Führerscheinneulinge:Jung und unerfahren

Lesezeit: 2 min

Drei Jugendliche sind seit 2014 im Kreis tödlich verunglückt. Anfängerinnen sind immer gefährdeter, weil sie häufiger zum Handy greifen und Unfälle bauen. Eine Ausstellung in Wolfratshausen will Schüler aufrütteln.

Von Lea Utz, Wolfratshausen

Sissi ist 16 Jahre alt, als sie und ihr Freund mit einem Bekannten ins Kino unterwegs sind. Der Fahrer ist jung, er ist unerfahren - und verliert die Kontrolle über sein Auto. Sissi und ihr Freund sind nicht angeschnallt. Sie sterben noch an der Unfallstelle.

Elena Kinkeldey ist genauso alt wie Sissi, sie besucht die zehnte Klasse am Gymnasium St. Matthias in Wolfratshausen. Dort erzählt eine kleine Ausstellung des ADAC seit Mittwoch von den Schicksalen sechs verunglückter Jugendlicher. "Sissis Geschichte hat mich besonders betroffen gemacht", sagt Elena. Sie sei die Jüngste in ihrem Freundeskreis und werde in Zukunft oft bei Freunden mitfahren - so wie Sissi. "Wenn man so darüber nachdenkt, ist das schon krass."

Mit der Wanderausstellung will der ADAC Fahranfänger zum Nachdenken bringen, denn noch immer kommen besonders viele junge Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. "Das Risiko von 18- bis 24-Jährigen, tödlich zu verunglücken, ist drei Mal so hoch wie bei allen anderen Altersgruppen", sagt Manfred Sensburg, Vorstandsrat des ADAC Südbayern. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sind in den vergangenen beiden Jahren drei junge Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Rund 1300 Jugendliche machen jedes Jahr den Führerschein - und jedes Jahr verzeichnet die Polizei rund 200 Unfälle, an denen Fahranfänger beteiligt sind.

Dabei sei häufig zu beobachten, dass Jugendliche ohne Fremdeinwirkung von der Straße abkämen, sagt Georg Fischhaber, Sachgebietsleiter für Verkehrssicherheit im Landratsamt. "Da spielt zum einen die Geschwindigkeit, aber auch immer mehr die Ablenkung zum Beispiel durch das Smartphone eine Rolle."

ADAC-Vorstandsrat Sensburg verfolgt diese Entwicklung ebenfalls mit Sorge. Smartphones seien nicht nur hinter dem Steuer gefährlich. Auch immer mehr Fußgänger seien so mit den Geräten beschäftigt, dass sie "völlig blind durch den Straßenverkehr irren". Mädchen und junge Frauen greifen unterwegs besonders oft zum Handy: Laut Sensburg verunglücken zwar immer noch mehr männliche als weibliche Jugendliche, doch der Unterschied schwindet. "Durch die Smartphone-Nutzung holen die Mädels ganz klar auf."

Aus Sicht des Verkehrsbeauftragten Fischhaber hat die Politik bereits einiges getan, um das Unfallrisiko junger Fahrer zu senken: "Der Führerschein mit 17 ist eine gute Geschichte." Auch Aufbauseminare, die Autofahrer nach Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung belegen müssen, seien eine sinnvolle Maßnahme. "Im Landkreis gibt es außerdem verschiedene präventive Projekte." Dazu gehöre auch der Aktionstag "Junge Fahrer", den die Kreisverkehrswacht am 12. Oktober am Geretsrieder Gymnasium und am 13. Oktober an der Berufsschule in Wolfratshausen organisiert. Die Jugendlichen sollen sich dabei aktiv mit den Risiken im Straßenverkehr auseinandersetzen - unter anderem mithilfe eines Überschlagsimulators.

Die Hoffnung der Initiatoren all dieser Aktionen ist es, die Jugendlichen zum Nachdenken zu bringen. Bei der ADAC-Ausstellung "Schatten - Ich wollte doch leben!" am Gymnasium St. Matthias scheint das funktioniert zu haben: "Gerade als Fahranfänger macht man sich da schon seine Gedanken", sagt der 17-jährige Lukas Thalbauer. Er deutet auf eine der lebensgroßen Silhouetten, die für das Schicksal eines verunglückten Jugendlichen stehen. "Da wird einem schon bewusst, was alles passieren kann." Auch sein Klassenkamerad Matthias Huber findet die Ausstellung gelungen - er hat jedoch Zweifel, ob sie viel bewirken kann: "Ich glaube, die Effizienz hält sich in Grenzen."

Den Anstoß für die Zusammenarbeit der Schule mit dem ADAC gab der Lehrer Hans Bobe, der Sicherheitsbeauftragte des Gymnasiums. Er teilte bei der Eröffnung der Ausstellung auch seine eigene Geschichte mit den Schülern. "Ich denke jeden Tag an meinen Bruder", sagte er in einem eindringlichen Appell. Sein Bruder starb als junger Mann - als Beifahrer in einem Auto, "viel zu schnell in der Kurve".

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: