Handwerk:Betriebe ohne Bewerber

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KfZ-Mechatroniker ist ein beliebter Ausbildungsberuf auch im Landkreis. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Im Landkreis gibt es in diesem Jahr deutlich weniger neue Azubis als freie Ausbildungsplätze. Das liegt nicht nur an Corona. Auch der fortschreitende Trend zur Akademisierung macht dem Handwerk zu schaffen.

Von Inga-Maria Glahn, Bad Tölz-Wolfratshausen

Viele Ausbildungsplätze sind in diesem Jahr im Landkreis noch unbesetzt. Unternehmen bieten Lehrstellen an, erhalten jedoch nicht ausreichend Bewerbungen. Zudem gehe der Trend immer mehr zur Akademisierung, bestätigen sowohl die Handwerkskammer (HWK), als auch die Industrie- und Handelskammer (IHK). Laut Mitteilung der IHK beginnen in diesem Jahr 266 junge Menschen im Landkreis ihre Ausbildungen in Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Die Zahl der Vertragsabschlüsse ist demnach im Vergleich zu 2019 um 10,7 Prozent gesunken.

"Was uns schon seit Jahren zu schaffen macht ist der Trend zum höheren Schulabschluss", sagt ein Pressesprecher der HWK. Das Projekt "Ausbildung sichern", das von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde, um das Handwerk populärer zu machen, helfe nur bedingt, da viele Betriebe für diese Maßnahme nicht infrage kämen. Es sei wichtig, Ausbildungsplätze attraktiver zu machen, indem man ihre Vorteile aufzählt, sagt die HWK. Angehende Azubis hätten gute Weiterbildungsmöglichkeiten zum Meister, einen Verdienst vom ersten Tag an, eine klare Berufsvorstellung und seien nach der Ausbildung direkt einsetzbar. Die IHK beobachtet außerdem, dass immer mehr junge Leute ihr Studium abbrechen und auf eine Ausbildung zurückkommen.

In diesem Jahr haben viele Betriebe mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Obwohl eine Bewerbung ganzjährlich möglich ist, startet die Ausbildung für die meisten Bewerber im September, wenn die Berufsschule beginnt. In diesem Jahr könnten sich die Bewerbungen jedoch verzögern. Unternehmen wie Friseure müssen den Hygiene- und Abstandsbedingungen gerecht werden und sich von dem ersten Lockdown erholen. Besonders in Branchen wie Tourismus, Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel stellt die Corona-Pandemie eine große Herausforderung dar. Je nach Situation bieten in diesem Jahr manche Reisebüros oder Eventveranstalter keine Ausbildungsplätze an, da sich die Belegschaft oft selbst noch in Kurzarbeit befindet. Die Mehrzahl der Unternehmenbilden mit Blick in die Zukunft jedoch trotzdem weiter aus. "Man braucht einfach den Nachwuchs", so die IHK. Nur so könne die Kontinuität eines Betriebes gewährleistet werden. Viele junge Leute seien von der derzeitigen wirtschaftlichen Lage jedoch verunsichert und verschöben den Ausbildungsbeginn aus das kommende Jahr.

Die IHK betont jedoch, dass der Rückgang der Bewerberzahl heuer nicht nur mit dem Coronavirus zusammenhänge. Ein weiterer Grund seien die Demografie und Entwicklungen in der Gesellschaftsstruktur. So steige etwa die Zahl der Erstsemesterstudenten Jahr für Jahr, während die Zahl der Azubis immer weiter abnehme.

Auch das international tätige Familienunternehmen Hawe Hydraulik aus Sachsenkam kämpft mit diesem Problem. "Wir sind unterbesetzt", sagt Werkleiter Knut Krekemeyer. Von den sechs Plätzen, die sie aktuell für die Ausbildung zum Industriemechaniker anbieten, seien bisher nur drei besetzt. "Heuer hatten wir extrem wenige Bewerbungen", sagt Krekemeyer. Es zeichne sich bereits ab, dass der Firma in ein paar Jahren Facharbeiter fehlen werden, wenn es so weiter gehe. Der Werkleiter spricht von einem "traurigen Bild". Trotzdem hofft der Betrieb, noch in diesem Jahr neue Azubis zu gewinnen und nimmt weiterhin Bewerbungen an.

Das Gasthaus Oberhauser Hotel Post in Egling hat momentan keinen einzigen Auszubildenden. Dabei bietet der Betrieb jeweils zwei Stellen für vier verschiedene Ausbildungsberufe an: Metzger, Metzgereifachverkäufer, Koch und Hotelfachfrau oder -mann. Doch besetzt werden konnte bislang keine Stelle. "Die Berufe, die wir anbieten werden immer unattraktiver für die jungen Leute heutzutage", sagt die Inhaberin Doreen Oberhauser.In den vergangenen Jahren sei die Anzahl der Bewerbungen immer weiter zurückgegangen. In diesem Jahr habe der Traditionsbetrieb schließlich gar keine mehr erhalten. Die letzten zwei Lehrlinge seien 2019 auslernt worden, der Betrieb müsse nun vorerst ohne Auszubildende zurecht kommen.

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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