10. Preisverleihung in Geretsried:"Der Jazzmissionar des Oberlands"

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Beim Musikmachen ist Horia-Dinu Nicolaescu in seinem Element. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Horia-Dinu Nicolaescu erhält mit seinem "Cicos Jazz Orchester" den Kulturpreis der Stadt Geretsried. Beim Festakt wird die besondere Lebensgeschichte des Bandleaders aus Rumänien gewürdigt.

Von Susanne Hauck, Geretsried

Horia-Dinu Nicolaescu und sein Cicos Jazz Orchester sind die Träger des zehnten Geretsrieder Kulturpreises. Was die Musiker draufhaben, davon konnte sich das Publikum beim Festakt in den Ratsstuben überzeugen. Nicolaescu, wie immer in seinem Markenzeichen, dem bunten Freizeithemd, ist beim Dirigieren in seinem Element: Was so locker aussieht, ist höchste Präzision. Der ganze Saal groovt bei dem satten Sound mit und bedankt sich zum Schluss mit schier nicht enden wollendem Applaus.

Preisträger Horia-Dinu Nicolaescu bekommt vom Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller eine Urkunde - und eine Skulptur - überreicht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu lachen gab es aber auch was: Bei Bürgermeister Michael Müllers (CSU) Laudatio sauste plötzlich die Leinwand von der Decke herunter und ließ die auf der Bühne sitzende Band hinter der weißen Fläche verschwinden. Da hatte wohl jemand zu früh auf den Kopf gedrückt - die Gratulation per Video von Saxofonistin Stephanie Lottermoser, auch sie eine Schülerin von Nicolaescu, sollte programmgemäß erst anschließend stattfinden. Müller ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und kam auf die vielfältigen Verdienste Nicolaescus sowohl für die Stadt Geretsried als auch grenzüberschreitend zu sprechen.

Die eigentliche Laudatio aber blieb einem ehemaligen Schüler vorbehalten. Matthias Kiefersauer, preisgekrönter Filmregisseur, hielt eine liebevolle Ansprache auf den "Jazzmissionar des Oberlands", wie er ihn nannte. Sie veranschaulichte die besondere Lebensgeschichte des Vollblutmusikers und gebürtigen Rumänen, der kein Ja-Sager sein wollte und es lieber in Kauf nahm, im fremden Land noch einmal von vorn anzufangen, als Karriere als Günstling des rumänischen Diktators Ceausescu zu machen.

"Er war eine ziemlich coole Sau"

Nico, wie alle Schüler des Geretsrieder Gymnasiums ihren Musiklehrer salopp nannten, habe sie stark beeindruckt, vor allem wegen seines Verständnisses für die Jugendlichen - auch wer beim Spicken erwischt wurde, kam ohne Sechs davon - und seiner ansteckenden Leidenschaft für die Musik. "Er war eine ziemlich coole Sau", erinnerte sich Kiefersauer.

Nicolaescu wurde 1941 in Craiova geboren, als Sohn einer angesehenen Akademikerfamilie, die aber beim kommunistischen Regime in Ungnade fiel und deshalb alles verlor. Mit 16 fing er an, Trompete zu spielen, die Liebe für den Jazz erwachte. Nachts hörte er Jazzsendungen im Radio, notierte sich Titel und Komponisten. Er kam aufs Konservatorium, gründete seine erste Band. Es kam der Tag, als man ihn ins Zentralkomitee berief und ihm eine große Karriere in Rumänien in Aussicht stellte. Doch weil er dazu in die Partei hätte eintreten müssen, lehnte er ab. Einen berühmten Namen machte er sich trotzdem, als Unterhaltungsmusiker. Mit Tourneen und Auftritten im staatlichen Fernsehen verdiente er viel Geld. "Doch er war unglücklich, er wollte frei sein", sagte Kiefersauer. Zensur und persönliche Bedrohungen seien immer schlimmer geworden. 1971 stellte er deshalb den Ausreiseantrag und kam mit seiner Frau Rolanda und der kleinen Tochter Horianna nach Deutschland, ohne die Sprache zu können. Aus dem berühmten rumänischen Musiker wurde ein bayerischer Musiklehrer.

So kam es, dass Nicolaescus Talent den Schülern zufiel. Unter seiner Leitung habe die Bigband des Geretsrieder Gymnasiums Preise gewonnen, wie es sonst nur Formationen aus musischen Schulen möglich war, hieß es in der Rede. 1998 gründete er die Bigband der Ehemaligen und nannte sie, abgeleitet von seinem rumänischen Spitznamen, Cicos Jazzorchester. Viele musikalische Preise und Auftritte, auch international, folgten, selbst nach seiner Pensionierung 2006 machte der Bandleader weiter. Wie sehr Nicolaescu die Schüler inspiriert habe, zeige sich auch an der großen Zahl derjenigen, die später eine musikalische Karriere hinlegten: Wie Saxofonist und Musiklehrer Peter Gründl, Posaunist Alfred Menzinger, Saxofonistin Stephanie Lottermoser, Schlagzeuger Falk Willis, Pianist Sebastian Höß und die Jazzmusiker Benedikt Jahnel und Benny Schäfer ( max.bab).

Nicolaescu sagte, sein Leben sei sehr farbig gewesen, und besonders stolz sei er darauf, dass er sich treu geblieben und sich nicht vom rumänischen Regime habe vereinnahmen lassen. Bescheiden lenkte er von seiner Person ab und richtete stattdessen den Blick auf seine Bandmitglieder, die er namentlich und mit originellen Charakterisierungen vorstellte.

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