Geschichte:Stilles Gedenken an die Stunde Null

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Geretsried erinnert in coronabedingt kleinem Rahmen an die Ankunft der ersten Heimatvertriebenen vor 75 Jahren

Von Felicitas Amler, Geretsried

Der 7. April ist ein besonderer Tag im Kalender der Stadt Geretsried: An jenem Tag vor 75 Jahren trafen die ersten 554 Menschen aus dem Egerland im Lager Buchberg ein, auf dem Gelände, das heute als Böhmwiese bezeichnet wird. Damals standen dort Holzbaracken aus der Zeit der Rüstungsbetriebe, in denen die Heimatvertriebenen mehr schlecht als recht untergebracht wurden. Das Lager gehörte zur Gemeinde Gelting - Geretsried war ein Flecken im Süden, rund um Nikolauskapelle und Gasthof Geiger. Für die heute mit rund 26 000 Einwohnern größte Stadt im Landkreis ist der 7. April 1946 gewissermaßen die Stunde Null.

Deswegen wird dieser Tag normalerweise gefeiert. Zum 70-Jährigen vor fünf Jahren wurde viel veranstaltet - Ausstellungen und Gedenkfeiern, Zeitzeugengespräche, Musik und Tanz in großem Rahmen. Das 75-Jährige konnte pandemiebedingt nur in kleinem Kreis begangen werden. So entsandte die Egerländer Gemeinde (Eghalanda Gmoi z'Geretsried) am Mittwoch zum Gedenken am Erinnerungsstein vor dem Rathaus nur eine Familie, ihren Vorsitzenden Helmut Hahn mit Ehefrau Bärbel und Töchtern. Die Fahne der "Gmoi" trug Bernd Steinbeis, Roland Hammerschmied blies die Trompete - und Bürgermeister Michael Müller (CSU) sprach. Als Zuschauer nahmen zwei in Geretsried wohl bekannte Zeitzeugen der Stunde Null teil: Werner Sebb und Sonja Gruber, beide als Kinder im ersten Vertriebenentransport, der hier anlangte. Zum Jubiläum vor fünf Jahren hatte Sonja Gruber am Gedenktag noch selbst den Kranz niedergelegt. "Gmoi"-Vorsitzender Hahn sagt, hätte es nicht die Einschränkungen wegen Corona gegeben, "hätten wir eine Trachtenausstellung im Stadtmuseum gezeigt". Diese soll im Foyer des Hauses an der Graslitzer Straße Egerländer Tracht präsentieren. Und Hahn ist zuversichtlich, dass es im Herbst klappt. Auch für diesen Zeitraum haben die Egerländer einen Aufhänger. Denn die "Gmoi" wurde vor 70 Jahren im Herbst gegründet. Es soll rund um Kirchweih - "wie Sie uns kennen" - mit Musik und Tanz gefeiert werden.

Bürgermeister Michael Müller (vorne links) bei der Gedenkveranstaltung am Karl-Lederer-Platz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zum 60-Jährigen blickten die Egerländer seinerzeit mit den Worten zurück, dass die Gemeinde "aus der Not der Menschen eines Lagers von Heimatvertriebenen geboren wurde, die in die Trümmer einer ehemaligen Munitionsfabrik verschlagen, nach einem Halt in ihrer verzweifelten Lage suchten". Damals habe sich ein Lebenswille durchgesetzt, "der jede Gelegenheit nutzte, um anzupacken, zusammenzuhelfen und sich auch der bescheidensten Vergnügungen zu erfreuen".

Zur Historie ist über die Homepage der Stadt ein eigens dafür produzierter Film zum Gedenktag zu sehen. www.geretsried.de/schaetze-aus-dem-stadtarchiv

© SZ vom 09.04.2021 / fam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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