Energiewende im Landkreis (II):Die Krux mit dem gepumpten Wasser

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Die Tölzer Stadtwerke werben damit, dass ihr Strom zu 100 Prozent regenerativ sei. Doch das stimmt nicht ganz.

Birgit Lotze

Die Tölzer Stadtwerke haben in der Region München eine Vorreiterrolle: Sie liefern bereits zu hundert Prozent Ökostrom. Damit wirbt die Stadt. Viele Kommunen im Landkreis kaufen den Tölzern das ab, mindestens acht Gemeinden, darunter auch die Städte Wolfratshausen und Geretsried, lassen sich den regenerativ erzeugten Strom liefern.

Der Tölzer Strom sei "rein Strom aus natürlichem Zufluss", sagt Michael Hofmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Doch immer wieder kommen Zweifel auf, ob die Stadt Tölz, Eigentümerin der Stadtwerke, diese selbst gestellte Anforderung erfüllen kann. Denn die Stadtwerke können diese Menge an regenerativer Energie bei weitem nicht selbst produzieren. 75 bis 80 Prozent werden zugekauft, schätzt Geschäftsführer Michael Hofmann.

Dieser Strom kommt aus der Salzburger Gegend, aus dem österreichischen Kaprun, idyllisch gelegen unter der Spitze des Großglockners. "Wir beziehen von dort nur Strom, der aus Regen und Gletscherwasser gezogen wurde", sagt Hofmann. Zweifel daran nährt allerdings sogar der Betreiber dieses Wasserkraftwerkes, der größte österreichische Energieproduzent, die Verbund AG.

Mediensprecher Florian Seidl bezeichnet in seiner ersten Reaktion den dort gewonnen Strom keineswegs als rein regenerativ erzeugt. "Das wäre Schwindel, wenn wir behaupten würden, dass wir den Strom am Kraftwerk Kaprun ohne Atomstrom produzieren", sagt der Konzernsprecher. "Wenn der Kunde reinen Ökostrom will, dann verkaufen wir Strom aus dem Donaukraftwerk oder anderen Laufkraftwerken, aber nicht Strom aus Kraftwerken wie Kaprun, die bei Bedarf zu- oder abgeschaltet werden."

Der Strom im Kraftwerk Kaprun Oberstufe - dort wird der Tölzer Strom produziert - wird über Wasserkraft gewonnen. Fast ein Zwölftel der Gesamtproduktion nehme die Stadt Tölz ab, schätzt der österreichische Konzernsprecher. Das Wasser besteht zumindest urspünglich aus Schmelz- oder Regenwasser, es kommt aus dem Speichersee Moorboden in mehr als 2000 Meter Höhe und läuft von dort 365 Meter in Röhren in die Tiefe.

In den Stausee zurückgepumpt

Allerdings fließt es nicht immer weiter ins Tal ab, sondern wird vom Kraftwerk wieder in den Stausee hochgepumpt. Meist nachts, wenn andere Kraftwerke - vielleicht Windanlagen, vielleicht Kernkraftwerke - Strom produzieren, den die Verbraucher zu dem Zeitpunkt nicht benötigen. Dann wird dieser Strom verwendet, um große Mengen vom Unterbecken in den See zurückzupumpen.

So geht der Strom nicht verloren, sondern wird gespeichert. Wenn wieder Strom gebraucht wird, kann er durch die Wasserturbinen schnell erzeugt werden. Rund drei bis vier mal täglich werde das in der Regel gemacht, sagt der Verbund-Sprecher. Es könne auch wesentlich häufiger sein. Das hänge von der Netzsituation und von der Preisentwicklung ab.

Die Verbund AG nutzt für das Hochpumpen keine rein regenerativen Energien, sondern den kostengünstigen UCTE-Mix, erzählt Florian Seidl. "Wir nehmen das, was grad im Netz ist." Das könne Strom aus Windkraft sein, aber ebenso auch Atomstrom. Der Vorteil des UCTE-Mixes: Er ist ausgesprochen günstig. Wenn die Netze überlastet sind, bekommen Großabnehmer ihn sogar umsonst.

"Was gepumpt wird, kaufen wir nicht"

Der Chef der Tölzer Stadtwerke weiß um den Einsatz des UCTE-Mixes, deshalb hat er einen speziellen Vertrag abgeschlossen. "Was gepumpt wird, kaufen wir nicht." Der Tölzer Strom sei "rein Strom aus natürlichem Zufluss", sagt Michael Hofmann. "Beim Pumpkraftwerk sind doch in alle Richtungen Zähler eingebaut."

Hofmann verweist auf ein Zertifikat des TÜV Süd und eine Bestätigung, die die Stadt alljährlich von der Verbund AG bekommt. "Das Verfahren der Stromerzeugung aus den Wasserkraftwerken des Verbund erfüllt die strengen Kriterien des TÜV Süd für Erneuerbare Energien", heißt es dort.

Der TÜV Süd ist einer der größten Prüfer für Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Europa und hat auch Kaprun zertifiziert. Dort weiß man allerdings nichts davon, dass nur Schnee und Regen in die Bilanz eingehen. Klaus Nürnberger, der als stellvertretender Abteilungsleiter der TÜV SÜD Carbon Management Service für die Energiezertifizierung zuständig ist, kann keinesfalls bestätigen, dass ausschließlich der Strom aus dem natürlichen Zufluss - frisch aus den Bergen - einbezogen wird. Alles, was die Röhren hinunterlaufe, werde als Strom aus erneuerbaren Energien zertifiziert, lässt er durchblicken.

93,4 Prozent der Energie aus "natürlichen Zuflüssen"

Michael Hofmann verweist demgegenüber auf eine Anmerkung im TÜV-eigenen Kriterienkatalog zur Zertifizierung: "Unter vollständigem Abzug der Pumparbeit", heißt es dort. Für Hofmann bedeutet das im Umkehrschluss, dass nur die natürlichen Zuflüsse in die Zertifizierung eingehen. Doch auch hier beurteilt der TÜV SÜD die Lage anders: Ja, die Pumparbeit werde komplett abgezogen, sagt Nürnberger.

Allerdings ist die "Pumparbeit" für den TÜV "die Energie, die zum Hochpumpen aufgewandt wird". Selbst die Wahl der Energie für das Hochpumpen ist kein Kriterium für die Öko-Richtlinien des TÜV. Diplom-Ingenieurin Paula Auer, Mitarbeiterin in Nürnbergers Abteilung, erklärt: "Ob das Wasser mit Kernenergie hochgepumpt wird, wird nicht berücksichtigt."

Das Kraftwerk Kaprun Oberstufe kann eine entsprechend hohe Menge an zertifiziertem Strom verkaufen. 93,4 Prozent der Produktion gelten als Energie "aus natürlichen Zuflüssen", sagt Mediensprecher Seidl. Er erklärt den hohen Anteil aus erneuerbaren Energien bei einem Wasserkraftwerk damit, dass das Kraftwerk vielleicht nur eine kleine Pumpanlage habe, die 130 Megawatt erzeuge. Es gebe in Österreich Kraftwerke, die sogar mehr als das Fünffache an Strom produzierten. Ja, die Pumpe werde schon häufig eingesetzt. "Aber wahrscheinlich ist das Kraftwerk nur eine halbe Stunde an und wird wieder gestoppt."

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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