"Gesellschaft unterm Apfelbaum":Tafelspitz mit Lücke

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Genussvolles Spiel unterm Zeltdach: Klaus Reif am Bass, Carola Beil, Willi Hörmann und Gabriele Misch (von links). (Foto: Hartmut Pöstges)

Zum Auftakt des Ickinger Theatersommers erleben wenige Gäste viel Schauspielkunst. Mit ihrer szenischen Lesung hätten Carola Beil und ihr Ensemble mehr Publikum verdient.

Von Susanne Hauck, Icking

Genau so hat man sie sich vorgestellt, die schillernd-schrullige ehemalige Theaterdiva aus Joachim Meyerhoffs Roman "Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke". Keine kann so wie sie theatralisch den Arm erheben, elegant die Zigarette halten, salbungsvoll allerhand Bühnenmonologe deklamieren und sich dafür von ihrem Mann anhimmeln lassen, der mit andächtigem Gesicht die Worte stumm mitformt. "Moahhh...der Brie ist ein Gedicht heute abend!" Wer den Meyerhoffschen Bestseller gelesen hat, der darin seinen Aufenthalt als junger Schauspielschüler im Haus der großbürgerlichen Großeltern so unvergesslich beschreibt, hatte seine helle Freude an der Darstellung von Carola Beil als exzentrische Inge mit divenhaft ins Haar gewundenem roten Schal und befremdlich-kunstvollem Zeitlupenlachen.

Zu schade, dass dieses Highlight nicht mehr Publikum fand, denn der Eröffnungsabend der Gesellschaft unterm Apfelbaum war bedauerlicherweise sehr spärlich besucht. Gerade mal ein Dutzend Zuschauer versammelten sich im lauschigen Irschenhauser Garten von Barbara Reimold, die jedes Jahr Ende Juli zum Theatersommer einlädt. Über das Warum lässt sich spekulieren. Es mochte am herbstlich wirkenden Wetter gelegen haben. Oder daran, dass die Künstler vorher nur wenigen bekannt gewesen sein dürften. Vielleicht hat es aber mit der Programmankündigung zu tun, die andere Erwartungen weckte. "Tafelspitz in Bilbao" erklärte sich als "ziemlich szenische Lesung", "mit inszenierten Texten" von verschiedenen Dramatikern und anderen Theaterleuten. Gut möglich, dass manch einer da schwere Kost und schläfrig machende Klassiker befürchtete.

Unterhaltsame Reise durch die Theatergeschichte

Dabei war das eine recht unterhaltsame Reise einmal querbeet durch die Theatergeschichte, die Schauspielerin Carola Beil zusammen mit ihren Kollegen Gabriele Misch und Willi Hörmann, unterstützt von Klaus Greif am Kontrabass, da unternahm. Das Trio bemühte sich nach Kräften, die Magie des Theaters auferstehen zu lassen.

Geboten wurde ein buntes Potpourri: Amüsanter Klatsch und Tratsch sowie Pannen und Anekdoten aus der Theaterwelt, von auf der Bühne versehentlich verlorenen Zahnprothesen, vom Zickenkrieg zwischen den Aktricen Gisela Stein und Sunnyi Melles an den Kammerspielen über Bertolt Brecht und seine Frauengeschichten bis zum höchst sonderbaren Kosmos des Wiener Burgtheaters und zu beleidigten Künstlern, die sich schon vor 200 Jahren über einen Verriss in der Zeitung schwarz ärgerten. Gekonnt schlüpften die drei dazu in die verschiedenen Rollen und ließen sich auch von den klaffenden Lücken in den Zuschauerreihen die Lust am Spiel nicht nehmen. Das alles kam gut an, das Trio hatte es drauf und verstand sich blendend, auch wenn die paar eingestreuten Lieddarbietungen nicht so richtig zünden wollten.

Atemberaubende Kulisse, liebevolles Drumherum

Und viel mehr noch als das auf der Bühne Gebotene wird im Irschenhauser Freilufttheater die landschaftliche Kulisse zum Erlebnis. Natur und Kultur werden eins. Wenn die blaue Stunde einzieht, schweift der Blick immer wieder zum grandiosen Bergpanorama in der Ferne. Die Abendvorstellungen beginnen um 20 Uhr. Am besten man trifft sich schon eine Stunde vorher zum Apéro. In dem eingewachsenen Gartenparadies von Barbara Reimold sind zwanglos einige Tischchen verteilt, einladend mit weißen Tüchern und mit Windlichtern geschmückt. So liebevoll ist dieses Drumherum gemacht. Man kann sitzen und Wein trinken, man kann aber auch herumwandern und sich in einem Liegestuhl niederlassen und von dort die Aussicht genießen. Später reichen einem fürsorgliche Hände Decken gegen die heraufziehende Kälte, und vor Regen braucht man sich sowieso nicht zu fürchten, denn dann wird im Zelt gespielt - mit luftigen offenen Seitenwänden, wenn es nicht gerade aus Kübeln schüttet.

Ohne Spenden geht es nicht

Am schönsten ist es natürlich, wenn man einen warmen Sommerabend erwischt, und die Open-Air-Bühne mit Blick auf die Berge aufgebaut ist. Und da gab es in der Vergangenheit ja zum Glück auch viele rappelvolle Abende. Lokale Zugpferde wie Peter Spielbauer und Josef Brustmann sowie etliche Konzertabende beim diesjährigen Programm lassen auf eine Wiederholung hoffen.

Zu wünschen wäre das Barbara Reimold. Die Frau, die hinter der privaten Theaterinitiative steht, eröffnete mit gewohnt bescheidenem Auftritt die Saison und lässt dabei durchblicken, wie schwierig es geworden ist, dem Anspruch nach einem professionellen Programm gerecht zu werden, wenn die Gelder hinten und vorn fehlen. Aus Einnahmen ist das Ganze nicht zu stemmen. "Wir sind abhängig von Spenden geworden", bekennt Reimold, die aber auch sagt: "Wir wollen gern weitermachen."

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