Mit einem einzigen Koffer mit 16 Laptops hat alles angefangen. Das ist zehn Jahre her, und seitdem ist die Digitalisierung am Gymnasium Geretsried ("GymGer") so weit fortgeschritten, dass von der achten Jahrgangsstufe an in allen Klassen mit Laptops unterrichtet werden kann. Man spricht von einer Eins-zu-eins-Ausstattung. Vize-Direktorin Sabine Apprecht hat am Mittwoch anlässlich des Besuchs des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler) an der Schule eine Einführung in dieses Thema gegeben.
Noch eindrucksvoller als die fortgeschrittene Digitalisierung des Gymnasiums an sich fand Piazolo allerdings die Schülerinnen und Schüler, die Details vorstellten. Gerade sei beim "Bildungsgipfel" in Berlin von einer Krise des Bildungssystems gesprochen worden, sagte der Minister. Man dürfe aber "nicht dauernd alles schlechtreden", vieles laufe erkennbar gut, wie die Präsentation gezeigt habe. Es sei doch bemerkenswert, mit welchem Selbstbewusstsein und welchen Kenntnissen schon 14- und 15-Jährige aufträten.
Gemeinsam mit der Geografie-, Spanisch- und Deutschlehrerin Andrea Mahlendorff und dem Bio- und Physiklehrer Johannes Forstner erklärten die jungen Leute, welche Vorteile der digitale Unterricht bringe. Dabei betonten sie das selbständige und individuelle Lernen. So sagte Flavia aus der Neunten: "Ich bin unabhängig von der Lehrkraft und von anderen Schülern." Mit Kopfhörern könne sie sich zum Spanischlernen so viele Wiederholungen anhören, wie sie wolle. Selma und Lara, ebenfalls aus der Neunten, zeigten am Beispiel digitalen Chemie-Unterrichts, dass sie ganz eigenständig entscheiden könnten, welche Aufgaben sie in welchem Tempo bearbeiteten. Gleichzeitig fühlten sie dank den digitalen Geräten mehr Motivation und Ansporn.
Forstner sagte aber auch, dass es keinen Zwang zum digitalen Unterricht gebe. Schule lebe ja gerade von der Vielfalt und der Abwechslung der Methoden und Mittel. "Wir profitieren davon, dass es auch Kollegen gibt, die es nicht machen." Es sei eben ein "Add-on", also ein zusätzliches Instrument. Direktor Christoph Strödecke ergänzte, nach seiner Ansicht gebe es grundsätzlich an der Schule eine "Positivspirale". Motivierte und zufriedene Lehrkräfte führten zu motivierten und zufriedenen Schülerinnen und Schülern - und umgekehrt. Dies gelte sowohl für die "Lernlandschaften", die Piazolo zuvor mit der Englisch- und Geografielehrerin Sabine Dobler besichtigt hatte, als auch für den digitalen Unterricht. "Diese Spirale ist hier in Gang gekommen", konstatierte Strödecke.
Piazolo sah sich im ganzen Schulgebäude um, wo noch vom Abend der offenen Tür für Viertklässler vor dem Übertritt aufs Gymnasium Infostände aller Art aufgebaut waren, von den Tutoren bis zum Wahlunterricht Robotik. Der Minister wurde von der früheren Schulsprecherin Jacqueline Kess durchs Haus geführt, plauderte hie und da mit einzelnen Schülerinnen und Schülern oder ließ sich Details erklären.
In einer abschließenden kurzen Podiumsdiskussion in der Aula wurde grundsätzlich über digitale Bildung gesprochen. Personalrätin Christine Binder nannte sie "eine der größten Herausforderungen für uns Lehrkräfte". Piazolo sprach von der eindeutigen Notwendigkeit digitalen Unterrichts. Der 59-jährige Florian Streibl aus Oberammergau, Fraktionssprecher der Freien Wähler im Landtag, sagte, er habe noch auf einer Schiefertafel Schreiben gelernt. Bald aber seien laut Prognosen 60 Prozent aller Berufe nicht mehr ohne digitale Fähigkeiten zu leisten.
Schülersprecherin Franziska Kasperbauer sprach das Thema Chancengleichheit an. Diese sei gefährdet, sagte sie, da es durchaus Eltern gebe, die nicht in die digitale Ausstattung ihrer Kinder investieren wollten oder könnten. Kasperbauer fragte den Kultusminister, ob und wie benachteiligten Schülern geholfen werden könne. Piazolo sagte, der Freistaat habe mehr als 300 000 Schülerleihgeräte zur Verfügung: "Es müsste ausreichen."