Derblecken im Oberland:Gegen Gierige, Meineidige und Laberer

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Finstere Gestalten sind die Haberer. Dennoch wurde das Starkbierfest im Ascholdinger Holzwirt mit großem Haberfeldtreiben zur Gaudi. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Ascholdinger Starkbierfest spießen die Haberer allerhand Themen auf. Lokal wird es vor allem, als es um die örtliche Kneipenszene geht.

Von Susanne Hauck, Dietramszell

Plötzlich geht das Licht aus, ein Käuzchen ruft, Kirchturmglocken schlagen dumpf wie zum letzten Stündlein. Gruselstimmung. Neun finstere Gestalten betreten den Saal, lange Mäntel, dicke Stiefel, die geschwärzten Gesichter mit einem Bartgestrüpp vom Bauch bis zu den Augen vermummt. Mit ihren Laternen nehmen sie den einen oder anderen Gast bedrohlich ins Visier.

Acht Jahre war es her, dass beim Ascholdinger Starkbierfest das letzte Mal das Haberfeldtreiben gefeiert wurde. Umso erwartungsvoller war deshalb das Publikum am Samstag im voll besetzten Festsaal beim Holzwirt, und die Ascholdinger Blaskapelle hatte eineinhalb Stunden lang mit Polkas und Märschen ihr Bestes getan, die Vorfreude zu steigern.

Seinen Spott goss der Haberfeldmeister erst einmal über der Politikprominenz aus, wo jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sei. Das scheinheilige Getue von Ministerpräsident Markus Söder etwa, der sich während Corona als starker Mann von Deutschland gebärdet habe, nur um bei nächster Gelegenheit einen auf Grün zu machen, indem er sich medienwirksam mit einem Baum verbrüdert habe. Schön publikumswirksam war das auf der Bühne in Szene gesetzt, indem ein Pappmasken-Söder einen nackerten Stamm umarmte. Dafür kassiert er einen derben Spruch: "Das war zu billig, guter Mo", ätzte der Haberfeldmeister. "Wenn Bäume kotzen könnten, hätten's ."

Im Anschluss wurde die ganze Ampelregierung abgewatscht, weil die sich viel zu wichtig nehme und nichts vorwärtsbringe. Die Grünen, die in Talkshows nur gscheit daherredeten, die CDU könne es mit ihren Bierzeltphrasen auch nicht besser. Der größte "Hanswurscht" aber sei der Christian Lindner von der FDP, der sich bei den Bauern anbiedern wolle, indem er im Hobbyreitstall von Gattin Franca die Mistgabel schwinge. Unter viel Gejohle kutschierte da ein Lindner-Double in einem Wägelchen durch den Saal, in der Hand ein Pappschild mit der Aufschrift "Meine Frau hat ein Pferd, ich bin auch Landwirt und einer von euch".

Wollte mitspielen bei den Bauern: das Christian Lindner-Double. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Klare Positionierung aber auch an vielen Stellen gegen die AfD und den "braunen Baaz". Mit einem "Haberer, is wahr? Na treibt's zua" wurden die "Ruachaten, die Selbstgerechten, die Gierigen und die Meineidigen", aber auch die "Planlosen und Laberer" unter lautstarkem Schellenrasseln und Stöckestampfen ins Haberfeld gejagt.

Auf die lokalen Themen freuten sich die rund 230 Zuschauer, darunter viele junge Gesichter, naturgemäß am meisten. So führte etwa das viele Hin und Her mit den erneuerbaren Energien angeblich dazu, dass in der Küche vom Holzwirt die Fritteuse nicht mehr ging, weil zu viel E-Bikes an der Steckdose hingen. Der Besitzer der örtlichen Biogasanlage aber reibe sich die Hände.

Das Starkbierfest hat viel Publikum angezogen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Für Unfrieden in der Gemeinde sorgte die Kirchturmuhr von St. Leonhard mit ihrem frühen Glockenschlag, was zu Beschwerden von Neubürgern führte. Wo doch das Fünf-Uhr-Geläute der beste Wecker ist, wenn morgens die Blase drückt. Schöne Bescherung, wenn das Läuten auf später verlegt würde: "Des Bauern Tag, der wird verhunzt, wenn er um zehn nach fünf sein Bett dabrunzt", so lautete der derbe Kommentar dazu.

Anderswo ist das Wirtshaussterben ein Thema, in Ascholding muss keiner verdursten, denn hier sprießen den Haberern zufolge die Kneipen "wie die Schwammerl". Zwar verprelle das Herzblutstüberl am Schwimmbad durch seine unzuverlässigen Öffnungszeiten die Gäste und nur Eingeweihte lachten wissend über das "Wirtshaus zum letzten Hemd". Dafür habe sich die Feuerwehr beim Neubau statt einem Stüberl gleich einen ganzen Trinksaal gegönnt, wo der Hydrant zur Zapfanlage umfunktioniert wurde. Und auch beim Edeka werde morgens gern eingekehrt, wo die Mütter im Backshop über den Stress mit den Kindern jammerten, bevor sie samstags, unter dem Vorwand, noch schnell was holen zu müssen, dann lieber Prosecco statt Cappuccino kippten. Dann ist das ganze Spektakel nach einer halben Stunde auch schon wieder vorbei.

Deftige Sprüche, treffsichere Pointen und Themen, die niemandem schadeten, weil die Gefahr, daneben zu langen, vielleicht zu groß war. Bürgermeister Josef Hauser (Freie Wähler) und die Gemeinderäte hatten Glück und blieben von den Späßen verschont. Und wer gedacht hat, dass jüngste Schlagzeilen wie der Dietramszeller Protest gegen die Zwangszuweisung von Flüchtlingen zur Zielscheibe der Haberer werden würde, sah sich in seinen Erwartungen enttäuscht. Große Gaudi war es trotzdem.

Acht Jahre haben sich die Haberer Zeit gelassen. Nun wurde es wieder Zeit. (Foto: Harry Wolfsbauer)
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