschaften gehen ein, Assoziationen zum Projekt Europa bewegen sich in einem Korridor zwischen Bürokratie-Monstrositäten und Krisen, auf die keine gemeinsame Antwort gefunden werden kann. Eine andere Perspektive sucht das Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium und feiert den europäischen Dialog auf kreative Weise. Am Dienstag, 16. April, kommen im Pädagogischen Zentrum der Schule Schülerinnen und Schüler aus Icking, Ungarn und Griechenland zusammen, um zu musizieren und Volkstänze zu tanzen.

Etwa zwei Dutzend Mittel- und Oberstüfler des Klára-Leőwey-Gymnasiums in Pécs und halb so viele der Music High School der griechischen Hafenstadt Piräus nehmen teil an dem EU-geförderten Austausch mit Icking. Die Partnerschaft mit Ungarn besteht seit 1991, die mit Griechenland ist neu, war dem Ickinger Gymnasium mit seinem altsprachlichen Zweig aber eine Herzensangelegenheit, wie Schulleiter Stefan Nirschl sagt. Gemeinsam machen die Kinder vor, wie es gehen kann: Eigenheiten nicht verschweigen, sondern zeigen und damit Neugierde wecken. Was könnte dazu geeigneter sein als das Medium des Tanzes? Dabei kommt es nicht darauf an, welche Sprache jemand spricht. Wobei, wie Nirschl betont, vor allem die ungarischen Kinder Deutsch auf hohem Niveau beherrschen. Ihr Gymnasium bietet seit den 50er-Jahren bilingualen Unterricht auch in Deutsch an. Dennoch: "Tanzen hat eine Emotionalität und Körperlichkeit, das ist toll!", sagt Michael Well. Er wird den Abend als "Tanzmeister" mitgestalten.

"Kontraste sind unterhaltsam", sagt Tanzmeister Michael Well. (Foto: Arlet Ulfers)

Dafür ist der Vollblutmusiker, ehemaliges Mitglied der inzwischen aufgelösten Biermösl Blosn und derzeitiger Mitspieler der Well-Brüder, prädestiniert. "Ich tanze seit dem Kindesalter", sagt er. Zudem haben die Well-Geschwister sich früh zusammengetan, um in einer sogenannten Tanzlmusik zu spielen. Eine Handvoll Instrumente, darunter ein bis drei Melodieinstrumente, wird dabei flexibel als Tanzkapelle eingesetzt. Beim internationalen Volkstanzabend werden auch Michael Wells Sohn Matthias an der Geige sowie der aus der Republik Moldau stammende Vladislav Cojocaru am Akkordeon für den richtigen Ton sorgen.

Die richtigen Schritte zeigt der Tanzmeister. Das macht Michael Well schon eine Weile. Denn schon früher haben er und seine Brüder den Lehrern im Freistaat in vom Kultusministerium organisierten Kursen die bayerischen Volkstänze nahegebracht. In Icking macht den Anfang ein Auftanz, eine Art Polonaise, so simpel, dass niemand sich genieren muss, mitzutanzen, wie Michael Well sagt. Dem folgen weitere Volkstänze, deren Schritte vom erfahrenen Lehrer vorgemacht werden. Eingerahmt werden die alpenländischen Tänze von den Beiträgen aus Ungarn und Griechenland.

"Das kann kein Schulbuch vermitteln, das ist gelebtes Europa"

Dass Michael Well sich für die Veranstaltung engagiert - trotz aktueller Tour mit Gerhard Polt - liegt nicht nur daran, dass seine Nichte Gabriele Schneider sich als Lehrerin am Ickinger Gymnasium besonders für den Austausch einsetzt. Ihn reizt neben der Möglichkeit, das eigene Brauchtum zu zeigen, auch das kontrastreiche Programm: "Man kriegt was mit von der eigenen Kultur, erfährt, was man selbst wert ist, jenseits eines nationalistischen Gedankens. Und es ist toll, wenn das dann Neugier macht auf eine andere Kultur", sagt er. "Kontraste sind unterhaltsam. Es wär' ja vielleicht was anderes, wenn da jetzt eine Gruppe aus Österreich oder so kommen würde", sagt Well und lacht.

Dass aus solchen Begegnungen auch Bindungen wachsen und eine positive Sicht auf Europa entsteht, davon ist Stefan Nirschl überzeugt: "Das kann kein Schulbuch vermitteln, das ist gelebtes Europa." Gerade mit Blick auf die schwierige Position Ungarns in Europa sei das wichtig. "Schule ist nicht nur Wissensvermittlung", sagt auch Michael Well. Es gehe um Kommunikation, darum, das Andere schätzen zu lernen. Dazu lädt das Rilke-Gymnasium alle Musik- und Tanzbegeisterten ein, von 18 Uhr an, bei freiem Eintritt.

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