Digitalisierung in Bayern:Justiz im Home-Office

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Am Amtsgericht Wolfratshausen haben während der Pandemie 61 Prozent der Angestellten auch zuhause gearbeitet. Das ist der Spitzenwert in Bayern.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Nur mit einem Wort kommentiert Maja Kirchberg, dass das Wolfratshauser Amtsgericht unter den Justizbehörden im Freistaat Spitzenreiter ist. "Cool" entfährt es der Justizhauptsekretärin in der Abteilung für Strafsachen, als sie davon hört. Nach einer SPD-Anfrage im Landtag soll für circa 62 Prozent der Mitarbeiter im Wolfratshauser Amtsgericht ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz bereitstehen, um von Zuhause aus tätig zu sein (Stand: Februar 2021). So berichtete es jüngst die Nachrichtenagentur dpa. Demnach ist die Behörde Digitalisierungs-Spitzenreiter unter Bayerns Gerichten, an denen im Durchschnitt nur 41 Prozent einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz im Home-Office haben, im Amtsgericht Kulmbach als Schlusslicht nur 13 Prozent.

Wer beim Wolfratshauser Amtsgericht direkt nachfragt, bekommt allerdings ein etwas differenzierteres Bild. So zufrieden die Mitarbeiter mit ihrem Dienstort seien, so überraschend komme es, dass man Spitzenreiter sein solle, sagt Sprecherin Rosemarie Mamisch. Denn so viele voll ausgestattete Heimarbeitsplätze gebe es für die Angestellten gar nicht. "Es sind vielmehr 62 Prozent der Beschäftigten, die zumindest teilweise im Home-Office arbeiten", antwortet sie auf Nachfrage. Bis zu vier Stunden täglich könnten alle der Zeiterfassung unterliegenden Mitarbeiter von Zuhause aus tätig sein. Davon machten viele sehr rege Gebrauch. "Im Monat Mai waren es jetzt 21 Mitarbeiter", sagt Mamisch.

Das sind derzeit knapp 44 Prozent aller 48 von der Zeiterfassung betroffenen Beschäftigten - darunter 16 Rechtspfleger, fünf Wachtmeister und 27 Serviceeinheiten. Die elf Richter an der Wolfratshauser Behörde nutzten die Möglichkeit zum Home-Office ohnehin. Zu allem am Amtsgericht Berufstätigen fehlen damit nur noch die sechs Gerichtsvollzieher.

Die Richter und Rechtspfleger hatten laut Mamisch bereits pandemieunabhängig Arbeits-Laptops. Ausschließlich feste Computer-Arbeitsplätze habe es in den Geschäftsstellen der Abteilungen gegeben. Dafür habe das Oberlandesgericht Notfall-Laptops bereitgestellt. Die Wolfratshauser Geschäftsleitung habe recht beherzt zugegriffen, berichtet Mamisch. "Teilweise haben auch Richter ihre Laptops tageweise zur Verfügung gestellt oder gänzlich gegen einen festen Arbeitsplatz getauscht."

So leicht, wie es sich zunächst anhören mag, ist das Arbeiten von Zuhause aber nicht möglich. Die schon lange angekündigte elektronische Akte, die es ermöglichen würde, von dort auf Dokumente bequem zugreifen zu können, gibt es noch nicht. Stattdessen müssen die Wolfratshauser Beschäftigten mit Unterlagen in Papierform auskommen. "Insofern muss jeder, der im Home-Office arbeitet, dennoch ins Büro, um die Akten zu tauschen", sagt Mamisch. Zudem seien nur wenige der Arbeitsplätze für die Heimarbeit voll ausgestattet. Die allermeisten Beschäftigten müssten etwa später im Büro das ausdrucken, was sie zu Hause bearbeitet hätten. Für Personal, dass besonders darauf angewiesen sei, habe die Geschäftsleitung fünf gebrauchte Drucker beschafft.

In der Strafabteilung habe das Arbeiten während der Pandemiezeit gut geklappt, sagt Justizhauptsekretärin Kirchberg. Allerdings sei die Aktenschlepperei zwischen der eigenen Wohnung und dem Büro schon auch beschwerlich. Sie selbst habe in ihrer Abteilung nur einen fest eingerichteten Arbeitsplatz im Amtsgerichtsgebäude an der Bahnhofstraße und sei deshalb wenig im Home-Office tätig.

Als zeitlich herausfordernd beschreibt Kirchberg das Schichtarbeitsmodell während der ersten Welle der Pandemie im vergangenen Jahr: Die Hälfte der Mitarbeiter arbeitete von 6 Uhr früh bis 12.15 Uhr im Haus, die andere zwischen 12.15 und 18 Uhr. Die fehlenden zwei Stunden arbeiteten die Angestellten im Home-Office ab. Aus Infektionsschutzgründen musste die Frühschicht das Gerichtsgebäude schon verlassen haben, bevor die Spätschicht um 12.15 Uhr antrat. Das sei durchaus herausfordernd gewesen, berichtet Kirchberg. Drei Monate habe diese Phase gedauert. In der Strafabteilung habe das Modell jedoch hervorragend geklappt. Selbst Früh- und Spätaufsteher hätten sie gut berücksichtigen können. "Ich komme sowieso meist als letzte, gehe dafür aber auch als letzte", sagt Kirchberg.

Das Schichtmodell war als Vorsichtsmaßnahme gedacht, um den Betrieb im Falle einer Covid 19-Infektion aufrechtzuerhalten. Die eine Hälfte der Mitarbeiter sollte weiterarbeiten können, sollte die andere in Quarantäne müssen. Das Wolfratshauser Amtsgericht tat aber noch mehr: Doppelbüros wurden aufgelöst, Richter überließen ihre Einzelräume an Personal, waren in den Sitzungssälen oder zuhause tätig. Gruppenräume seien auch in Büros umgewandelt worden, sagt Mamisch. Den Bemühungen der Geschäftsleitung, sowie dem kollegialen Einsatz des Personals sei es zu verdanken, dass das Amtsgericht von Coronainfektionen weitgehend verschont geblieben sei. "Unsere Arbeit konnten wir ohne außergewöhnliche Zeitverzögerungen erledigen."

Die SPD-Fraktion im Landtag hat aus ihrer Anfrage vor allem einen Schluss gezogen: dass es im Freistaat noch zu wenige Arbeitsmöglichkeiten für Justizpersonal im Home-Office gibt.

© SZ vom 26.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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