Es war im Sommer des Jahres 2000, als ein Landwirt in Ascholding zu Pickel und Schaufel griff, um einen Holzdielenboden in seinem Bauernhof abzutragen. Was er darunter fand, war eine archäologische Sensation: das Skelett eines circa 14 Jahre alten Mädchens, das im 1. Jahrhundert nach Christus gelebt hatte. Das "Ascholdinger Mädchen" zählt zu den herausragenden Exponaten im Tölzer Stadtmuseum, Abteilung Frühgeschichte. Und es gehört zum Schwerpunkt Archäologie, den sich der Historische Verein im Oberland in Bad Tölz in seinem Jahresprogramm 2024 vorgenommen hat. Allein vier von neun Referaten in der obligatorischen Vortragsreihe seien diesem Thema gewidmet, sagte der stellvertretende Vorsitzende Christof Botzenhart in der Jahresversammlung am Montagabend im Gasthof Metzgerbräu.
"Das frührömische Frauengrab aus Ascholding - eine Identitätssuche": So lautet der Titel des Vortrags, den Archäologe Hans-Peter Volpert am Mittwoch, 15. Mai 2024, im Stadtmuseum hält. Ebenfalls um Vorgeschichte geht es zwei Monate später: Christoph Mayr befasst sich am Mittwoch, 17. Juli 2024, allerdings mit ganz anderen Skelettfunden - und zwar von prähistorischen Elchen. "Elche im bayerischen Oberland?", heißt das Thema seines Vortrags. Mayr arbeitet am Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wird die Verbreitung prähistorischer Elche in der Umgebung von Bad Tölz aufzeigen.
Nach den Sommerferien gibt es zwei weitere Referate zum Schwerpunktthema. Über "Archäologie erleben! Die neue Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung" referiert Professor Rupert Gebhard am Mittwoch, 23. Oktober 2024. Der Direktor der Staatssammlung ist der Sohn von Thorsten Gebhard, der 1979 das Tölzer Heimatmuseum eingerichtet hat. Mit der "Bronzezeit am Rande der Alpen am Beispiel des Fundes von Lenggries" befasst sich Manuela Strunz, Tölzer Stadtarchivarin und Lenggrieser Museumsleiterin, am Mittwoch, 20. November 2024.
Allerdings gibt es auch noch andere Sujets als Archäologie. Fast begeistert äußerte sich Botzenhart über das Thema zum Auftakt am Mittwoch, 31. Januar 2024: "Wunderbare Vielfalt! Bayerns Geschichte und Kultur im Internet. Die Angebote der Bayerischen Staatsbibliothek." Es sei "ganz toll", was da im Internet zu finden sei, so Botzenhart. Dies gelte nicht bloß für die Forschung, "sondern einfach zum Schmökern". Den Vortrag hält Florian Sepp, Leiter der Referats Bavarica an der Bayerischen Staatsbibliothek.
2024 stehen in Bad Tölz große Jubiläen an. Die Stadt feiert vor allem 125 Jahre Kur. Anton Krettner, Bürgermeister und Komponist des Tölzer Schützenmarsches, starb vor 125 Jahren. Seit 100 Jahren gibt es die Bahnlinie nach Lenggries und den Tölzer Bahnhof. Ob die Stadt auch dazu etwas plane, wollte ein Vereinsmitglied wissen und schlug vor, eine historische Dampflok auf der Strecke fahren zu lassen. Dies wäre nur mit viel Mühe zu bewerkstelligen, erwiderte Vorsitzender Claus Janßen. Die Bayerische Regiobahn verkehre zwar auf der Strecke, die Gleise aber gehörten der Deutschen Bahn - was schon beim jüngsten Wintereinbruch für Probleme sorgte. Zudem sei mit dem Eigentümer des sanierungsbedürftigen und deshalb geschlossenen Bahnhofsgebäudes in Tölz nicht zu reden, so Botzenhart. Insofern bleibt es wohl bei dem Vortrag, den Autor Stefan Wittich am Mittwoch, 25. September, hält: "Die Eisenbahn im Isarwinkel im Wandel der Zeit."
Botzenhart selbst tritt - ein seltener Fall - ebenfalls als Referent auf. "Der Bayerische Ministerpräsident: Das Amt und seine Inhaber 1918 bis 1993" lautet sein Thema am Mittwoch, 19. Juni. Um die Wiedergeburt des Gebirgsschützenwesens nach dem Zweiten Weltkrieg geht es Mittwoch, 20. März: Historikerin Maria Schneider referiert dann über Paul Ernst Rattenmüller und die Gebirgsschützen. Sportlich wird es am Mittwoch, 17. April: Professor Thomas Raithel vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin sprich über "Die Fußballweltmeisterschaft 1954: Ereignis und Mythos". Alle Vorträge beginnen um 19.30 Uhr im Historischen Sitzungssaal des Stadtmuseums.
"Da können wir uns bestens sehen lassen", sagt Vorsitzender Claus Janßen
Die Vortragsreihe ist allerdings nur eine Säule der Vereinsarbeit. Wie vielfältig die Themen gestreut sind, zeigte Stadtarchivar Sebastian Lindmeyr in seiner Retrospektive auf die Jahre 2022 und 2023. Das Spektrum reicht von der Erforschung der Gedenk- und Grabtafeln in Tölz durch Albert Vosseler über Verwaltungsgeschichte und Betriebsprotokolle bis zu Bäder-Architektur, den Anfängen des Krippenvereins, Verblüffungsartisten und Donauhandel. "Wenn man sich das Programm so anschaut und vergleicht mit anderen Historischen Vereinen in Bayern, da können wir uns bestens sehen lassen", sagte Janßen. 2024 geht es in den Monatsversammlungen gleich weiter mit den Beziehungen, die eine Tölzer Pensionswirtin zu Karl Wolfskehl und der Münchner Boheme pflegte, um Okkultismus und Seancen. Außerdem referiert Sepp Pallauf über 100 Jahre Tölzer Skiclub.