Hans Leo hat es im Jahr 2007 gereicht. Der Milchpreis war mit 28 Cent am Boden: "Es war ruinös." Und nicht nur das. Massiv hat den Landwirt auch gestört, dass er überhaupt nichts mehr damit zu tun hatte, was mit der Milch passiert. "Du hast den Milchkübel an die Straße gestellt, er wurde abgeholt, jeden Monat wurde Geld aufs Konto überwiesen, nicht mal mehr eine Rechnung habe ich geschrieben." Die Molkerei fuhr die Milch ins Südtiroler Sterzing und "irgendwann kam dann der Mozzarella in die Regale zurück".
70 Zuhörer hängen an den Lippen des Bio-Bauern, der so fesselnd von den Anfängen seiner Revolution und der Gründung einer eigenen Mini-Genossenschaft erzählt, der "Naturkäserei Tegernseer Land". Der enorme Andrang am Dienstagabend im Gemeindesaal der evangelischen Kirche in Icking beweist, wie sehr das Thema "Wer soll das schlucken? Neue Wege in der Landwirtschaft" die Leuten bewegt. Eingeladen hat der Bund Naturschutz, moderiert wird die Podiumsveranstaltung von der Ickinger Journalistin Margarete Moulin.
Mit vorne sitzt auch Hans Urban, Bio-Landwirt in zweiter Generation vom Eurasburger Packlhof und neuerdings Landtagsabgeordneter für die Grünen. Schon seinem Vater sei klar geworden, dass es mit der Agrarindustrie und den Hochleistungsbetrieben nicht funktioniere, aber erst die Tschernobyl-Krise habe dem Bio-Pionier zur Akzeptanz verholfen. Er sieht die Zukunft der Landwirtschaft in der kleinteiligen Bewirtschaftung, weil sie Krisen nicht so ausgeliefert ist und weniger abhängig macht. "Wenn ich genug Flächen für meine Tiere hab', dann brauch' ich auch keinen Sojaschrot aus Übersee", so Urban. Und in der Regionalvermarktung, weil sie das autonome Handeln der Bauern stärkt. Das war auch der Antrieb für Hans Leo, der überzeugend erzählt, wie er es satt hatte, ein anonymer Milchlieferant zu sein, "der immer nur das Maximum aus den Kühen rausholen" sollte. Stattdessen wollte er sich die Vermarktungskompetenz zurückholen, Käse und Rahm wieder selber herstellen und verkaufen. Spannend ist es, seiner David-gegen-Goliath-Geschichte zuzuhören. Wie es ihm trotz viel Gegenwind gelang, mit 22 Gleichgesinnten eine kleine Genossenschaft zu gründen. Die Chefeinkäuferin von Tengelmann kam aus Nordrhein-Westfalen angereist, um den ersten Käse zu probieren. Sie schaute auf die Preisliste und meinte: "Die schick' ich Ihnen korrigiert zurück." Nein, sagte Leo. "Wenn du den Tengelmann verprellst", waren die anderen sauer, "können wir gleich wieder zusperren." Am Ende wurde die genossenschaftliche Naturkäserei zum Erfolg. Mittlerweile hat sie 450 Kunden, auch große. Die Milchbauern bekommen einen Grundpreis, von dem andere nur träumen können: 45 Cent pro Liter, bei besonderer Qualität bis zu 55 Cent. Auch wenn diese Preise "Spaß machen", wie Leo sagt: Es ist der Kontakt zu den Kunden, der ihm die meiste Erfüllung gibt.
Das Publikum nickt immer wieder zustimmend, hat aber auch Fragen: ob sich die Bioprodukte denn jedermann leisten könne. Der Kunde sei bereit, mehr Geld auszugeben, wenn er die "Geschichte" hinter dem Produkt kenne, also Herkunft und Hersteller, hat Urban mit seinem Hofladen gelernt. Kunden und Bauern zusammenbringen, dann funktioniert's, daran glaubt Leo fest. "Früher hieß es: Hauptsache billig, jetzt sehen die Leute mehr das Ganze."
Auch das Volksbegehren gegen das Artensterben ist an dem Abend Thema. Da sind sich beide einig, dass es nicht funktioniert hat, auf Freiwilligkeit zu setzen. Rahmenbedingungen müssten her, fordern sie.