Eröffnung in Bad Tölz:Radlwerkstatt und sozialer Treff

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Die neue Fahrrad-Werkstatt im Bürgerhaus Lettenholz ist jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Ansprechpartner sind dort Bene Bärtle und Bernd Gassl (v.li.) von der Tölzer Jugendförderung. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Bürgerhaus im Tölzer Lettenholz soll zum Quartierszentrum werden. Ein erster Baustein ist das Angebot an die Bewohner der Viertels, ihre Fahrräder dort zu reparieren und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das kleine Mädchen hat ein großes Problem mit ihrem weiß-rosafarbenen Fahrrad. Vorne hängt die leere Fassung für das Licht lose herum, links geht die Handbremse nicht mehr. "Das ist aber gefährlich", sorgt sich Margot Kirste (FWG), Jugendbeauftragte des Stadtrats. Aber schon ist Armin Ebersberger zur Stelle. Mit einem Kabelbinder befestigt der kommunale Sozialplaner der Stadt das herumbaumelnde Plastikstück provisorisch am Rahmen, damit es nicht zwischen die Speichen geraten und einen Sturz verursachen kann. Und was die Handbremse angeht, ist das Mädchen im Jugend- und Bürgerhaus im Lettenholz ja an der richtigen Adresse: Dort wurde am Donnerstag eine Fahrrad-Werkstatt eröffnet, die künftig von allen Tölzern genutzt werden kann. Dies sei zugleich der Startschuss für das Projekt, das Bürgerhaus zu einem Quartierszentrum auszubauen, sagt Ebersberger.

Zu dem Termin kommt auch Zweiter Bürgermeister Andreas Wiedemann (FWG) mit dem Mountainbike. "Standesgemäß", scherzt er. Dieses Rad benutzt er nur noch im Stadtverkehr, ansonsten steigt er eher aufs E-Bike. Die Radlwerkstatt sei "etwas Besonderes", sagt Wiedemann. "Da treffen sich Jung und Alt, verschiedene Generationen." Er hoffe, dass dieses System auch funktioniere und das Ganze in der Bevölkerung gut ankomme. Denn dieses Angebot ist nicht bloß für Reparaturen, sondern vor allem auch zur Pflege sozialer Kontakte gedacht.

Im Lettenholz leben außer Tölzern viele Bewohner, die aus unterschiedlichen Nationen stammen. Hinzu kommen noch die Asylsuchenden, die auf der anderen Seite der Bundesstraße 472 in der Flüchtlingsunterkunft neben der Montessori-Schule leben und mangels Auto oftmals mit dem Rad unterwegs sind. Sie alle sollen sich in der Werkstatt treffen und miteinander ins Gespräch kommen. In der Gemeinschaftsunterkunft habe er bereits mit dem Leiter gesprochen und Flyer abgegeben, um auf die neue Offerte aufmerksam zu machen, sagt Bernd Gassl von der Tölzer Jugendförderung. "Aber ich muss schon nochmals hingehen."

"Da treffen sich Jung und Alt, verschiedene Generationen"

Im größten Raum des Bürgerhauses stehen zwischen der Theke und den drei Sofas zwei rote Ständer, auf denen die Fahrräder zur Reparatur aufgehängt sind. "Das ist sehr bequem, wenn ich mir das so anschaue", sagt Wiedemann. Geöffnet ist die Werkstatt jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr. Dann können die Radler unter Anleitung kaputte Ketten erneuern, platte Reifen flicken oder ein altes Pedal austauschen. Zupass kommt der Gruppe der Jugendförderung, dass sie mit Bene Bärtle zurzeit einen Praktikanten beschäftigt, der früher in einer Radlwerkstatt gearbeitet hat. Eines stellt Bernd Gassl allerdings klar: Das neue Angebot im Bürgerhaus sei keine Konkurrenz zu den kommerziellen Fahrradgeschäften in Bad Tölz. "Wir wollen Menschen in Kontakt bringen, die sonst keine Chance hätten, miteinander in Kontakt zu treten", sagt er. Außerdem handle es sich um "ein angeleitetes Herumschrauben". Anders ausgedrückt: Eine Hilfestellung gibt es bloß, wenn jemand ganz alleine nicht zurecht kommt. Die notwendigen Arbeitsgeräte sind vorhanden: Die Firma Paintinger & Nicolaus aus Greiling stellt mehrere Werkzeugkästen zur Verfügung.

Die Idee zu der Werkstatt hatten Ebersberger und die Mitarbeiter der Jugendförderung. Wenige Stunden vor der Eröffnung habe ihn eine Frau angerufen, die gebrochen Deutsch sprach, erzählt der kommunale Sozialplaner. Sie habe gar nicht glauben können, dass sie im Bürgerhaus nun ihr kaputtes Fahrrad instand setzen könne, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen. Gerade für Leute, die sich kein Auto leisten können, sei das Rad das einzige Fortbewegungsmittel, das jedoch wegen häufigem Gebrauch auch häufiger mal reparaturbedürftig sei, so Ebersberger. Für Stadträtin Camilla Plöckl (SPD), Vorsitzende des AK Radln, ist die neue Werkstatt eine feine Sache. "Wir unterstützen das voll da heroben", betont sie.

Neben dem Bürgerhaus steht inzwischen auch ein kleiner Bürocontainer. Damit werde gewährleistet, dass ein Mitarbeiter der Jugendförderung künftig "von Montag bis Freitag hier sein kann", sagt Ebersberger. Die Radlwerkstatt sieht er als "attraktiven Baustein" für ein Quartierzentrum, in dem sich Männer und Frauen, Jugendliche und Senioren, Menschen aus verschiedenen Nationen und mit unterschiedlichen Kulturen treffen und miteinander reden, ohne Vorurteile, ohne Ressentiments. "Ich hoffe auf viele Besucher, damit da ganz viele Begegnungen zustande kommen", so Ebersberger.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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