Freilichtmuseum Glentleiten:Wie es einst um die Hygiene im "Brennpunkt Bett" bestellt war

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Die Sonderschau "Sauberkeit zu jeder Zeit" im Freilichtmuseum Glentleiten beleuchtet Hygiene-Konzepte der vergangenen 150 Jahre.

Von Stephanie Schwaderer, Großweil

Was ist sauber und hygienisch? Fünfmal täglich Händewaschen und dazu Happy Birthday singen? Kühlschrank und Klosett konsequent chemisch keimfrei halten? Oder sollte man nicht doch besser raus in die Natur, rein in den Matsch, das Immunsystem trainieren? Fragen wie diese sind nicht erst seit Corona virulent. Dies führt eine Sonderschau im Freilichtmuseum Glentleiten vor Augen. Sie heißt "Sauberkeit zu jeder Zeit!" und befasst sich, so der Untertitel, mit der "Hygiene auf dem Land".

Der titelgebende Spruch steht säuberlich mit blauem Garn in ein Ziertuch gestickt, das aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt. "Das ist unser Leitobjekt", erklärt Jan Borgmann. Vor etwa 150 Jahren seien die Themen Sauberkeit und Gesundheitsfürsorge bei der Landbevölkerung angekommen. Borgmann, Leiter der volkskundlichen Sammlung auf der Glentleiten, hat die Wanderausstellung gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgemeinschaft Ausstellung süddeutscher Freilichtmuseen konzipiert. Sie umfasst weit über 100 Objekte, viele Schwarz-Weiß-Fotografien und Lesestoff, der für gut eineinhalb lehrreiche Stunden reicht.

Wohin die Reise in die Vergangenheit geht, lässt eine grazile weiße Wäschepresse aus den 1950er-Jahren an der Eingangstür erahnen. "Frauenlob" heißt das gute Stück, wie auf einem roten Signet zu lesen ist. "Lange Zeit war Hygiene weiblich", sagt Borgmann. Frauen waren fürs Putzen ebenso verantwortlich wie für das Einwecken der Lebensmittel, die Pflege der Kleidung oder das Leeren der Spucknäpfe.

Mitleid mit allen Vorfahrinnen erweckt der Themenbereich Waschen, dem die Ausstellungsmacher gleich zwei Abteilungen eingeräumt haben. "Montag war Waschtag, aber nur einmal im Monat", sagt Borgmann. "Das war ein riesen Aufwand für die Frauen." Bevor die Höfe über fließend Wasser oder gar eine Waschküche mit Kessel, Wannen und Waschtisch verfügten, mussten die Frauen die Schmutzwäsche oft zum nächsten Bach oder Fluss schaffen. Zum Transport diente eine einfache Bretterkonstruktion, die sie dann am Ufer als Kniehilfe nutzen konnten - schon der Anblick schmerzt in den Knochen.

Das Rumpeln, Stampfen, Bürsten und Wringen wurde nach und nach von Maschinen übernommen. In der Sonderschau ist etwa eine Tischwaschmaschine mit Handbetrieb zu sehen. Ob sie die Bäuerin einst entzückt hat? Oder ein großes, verdeckeltes Holzfass mit eingebautem Rührwerk, das über eine Kurbel von Hand betrieben wird. "Genau so eine musste ich als Kind drehen", erinnert sich ein älterer Herr in der Ausstellung. "Das heiße Wasser, der Dampf, es war furchtbar. Ich habe es gehasst."

Eine heitere Note bringt ein Lehrfilm aus den 1940er-Jahren in die Wäscheecke. Der Schwarz-Weiß-Film sei damals an Schulen gezeigt worden, sagt Borgmann. Eine grobschlächtige Haushaltshilfe ruiniert mit ihren althergebrachten Methoden die schönen Wollsocken. Zum Glück ist die strahlende Hausfrau zur Stelle - und technisch up to date.

Dass die Ausstellungsmacher Spaß an ihrer Arbeit hatten, verraten einige Titel der 13 Themenbereiche. Da gibt es etwa den "Brennpunkt Bett" oder die Küche - "Ort der täglichen Rauchvergiftung". Die bange Frage "Werden Frauen Männer einseifen?" ziert den optischen Höhepunkt: einen Friseursalon aus den 1950er Jahren, mit Volksempfänger, zwei Aschenbechern und einer Kiste zur Sterilisation der Geräte. An dieser Stelle habe auch er Neues gelernt, sagt Borgmann. "Bis zur Vorkriegszeit waren vor allem Männer als Bader und Friseure tätig, das hatte ich nicht gewusst." Sie brauchten nicht nur einen guten Magen - "die Haare wurden manchmal Monate lang nicht gewaschen". Das Handwerk sei auch gefährlich gewesen, weil man sich mit Hepatitis anstecken konnte. Erst durch den Männermangel nach dem Zweiten Weltkrieg hätten sich die Salons für Frauen geöffnet, die fortan auch gerne auf den schicken Sesseln Platz nahmen.

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Da das Thema Hygiene facettenreich und schier unerschöpflich ist, haben die Ausstellungsmacher ein ansprechend gestaltetes Buch zur Ausstellung herausgebracht. Auf 256 Seiten werden alle Themen noch einmal ausgeleuchtet, von den öffentlichen Badehäusern im Spätmittelalter bis zur Frage: "Wann wurde aus dem Abfall Müll?" Das Buch empfiehlt sich als Lektüre zu Hause. An der Glentleiten hingegen sollte man sich in das weitläufige Gelände locken lassen und die Nase in alte Stuben und rußgeschwärzte Küchen stecken. Die sieht man nach der Sonderschau tatsächlich mit ganz anderen Augen.

Freilichtmuseum Glentleiten, Großweil, bis 28. November. Alle Infos unter glentleiten.de

© SZ vom 23.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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