Dreharbeiten:Ein ganzes Dorf wird Filmkulisse

In Harmating wird eine ZDF-Komödie über Gentrifizierung gedreht. Für die Dreharbeiten müssen einige Bewohner ihre Häuser verlassen.

Von Claudia Koestler und Lea Utz

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Innerhalb weniger Minuten verwandelt sich der idyllische Schauplatz vor dem Harmatinger Wirtshaus in ein Wuselbild: Kamerawägen werden herangezogen, Lichtsegel in Stellung gebracht, aus einem Kleinbus steigt eine ganze Blaskapelle in Tracht. Sie sind Statisten in der Szene, die gegenüber gedreht wird: Darin feiert das Dorf den Spatenstich für ein Bauprojekt, das den Ort in eine Wellness-Oase für die Münchner verwandeln soll. Für eine ZDF-Komödie verwandelt sich ganz Harmating, das zu der 5500-Einwohner-Gemeinde Egling gehört, derzeit in einen Drehort. Alle Nachbarn bis auf den Bewohner von Schloss Harmating räumen Küchen, Wohnzimmer oder gleich das ganze Haus - damit sich Kameraleute, Toningenieure, Regisseur und Schauspieler breitmachen können.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Noch ist in der Küche alles beim Alten: Wo Annelies Wiedenbauer-Schmidt kocht, rückt bald die Filmcrew an. Sie ist eine der rund 40 Harmatinger, die dem Filmteam gegen eine Entschädigung Tür und Tor öffnen. "Als wir gehört haben, dass der Christian Jeltsch das Drehbuch schreibt, konnten wir nicht Nein sagen", erzählt die Heilpraktikerin und Grünen-Kreisrätin, die den Autor seit vielen Jahren kennt. In ihrem alten Bauernhaus herrscht nun viel Betrieb: "Wir haben uns schon daran gewöhnt, dass hier ständig Leute durch die Gegend rennen", sagt ihr Mann Herbert. Flur und Stube sind bereits leergeräumt und zum Teil neu eingerichtet, als nächstes sind Küche und Schlafzimmer dran. Selbst die Tomatenstauden und die Blumen im Garten müssen weichen - denn im Film war das alte Haus über Jahre unbewohnt. Für die Harmatingerin ist das alles kein Problem: "Es hat etwas Belebendes, ich habe auch schon viele neue Leute kennengelernt." Sie nutze die Gelegenheit zum Stöbern und Ausmisten. Komplett ausziehen muss das Ehepaar nur für einige Tage im Oktober.

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(Foto: Claudia Koestler)

Auch das Ortschild wurde schon geändert: Aus Harmating wird bis Mitte Oktober Gendering. Der Dreh nimmt ironischerweise ein Stück der Filmhandlung vorweg: Es geht nämlich um Investoren, die mit ihren Millionen die Bewohner wegkaufen wollen, um aus dem Dorf einen Kur-Vorort der Münchner zu machen - "Gentrifizierung" nennt sich diese Verdrängung der Alteingesessenen. Hinter dem Namen steckt eine zweite Anspielung - nämlich auf "Gender", englisch für Geschlecht. Denn der Streit um die Millionen entzweit Frauen und Männer im Dorf, die sich fortan gegenseitig bekriegen - Komödie eben.

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(Foto: Claudia Koestler)

Und er hatte die Idee zu dem Ganzen: Christian Jeltsch hat das Drehbuch von "Gendering" geschrieben. Jeltsch wohnt unweit von Harmating. "Wenn ich joggen gehe, geht mir manchmal ausgerechnet am Harmatinger Berg die Luft aus. Und wenn man da hoch blickt, dann bietet Harmating einfach ein geniales bayerisches Bild", sagt er. "Irgendwann kam die Idee auf, wie wäre es, wenn das verloren ginge?", beschreibt Jeltsch den Anstoß zum Drehbuch. "Wenn man einen solchen Flecken nimmt und das alles saniert, ökologisch natürlich, ohne Autos und denkmalgeschützt - aber was macht man mit den Menschen?", habe er sich gefragt. Daraus entwickelte sich seine Geschichte. Der 58-Jährige gehört zu den renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands. Jeltsch wurde in Köln geboren und wuchs in der Eifel auf. Er schrieb schon Drehbücher für Krimiserien wie Peter Strohm, Tatort und Polizeiruf 110.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Auch Regisseur Matthias Tiefenbacher (Mitte) arbeitete schon für Polizeiruf 110 und den Tatort. Bei den Dreharbeiten zu Gendering dirigiert er Schauspieler wie Max von Thun und sein Vater Friedrich von Thun, Saskia Vester, Sophie von Kessel und Anna Maria Mühe. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist schon lange Kulisse für Filme und Serien, vom Bullen von Tölz über Forsthaus Falkenau bis hin zu Wickie oder Hubert und Staller. Dass dabei ein ganzes Dorf zum Drehort wird ist aber selbst für diese Gegend ungewöhnlich.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Im Ort hat sich seit der Ankunft der Crew einiges verändert: Gegenüber vom Wirtshaus ist wie aus dem Nichts ein Bushäuschen aufgetaucht, laut Aushangfahrplan kommt man von dort aus mehrmals täglich in die fiktiven Ortschaften "Herbertszell" und "Piensing". Direkt daneben steht neuerdings ein Kruzifix am Wegesrand. Das Wirtshaus selbst ist frisch gestrichen. Und eine Poststelle gibt es im Weiler plötzlich auch - sie ist im echten Leben das Wohnhaus von Moritz Mahlmann, der seit zehn Jahren in Harmating lebt. "Ich habe schon vergeblich versucht, bei mir daheim einen Brief aufzugeben", scherzt er.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Spatenstich kann beginnen. An dieser Stelle beginnt im Film der Bau der Wellness-Oase. Dass der Weiler eines Tages auch im echten Leben von reichen Investoren aufgekauft werden könnte, macht den Bewohnern keine Angst, denn die hiesige Baupolitik sei sehr restriktiv. Auf den fertigen Film sind die Bewohner gespannt. "Wir werden uns das natürlich anschauen", sagt Annelies Wiedenbauer-Schmidt. Allerdings müssen ihr Mann und sie die Wohnung dann noch einmal verlassen - "wir haben nämlich gar keinen Fernseher". Die Komödie soll kommenden Herbst ausgestrahlt werden.

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