Eine Schau in Beuerberg:Spiel mit der Schwerkraft

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Gabriela von Habsburg stellt im Gartenpavillon des aufgelassenen Klosters ihre erstaunlich filigranen Stahl-Arbeiten aus. Kontrapunkt sind sieben Stationen eines formal reduzierten Kreuzwegs

Von Paul Schäufele, Eurasburg

Inmitten einer blühenden Wiese und in unmittelbarer Nähe zu den Klostermauern fällt der schwarze Quader aus dem Rahmen. Die Botschaft ist klar: Hier geht etwas Besonderes vor sich. In diesem Fall sind es die Skulpturen, die Gabriela von Habsburg unter dem Titel "Reflexionen" im Gartenpavillon des Klosters Beuerberg versammelt hat - Stahl-Skulpturen, die mit der Schwerkraft spielen und ihrem Ausgangsmaterial ungeahnte Qualitäten zuweisen.

Dabei scheint der strenge, schlichte Raum wie geschaffen für die ausgestellten Werke. Schon der erste Blick von einer der beiden Schmalseiten lässt das erkennen. Die mittelgroßen Stahlplastiken teilen das Innere des Pavillons in zwei Diagonalen. Damit treten zwei Werkgruppen in einen Dialog, den als Raumerlebnis nachzuvollziehen an sich schon anregend ist. "Es hat mir richtig Spaß gemacht, hier Zeit zu verbringen", sagt die Künstlerin. Und dem Betrachter macht es Spaß, die Werke zu umrunden, die Reflexe des Lichts aus den schmalen Fensterspalten auf der metallischen Oberfläche zu beobachten. Denn diese Oberflächen sind bewusst gestaltet und repräsentieren eine der Eigenschaften, die den Stahl zu einem der Materialien macht, mit denen Gabriela von Habsburg seit vielen Jahren regelmäßig arbeitet: Er lässt sich filigran bearbeiten und verändert sich nicht. Das Muster, das der Winkelschleifer in Sekunden auf die Skulptur brachte, bleibt ewig dort.

"Mit minimalem Materialaufwand kann ich viel ausdrücken." Was Gabriela von Habsburg über die Wahl des Materials sagt, das ihre künstlerische Produktion schon seit vielen Jahren begleitet, lässt sich auch auf die Formsprache übertragen. Die Absolventin der Münchner Akademie der Bildenden Künste empfing künstlerische Anregungen etwa durch Robert Jacobsen und Eduardo Paolozzi. Gerade die konstruktivistischen Arbeiten des Ersteren scheinen in den Skulpturengruppen des Gartenpavillons ein Echo gefunden zu haben. Einfache Formen, Kreise, Dreiecke, Quadrate, bestimmen die Gestaltung.

In einer der beiden Skulpturenreihen führt dieser abstrakte Zugriff zu grazilen, eleganten Gebilden, die die Mysterien des Materials ausstellen. Stahl ist nicht (nur) hart, spröde, kalt, Rohstoff der Industrie. Bei von Habsburg ist er der Stoff für beschwingt anmutende Spiralkonstruktionen, kurvig ineinander verschränkte Dreiecke. Dass der Zugang zu diesen Werken heiter-assoziativ ist, liegt an ihrer spielerischen Machart: Ein Spiel mit Fläche und Linie, mit Kurve und Winkel, auch mit der Schwerkraft. Beinahe alle Figuren der Reihe schweben an dünnen Seilen über schwarzen Sockeln. Warum die erste Figur die Ruheposition auf dem Unterbau eingenommen hat? "Weil es mir Spaß gemacht hat, auch eine Figur auf den Sockel zu stellen", erklärt von Habsburg.

Sieben Botschaften

Einen ernsten Kontrapunkt zu den phantastischen Gebilden der einen Reihe bilden die sieben Skulpturen, die sich ihnen gegenüber befinden - sieben Stationen eines Kreuzwegs, den Gabriela von Habsburg für einen privaten Park anfertigte. Eine spielerische Auseinandersetzung mit Gravitation findet hier nicht statt, alle Figuren stehen fest auf den Sockeln. Die sieben Stationen sind sieben Botschaften, in das klare Formenvokabular einer Künstlerin übersetzt, die Religion und Glauben seit früher Kindheit als einen positiven Lebensaspekt erfahren hat. Im Zentrum jeder der Skulpturen steht das Kreuz, das sich im Wechselspiel von Präsenz und Absenz, von Vorhandensein und Aussparung des Materials realisiert. Ihm beigegeben sind, in formaler Reduktion das Wesentliche der Szenen einfangend, die zentralen Begleitfiguren und -objekte der Passionsgeschichte, etwa die weinenden Frauen oder das Schweißtuch der Veronika.

Die Stationen des Kreuzwegs sind es auch, die eine Brücke schlagen können zur Heimat-Ausstellung, die nebenan in den Klosterräumen zu besichtigen ist. Die Schau im Gartenpavillon ist eben doch nicht nur begleitendes Kontrastprogramm, die dort gezeigten Skulpturen sind auch diskrete Aussagen über das Heimatverständnis von Habsburgs. Als Mitglied einer international vernetzten Familie - sie selbst wirkte als Botschafterin Georgiens in Deutschland - sieht sie ihre Heimat in einem Europa, das maßgeblich vom Christentum geprägt ist. Auf unaufdringliche Weise befragen die Skulpturen den Betrachtenden, laden ein zur Reflexion. Doch sie erlauben ihm auch, sich einfach dem Anschauen der Formen, dem Schimmern des Stahls und der Raumwirkung zu überlassen.

© SZ vom 04.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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