SZ-Serie "Klingende Namen":Auf Augenhöhe mit den Virtuosen

Lesezeit: 4 min

Die frühere Manufaktur Wenzel Meinl ist heute Teil der weltweit agierenden Buffet Crampon Gruppe. Aufsichtsrat Gerhard Meinl hat das Handwerk noch selbst erlernt

Von Felicitas Amler

Graslitz, tschechisch Kraslice, ist seit Jahrhunderten als Instrumentenbauer-Zentrum berühmt. Aus dem Städtchen im Egerland kamen nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten deutschen Vertriebenen nach Geretsried. Und da nicht wenige von ihnen Noten, Werkzeug und vor allem Wissen mitgebracht hatten, entwickelte sich auch die heute mit 26 000 Einwohnern größte Stadt im Landkreis zu einer guten Adresse für Musiker, die ein Instrument suchen.

Im Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker sitzt Gerhard Meinl immer möglichst weit vorn. Er will nicht nur hören, sondern auch genau sehen: Welcher der ihm gut bekannten Bläser spielt welches der ihm genauso vertrauten Instrumente? Es ist eine professionelle Neugier. Denn viele der Blasinstrumente kommen aus "seinem" Haus. Gerhard Meinl, der an diesem Sonntag 64 Jahre alt wird, ist der Enkel von Anna und Wenzel Meinl - studierter Jurist, gelernter Metallblasinstrumenten- und Schlagzeugbauer, Unternehmer, Aufsichtsrat. Unter dem Namen seines Großvaters Wenzel hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine Manufaktur für Blasinstrumente in Geretsried etabliert. Ursprünglich war die Musikinstrumentenbau-Werkstatt 1810 im böhmischen Graslitz unter dem Namen Langhammer gegründet worden. In diesen Betrieb heiratete der Kaufmann Wenzel Meinl (1892 bis 1958) ein. Nach der Vertreibung landete die Familie in Osterhofen (heute Gemeinde Königsdorf) und die Instrumentenproduktion schließlich in Geretsried.

Heute ist Wenzel Meinl Teil der großen, international tätigen und zwölf Instrumenten-Marken umfassenden Gruppe Buffet Crampon (BC) mit tausend Mitarbeitenden. Aus dem kleinen Unternehmen an der Isar ist ein zentraler und bedeutender Standort der Gruppe geworden, deren Vertrieb von Island bis Australien und von den USA bis nach Japan reicht. In Geretsried werden mit einem 35-köpfigen Personalstamm drei wesentliche Bereiche unter einem Dach vereint: die Produktion von Instrumenten der Marke Melton Meinl Weston; Forschung und Entwicklung für die gesamte BC-Gruppe; der Vertrieb für Deutschland, Österreich und den Osten bis Wladiwostok sowie ein damit verbundener Showroom.

"Immer noch derselbe Bunker"

Dieser Showroom ist das Herz- und Prunkstück des Gebäudes am Seniweg 4 im südlichen Geretsried. Wie so vieles in der nach dem Zweiten Weltkrieg von deutschen Vertriebenen aufgebauten Stadt ist auch Wenzel Meinl in ehemaligen Bunkern der NS-Rüstungsbetriebe gegründet worden - zunächst an der Wallensteinstraße, dann am Seniweg. "Der Kern des Gebäudes ist immer noch ein und derselbe Bunker", liest man dazu in der Betriebschronik, "die große Montagewerkstatt gleicht der aus der Anfangszeit, denn an der grundsätzlich handwerklichen, meisterlichen Ausrichtung hat sich bis heute nichts geändert."

Was sich hingegen geändert hat, ist die Präsentation. Der rund 300 Quadratmeter große Showroom im "Wenzel Meinl-Haus der Musik" ist in der jetzigen Form vier Jahre alt - und er ist essenziell für die internationale Strahlkraft des Standorts. Gerhard Meinl kann stolz sagen, in jedem bedeutenden Orchester der Welt säßen Musiker, die Geretsried kennten. Denn hier können sie aus einer Fülle von 250 Instrumenten wählen, Klarinetten, Saxofonen, Trompeten, Hörner, Tuben ... Sie können die einzelnen Produkte in Ruhe ausprobieren und so das genau zu ihnen passende Instrument finden.

Täglich seien Musiker aus aller Welt zu Gast, sagt Meinl. Vertriebs- und Marketingchef Volkmar Kühnle illustriert dies so: "Vom Professor aus Italien bis zur Klarinettistin aus Königsdorf" könne jede und jeder den Showroom nutzen. Schließlich reiche das Spektrum der Preise von einer Schüler-Klarinette für 500 Euro bis zum 36 000 Euro teuren Bass-Saxofon für Profis. Vor Kurzem konnten Besucher etwa Alessandro Fossi begegnen, der inmitten verschiedener Tuben saß und ein neu entwickeltes Modell spielte. Der Italiener unterrichtet Tuba am Konservatorium Claudio Monteverdi in Bozen und spielt im Orchester des Teatro Comunale di Bologna.

Alessandro Fossi probiert die neueste Tuba aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Gerhard Meinl begrüßt den Gast freundschaftlich-vertraut und nimmt seine Tuba-Probe zum Anlass, ein wenig über die Entwicklung dieses Instruments zu plaudern. Ganz früher habe die Tuba ja sehr unschön "bru-bru" gemacht, sagt Meinl, und dass dies nicht mehr so sei, dazu habe die hauseigene Entwicklung durchaus beigetragen. Dieses "Bru-Bru", das Meinl anstimmt, klingt sehr nach Humba-Humba-Musik. Wodurch das Gespräch rasch auf traditionelle Blasmusik kommt. Volkmar Kühnle nennt es ein Kennzeichen des Unternehmens, dass es Tradition und Moderne - alte Handwerkskunst und innovative Messtechniken - vereine. Was sich im Wesentlichen an einem Blasinstrument verändern lasse, so Meinl, sei der Zuschnitt. Er vergleicht den Instrumentenbau mit der Kreation von Kleidungsstücken. Manches sei eben heute "anders tailliert", sagt er. "Und das braucht viel trial and error." Soll heißen: viel Forschung und Entwicklung, wie sie im Hause Meinl praktiziert wird.

Musikgruppe "Sesam"

Zur guten alten Zeit des Unternehmens gehört Gerhard Meinls Jugend, als dieser noch selbst Trompete spielte. Kirchenmusik hätten sie gemacht, sagt er und zählt die Mitglieder des Ensembles auf, dessen Name Sesam sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen ergeben hatte: Hubert Schenk, Peter Engelmann, Rudi Schenk, Rainer Adamek, Gerhard Meinl. Alte Fotos zeigen die Combo mit Schlaghosen und großen Hemdkragen - und Meinl schon damals im feinen Zwirn.

Heute ist Meinls musikalische Neigung eher konsumtiv. Gern zeigt er sich auf Facebook als Besucher der Salzburger Festspiele, des Richard-Strauss-Festivals in Garmisch oder eben in Konzerten der Wiener Philharmoniker. Sein Marketing-Chef würdigt Meinl als profunden Kenner der klassischen Musik und ihrer Instrumente, auch dies mache das Unternehmen aus, sagt er: "Er kann sich nahezu mit jedem Musiker dieser Welt auf Augenhöhe unterhalten." Dass er zudem das Handwerk beherrscht, schildert Meinl selbst mit einer Anekdote. Zehn Jahre, nachdem er 1981 ins Unternehmen eingestiegen war und eine Lehre absolviert hatte, übernahm er den ehemaligen Volkseigenen Betrieb (VEB) Blechblas- und Signalinstrumente Markneukirchen-Klingenthal. Bei einem Besuch in der dortigen Werkstatt habe er einem Instrumentenbauer beim Löten zugeschaut, ihm vorgehalten, das sei ja geschmiert statt gelötet, und ihm demonstriert, wie es richtig gehe. Meinl lacht: "Da hatte ich aber vorher noch einmal ordentlich geübt."

Gerhard Meinl in seinem Büro. (Foto: Harry Wolfsbauer)
© SZ vom 04.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: