Geretsried:Gewerbesteuer steigt

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Finanzausschuss stimmt für eine Anhebung auf 380 Punkte und folgt somit Bürgermeister Müller. Nur die Freien Wähler sind dagegen.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Erhöhung der Geretsrieder Gewerbesteuer von 320 auf 380 Prozent wird kommen. Das ist nach der Haupt- und Finanzausschuss-Sitzung des Stadtrats vom Dienstag klar. Bürgermeister Michael Müller (CSU) hat die Unterstützung der Mehrheit aus CSU, SPD und Grünen für seine Absicht, mit höheren Gewerbesteuereinnahmen langfristig Investitionen für die Stadt, von Schulsanierungen über Flüchtlingsunterkünfte bis zur S-Bahn-Infrastruktur, abzusichern. Müller spricht von einer überfälligen Konsolidierung. Einzig die Freien Wähler (FW) votierten gegen die Anhebung des Steuersatzes. Ihr Sprecher Robert Lug heimste mit einer Darlegung, wie darauf verzichtet werden könnte, Applaus aus dem Zuschauerraum ein. Dort saß eine Abordnung der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG), die in den Tagen vor der Sitzung massiv versucht hatte, Einfluss auf die Lokalpolitik zu nehmen. Am CSU-Stammtisch hatte IGG-Sprecher Jochen Pelz davon gesprochen, es drohe der Verlust von bis zu 1000 Arbeitsplätzen, weil Betriebe abwandern würden. Lug, früher selbst Vorsitzender der IGG, sagte am Dienstag, die Geretsrieder Unternehmen würden bereits "ordentlich gemolken".

Vier Millionen Euro für Asylunterkunft seien "überflüssig", sagt Lug

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Nach Ansicht des FW-Sprechers sollten nicht die ortsansässigen Betriebe "geschröpft", sondern Unternehmen aus München abgeworben werden. Er riet dem Rathaus, "dort aggressiv ranzugehen". Lug hatte außerdem einige Punkte im Haushaltsentwurf 2016 so verändert, dass Millionen einzusparen wären. Er setzte am Ansatz für die Personalkosten an: Von den 7,75 Millionen Euro könne man seiner Ansicht nach getrost zehn Prozent wegnehmen, da ohnehin nie alle Planstellen besetzt seien. Kämmerer Helge Balbiani ging dazwischen und sagte: "Dann muss ich sofort das Stellenbesetzungsprogramm stoppen." Lug insistierte, und Balbiani sagte: "Sie können das beschließen, aber ich sage Ihnen: Das ist gefährlich."

Einen zweiten großen Brocken wollte Lug komplett entfernen: die vorsorglich für eine Asylbewerberunterkunft auf der Böhmwiese eingeplanten vier Millionen Euro. Lug nannte das Vorhaben "völlig überflüssig". Die Stadt solle dergleichen der Baugenossenschaft (BG) überlassen. Dagegen argumentierten CSU-Sprecher Volker Reeh und Bürgermeister Müller. Reeh sagte, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass die Stadt für anerkannte Flüchtlinge sorge, die auf dem freien Markt keine Wohnung bekämen. Allerdings wolle man sich die Böhmwiese - Standort des künftigen S-Bahnhofs - nicht dauerhaft verbauen. Genau deswegen sei die Unterkunft keine Aufgabe für die BG. Weder sei ein nötiger Erbpachtvertrag zwischen Stadt und BG für das Grundstück auf fünf Jahre zu befristen noch eine Baufinanzierung. Müller warnte davor, das Problem der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge kleinzureden. In diesem Punkt gab FW-Stadtrat Lorenz Weidinger ihm Recht: "Hier denkt der Bürgermeister schon sehr weit", sagte er und erkannte die Notwendigkeit an, einen Bau auf die Böhmwiese zu stellen, "um gewappnet zu sein".

"Sie spielen mit dem Feuer", sagt Bürgermeister Müller

Reeh sagte, Lug habe sich viele Gedanken über den Haushalt gemacht, manches sei auch überlegenswert. Allerdings zählte er eine Reihe dringend erforderlicher Ausgaben der nächsten Jahre auf, darunter die Aufstockung der Karl-Lederer-Schule, die Sanierung der Mittelschule, das neue Hallenbad als einzige Sportstätte, die jedem Geretsrieder, von Klein bis Groß, zugutekomme, und schließlich die gesamte Infrastruktur für die S-Bahn. "Wie wir das alles schaffen wollen mit Ihrer Kalkulation", sagte er zu Lug, "da sehe ich große Schwierigkeiten."

Müller gab zu, die Anhebung des Steuersatzes sei "schmerzhaft", umso mehr, als so viele Jahre nichts in dieser Richtung unternommen worden sei. Er halte sie für erforderlich, um auf absehbare Zeit Liquidität zu schaffen. Müller nannte drei Ziele seiner Haushaltspolitik: soziale Ausgewogenheit, Sicherung des Wirtschaftsstandorts und Handlungsfähigkeit für die nächsten Jahre. Wegen Lugs Vorschlägen zu Personalausgaben und Flüchtlingsunterkünften sagte der Bürgermeister: "Sie spielen an der Stelle mit dem Feuer."

Für die Grünen erklärte Detlev Ringer, Lugs Forderungen erschienen "nicht ganz seriös", da er - anders als das in der Haushaltsplanung geschieht - keine Übersicht bis 2019 gegeben habe.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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