Auszeichnung für einen Geretsrieder Betrieb:Ausgeklügeltes Nicht-Design

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Mit dem Modell "Task Light" hat Günter Klügl aus Geretsried gewonnen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Günter Klügl aus Geretsried hat den German Design Award gewonnen. Prämiert wurde ausgerechnet ein Produkt, bei dem nicht die Gestaltung im Vordergrund stand, sondern der Lichteffekt.

Von Quirin Hacker, Geretsried

Günter Klügl kann es kaum glauben. Mit seiner Firma "Nodesign" hat er eine Lampe entwickelt, die den German Design Award gewonnen hat. Die Jury hat sein Modell "Task Light" zum Gewinner der Kategorie "herausragendes Produktdesign" im Bereich Licht erklärt. Dass diese Auszeichnung an einen Betrieb mit sieben Mitarbeitenden geht, die jede einzelne Leuchte in einer Geretsrieder Werkstatt händisch zusammenlöten, hat Klügl überrascht. Als Chef fuhr er persönlich nach Frankfurt, um seine Task Light neben den 15 anderen nominierten Modellen anzubringen, die serienmäßig von namhaften deutschen und internationalen Herstellern produziert werden. Zwei Wochen später kam die Nachricht: Er habe gewonnen.

Günter Klügl arbeitet an einem ehemaligen OP-Tisch. (Foto: Hartmut Pöstges)

Klügl stellt die Task Light vor, die in seiner Werkstatt nahe der Tür an der Decke hängt. Angeschaltet wird sie mit einem kleinen weißen Kästchen, das an der Wand kaum auffällt und gleich mehrere Leuchten steuert. Mit einer Bewegung ändert er Lichtfarbe und Intensität. 16 Leuchtdioden (LED) scheinen durch eine halbtransparente Prismenabdeckung. Die Membran bricht das Licht und erzeugt einen Effekt, der an ein Hologramm erinnert. Ein Teil der Strahlen fällt auf die Wand über der Lampe und erhellt den Raum indirekt. Umgeben ist die Prismenabdeckung von verspiegeltem Plexiglas in schlichter rechteckiger Form. Sieben Jahre lang hat Klügl an der Task Light getüftelt, sie ständig modifiziert und verbessert. Gestaltung passiert bei ihm im Prozess, nicht am Computer.

In seiner Werkstatt sieht es nach Arbeit aus. Und nach Umbau. In Kürze wird der Nebenraum frei, der als Abstellfläche und Materiallager dienen soll. Das alte Lager soll einem Büro weichen. Wegen des Umbaus liegen Plexiglasplatten mit Schutzfolie und Aluprofile auf der Arbeitsfläche in der Mitte des Raums. Klügl sitzt an einem höhenverstellbaren Tisch, der einst in einer Praxis für Schönheitschirurgie stand, und lötet. Ein Fettabsauggerät wollte ihm der Arzt gleich mitgeben. Das konnte er jedoch nicht brauchen.

Die Qualität der VEB-Produkte

Die Ausstattung der Werkstatt ist eine wilde Mischung. Auf einem grünen Metallschrank steht "Volkseigener Betrieb Leipzig". Viele Möbel hat Klügl von ostdeutschen Flohmärkten. Er ist kein Ostalgiker, sondern mag die Qualität: "So etwas wird heute nicht mehr produziert." Es gefällt ihm auch das funktionale Design, das vom Bauhaus inspiriert ist.

Funktional sind auch seine Leuchten. Nicht ohne Grund heißt der Betrieb Nodesign, was sich mit "Nicht-Gestaltung" übersetzen lässt. "Das Besondere sind das Licht und die Stimmung im Raum, aber nicht die Leuchte als Objekt", erklärt Klügl. Die Lampe soll nicht als Ding auffallen, sondern sich dezent in ihre Umgebung einfügen. Integratives Design heißt dieser Ansatz. Deshalb arbeitet Klügl gern mit Spiegeln, die ihre Umgebung reflektieren und so mit ihr verschmelzen. Die Formen der Leuchten wirken zurückhaltend. "Wenn man in jedem Zimmer eine andere Lampe hat, schaut das Haus schnell aus wie ein Lampenladen." Klügls Kunden wollen keine extravaganten Schirme, sondern ein schönes Licht, das ihre Wohnung in Szene setzt.

Vom Elektrotechniker zum Designer

Früher war Klügl Elektrotechnik-Meister in Münsing und leitete einen Betrieb mit zehn Mitarbeitenden. Lösungen für die richtige Beleuchtung zu finden, war für ihn schon damals der spannendste Aspekt an seiner Tätigkeit. "Irgendwann waren meine Ideen so weit, dass man mich als Elektriker kaum noch ernst nehmen konnte", so der 59-Jährige. "Wie kann ein Elektriker Designideen umsetzen, die so raumumfassend sind, dass sie sich auf Boden, Wandgestaltung und Möbel auswirken?" Sein Berufsbild war ihm zu eng, deshalb wechselte er. Außerdem habe er keine Steckdosen mehr sehen können, sagt Klügl. Mit 50 gab er sein Elektro-Unternehmen auf und vertiefte sich in das, was ihm am meisten Freude machte: Lichtdesign.

Den ersten großen Auftrag erhielt er auf eigene Initiative. Er gestaltete das Licht im Eingangsbereich der Bayerischen Landesbank und den Treppenaufgang zur Börse im selben Gebäude. "Da bin ich reinmarschiert und habe gesagt: Das müsst ihr erneuern." Er baute ein Modell im Maßstab eins zu zehn und überzeugte so seine Auftraggeber.

Noch heute legt Klügl Wert auf persönlichen Kontakt zu seinen Kunden. Durch ganz Deutschland reist er zu ihnen, um sich an Ort und Stelle einen Eindruck von den Räumen zu verschaffen. Jede Lampe ist eine Einzelanfertigung, mit Raum für individuelle Wünsche. Handgemachte Designerleuchten muss man sich jedoch leisten können. Zwischen 900 und 3000 Euro kosten seine Produkte. Nach oben hin ist die Grenze jedoch offen.

Neue Designideen entwickelt er nachts. "Ich kann dann nicht mehr aufhören, bis das Teil mit der letzten Schraube durchkonstruiert ist." Die Idee fließt am nächsten Tag auf Papier, dann in ein Computermodell und schließlich in einen Prototyp. Inzwischen hat er 42 Modelle ausgeklügelt. Für ihn seien sie wie seine Kinder, sagt er.

Keine Serienproduktion

Um spontan zu bleiben, plant Klügl seine Termine nicht länger als zehn Tage voraus. Selbst wenn es nach der Preisverleihung nun Aufträge hageln sollte, möchte er nicht von seinem Kerngeschäft abrücken, dem individuellen Auftrag und der Handarbeit. Das Einkommen stehe für ihn nicht im Vordergrund, sondern der Spaß am Konstruieren, sagt er. Falls seine Task Light populär wird und die Nachfrage steigt, möchte er keine serienmäßige Produktion starten. Jedoch kann er sich vorstellen, ein Lizenzabkommen mit einer anderen Firma abzuschließen, die das Modell produziert. Bis dahin sei er zufrieden mit den bis zu 50 Leuchten, die monatlich seine Geretsrieder Werkstatt verlassen.

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