Instrumentenbau:"Man pumpt ein Instrument ja nicht auf"

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"Southbrass" haben 2018 den "Grand Prix der Blasmusik" gewonnen. An diesem Freitag spielen sie beim Geretsrieder "Isarsommer". (Foto: Paul Gärtner/oh)

Blasmusik ist keine Frage der Lungenkapazität, sagt Gerhard Meinl. In Geretsried wird gerade eine Tuba für Frauen in den USA entwickelt. Die Formation "Southbrass" aus Südtirol hingegen hätte derzeit keine Verwendung dafür.

Interview von Stephanie Schwaderer, Geretsried

Blasmusik ist nicht von gestern. Sie habe "gefühlvolle, schimmernde, schmissige, glänzende, lebhafte, freundschaftliche und spaßige Facetten", schwärmt die Südtiroler Formation Southbrass auf ihrer Webseite. Wer sich davon überzeugen möchte, ist am Freitag, 1. September, zu einem Freiluftkonzert in der städtischen Musikreihe "Isarsommer" vor dem Geretsrieder Rathaus eingeladen. Partner bei diesem Gastspiel ist der Geretsrieder "Buffet Crampon Showroom" (ehemals Wenzel Meinl), wo unter anderem die bekannten Melton-Tuben produziert werden. Die SZ sprach mit Gerhard Meinl, dem langjährigen Geschäftsführer der Wenzel Meinl GmbH und Vorsitzenden des Bundesverbands der deutschen Musikinstrumentenhersteller.

SZ: Herr Meinl, würden Sie Southbrass am Klang erkennen?

Gerhard Meinl: Da bin ich natürlich voreingenommen, weil ich weiß, dass es unsere Instrumente sind. Aber ich kann der Performance am Freitag auf alle Fälle ganz entspannt und voller Vorfreude entgegensehen.

Gerhard Meinl in seinem Büro. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Man weiß von Ihnen, dass Sie in Klassikkonzerten gerne ganz vorne sitzen, um zu sehen, wer auf einem Ihrer Instrumente spielt...

Nicht nur in Konzerten! Das mach ich auch, wenn ich fernsehe. Beim Neujahrskonzert krieche ich regelrecht an den Bildschirm. Einige Instrumente erkennt man leicht an ihrer Bauart, manchmal aber muss man schon ganz genau hinschauen, und das tu ich gerne.

Mit welchem Blechblasinstrument kann man auf Anhieb am meisten Eindruck schinden?

Das ist immer noch die Trompete. Sie ist ein Lead-Instrument, das führende Blasinstrument in allen Formationen. Aus tiefstem Herzen würde ich natürlich sagen: die Tuba, aber das wäre wirklich sehr subjektiv.

Optisch macht sie auf alle Fälle am meisten Eindruck.

Ja, aber sie ist halt kein typisches Solo-Instrument.

"Man möchte ja auch ein bisserl Gschistlgschastl machen."

Nicht nur die Tuba, alle Blechblasinstrumente scheinen nach wie vor fest in Männerhand zu sein. Täuscht dieser Eindruck?

Das kann man schon so sagen. Aber die bayerischen Blaskapellen werden allmählich weiblicher. Dort übernehmen die Frauen schon lange die Holzblasinstrumente, also Klarinette oder Flöte. In den englischen Brassbands gibt es demgegenüber nur Blechblasinstrumente, und dort hat man seit einigen Jahren tatsächlich das Problem, dass zu wenig Frauen dabei sind. Man möchte ja auch ein bisserl Gschistlgschastl machen...

Ein bisserl was?

Ich nenn das Gschistlgschastl - ein bisserl Witz, ein bisserl charmieren. Deshalb bemüht man sich in England seit einiger Zeit, manche Instrumente auch mit Frauen zu besetzen, damit das ein gesellschaftliches Gemeinschaftserlebnis wird. Bei uns haben sich die Grenzen schon deutlich stärker aufgelöst. Vor fünf Jahren hat erstmals eine Frau im Fach Trompete beim ARD-Musikwettbewerb einen ersten Preis gewonnen.

Beruht diese Grenze nur auf Konvention? Oder hat sie auch etwas mit dem Lungenvolumen zu tun?

Nein, man pumpt ein Instrument ja nicht auf, man gibt über die Lippen einen Ton hinein. Das können Frauen so gut wie Männer. Speziell bei der Tuba, das muss man sagen, könnten Frauen allerdings ein Transportproblem haben. Eine B-Tuba wiegt um die zwölf Kilo. Wenn man sie auf dem Schoß hat, ist das wurscht. Aber wenn man sie lange tragen oder mit ihr showmäßig aufstehen muss, dann hat das schon Gewicht.

Die Buffet Crampon Gruppe baut in Geretsried auch Tenorhörner, Basstrompeten oder Cimbassi. Der Verkaufsschlager ist aber nach wie vor die Tuba. Hat sie einen besonderen Klang?

Zum einen das. Zum anderen machen wir hier Maßanfertigungen. Manche Musiker warten eineinhalb Jahre auf ein solches Instrument.

Wer braucht eine Maßanfertigung?

Gerade hatten wir Besuch von der bekannten amerikanischen Tuba-Spielerin und Professorin Velvet Brown. Um ihren Posten an der Pennsylvania State University zu behalten, muss sie eine bestimmte Mindestanzahl von Studenten unterrichten. Bedingt durch den demografischen Wandel, gab es in den vergangenen Jahren aber immer wieder zu wenig Tubaspieler, weshalb sie nun vermehrt Tubaspielerinnen rekrutiert. Die aber haben meist kleinere Hände und halten das Instrument auch anders. Da sind wir nun dabei, eine Tuba zu entwickeln, die diesen Bedürfnissen gerecht wird.

Gerhard Meinl (CSU). (Foto: Privat/oh)

Eine Frauen-Tuba?

Nicht nur. Auch Latinos und Japaner werden an diesem Instrument womöglich ihre Freude haben.

Ist so etwas dann ein klassischer Fall für die Abteilung Forschung und Entwicklung, die auch in Geretsried angesiedelt ist?

Richtig. In einer ähnlichen Größenordnung bewegt sich ein Projekt, das wir mit einem französischen Tubisten von der Oper entwickeln. Er möchte eine Kinder-Tuba haben. In den Musikschulen in Frankreich beginnen angehende Tubisten bislang mit dem Euphonium oder dem Bariton-Horn und nicht gleich mit dem richtigen Instrument. Es geht also darum, eine kleine und zugleich noch bezahlbare Tuba zu entwickeln.

Und die klingt dann noch wie eine Tuba?

Ja. Vielleicht nicht wie eine Bass-Tuba bei Wagner, aber sie wird ohne weiteres einsetzbar sein. Wir haben ja schon eine Reise-Tuba entwickelt. Die brauchen Musiker, wenn sie mit dem Flugzeug unterwegs sind und sie erst zwei Tage später in der Halle zu ihrem Instrument kommen. Die Reise-Tuba passt ins Handgepäckfach, man kann im Hotel sofort zu üben anfangen. Mit der Frauen-Tuba reagieren wir jedenfalls auf ein aktuelles Bedürfnis in den amerikanischen Universitäten.

In Südtirol gibt es dieses Problem offenbar nicht. Southbrass besteht aus sieben Männern und kommt ganz ohne Gschistlgschastl aus.

Ja, das sind typische Südtiroler! Ganz fröhlich und mitreißend. Diese kleinen Besetzungen sind derzeit sehr populär, sie spielen bei Volks- und Weinfesten, sind natürlich billiger und leichter einzusetzen als größere Blasorchester. Mit Tromposound haben wir eine ähnliche Formation bei uns im Landkreis.

Wie würden Sie die Musik der Südtiroler charakterisieren?

Flott, schmissig, gute Musik. Die machen Stimmung.

An welche Zielgruppe richten sie sich?

Von Jung bis Alt. Blasmusik ist wieder populär geworden. Dazu haben auch Formate wie das Woodstock der Blasmusik beigetragen, das seit 2011 im Innkreis gefeiert wird. Das wird von Profis aufgezogen, da spielen dann auch Musiker der Wiener Philharmoniker mit, das ist sehr österreichisch, prägt aber die ganze Blasmusikszene bei uns im Süden.

Werden Sie am Freitag in Geretsried dabei sein?

Ja freilich!

Isarsommer mit Southbrass, Freitag, 1. September, 19 Uhr, Karl-Lederer-Platz 1, Geretsried, bei schlechtem Wetter im Ratsstubensaal, Eintritt frei, um Reservierung wird gebeten unter kultur@geretsried.de oder 08171/62 98 161.

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