Corona-Ampel:Regel-Wirrwarr im Corona-Hotspot

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Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gilt derzeit als Pandemie-Hotspot. Doch anders als in Österreich bedeutet das keine einheitliche 2G-Regelung im öffentlichen Leben. Wäre das aber nicht besser? Eine Umfrage unter Betroffenen

Von Stephanie Schwaderer,Felicitas Amler, Benjamin Engel und Kathrin Müller-Lance

Seit Samstag gelten im Landkreis strengere Corona-Regeln. Der Mindeststandard ist jetzt 3-G-plus, in Diskotheken kommt man sogar nur rein, wenn man geimpft oder genesen ist. (Foto: Manfred Neubauer)

Seit Samstag steht die Krankenhaus-Ampel im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen auf Rot. Wo vorher 3G galt, gilt nun 3-G-plus, wo 3-G-plus galt, gilt nun 2G - ein ziemliches Durcheinander. Im angrenzenden Österreich, das ebenfalls mit einem dramatischen Infektionsgeschehen zu kämpfen hat, ist die Linie klarer: Dort gilt nun überall im öffentlichen Leben 2G. Geimpft oder genesen - wäre das nicht auch hier ein sinnvolles Modell?

Club-Betreiber Sepp Schwarzenbach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sepp Schwarzenbach, Club-Betreiber und CSU-Stadtrat aus Wolfratshausen: "Die Eröffnung der Kulturbühne Tingel-Tangel mussten wir durch Corona immer wieder verschieben, sie war ursprünglich für April 2020 geplant. Ende November ist es hoffentlich endlich so weit. Unsere Zeppelinbar ist schon länger wieder geöffnet. Wir wollen nicht nur Alkohol verkaufen, sondern die Freude am Menschen. Deshalb gelten für die Bar die gleichen Auflagen wie für einen Club. Die Umstellung von der 3-G-plus- auf die 2-G-Regelung macht für uns letzten Endes keinen großen Unterschied. Wir haben ohnehin schon extra Sicherheitskräfte, welche die Nachweise kontrollieren. Auch die Zäune vor dem Eingang sind schon aufgebaut. Der Anteil an Besuchern, die vor der Umstellung auf 2G mit PCR-Tests bei uns reingekommen sind, war sehr gering. Ich muss aber schon sagen, dass die neuen Regeln für Verwirrung sorgen. Ich habe heute den ganzen Vormittag versucht, den Hotel- und Gaststättenverband anzurufen, um zu klären, ob die 2-G-Regel auch für auftretende Künstler gilt. Bisher habe ich niemanden erreicht. Natürlich wären mir weniger strenge Auflagen lieber, aber man tut halt, was getan werden muss. Ich bin nicht wirklich frustriert, bei mir hat sich langsam eher eine gewisse Gleichgültigkeit breitgemacht."

Cathrin Klingsöhr-Leroy, Direktorin des Franz-Marc-Museums in Kochel am See: "Bei uns gilt seit Samstag die 2-G-Regel, da können wir noch gar nicht so richtig sagen, wie's läuft. Mein Eindruck ist, dass die meisten unserer Besucher sowieso geimpft oder genesen sind. Ich bin auf jeden Fall für diese Regelung. Es ist doch gesamtgesellschaftlich einfach notwendig, dass die Menschen sich impfen lassen. Außerdem muss man auch diejenigen, die schon geimpft sind, trotzdem schützen. Wenn man ein Haus betreibt, wo viele Menschen zusammenkommen - wobei das bei uns ja nicht so stark ist wie in der Gastronomie -, muss man doch dafür sorgen, dass alle geschützt sind. Unser Personal ist größtenteils geimpft. Vorschreiben kann man das natürlich nicht. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass sich alle impfen lassen müssten, und sage das auch den Mitarbeitern."

Vize-Kurdirektorin Susanne Frey-Allgaier. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Susanne Frey-Allgaier, stellvertretende Kurdirektorin in Bad Tölz: "Die 2-G-Regelung kam für uns am Freitag doch etwas überraschend. Am Vormittag dachten wir noch, dass wir auf 3-G-plus umstellen müssten. Wir hatten am Wochenende ja zwei große Veranstaltungen im Kurhaus: das Quartettissimo-Konzert mit dem Brentano Quartet und das Tanzcafé, zu dem immer auch viele Besucher aus anderen Landkreisen kommen. Zum Glück hat dann alles gut geklappt. Wir haben einige FFP2-Masken ausgegeben an Leute, die mit OP-Masken kamen. Aber es musste niemand nach Hause geschickt werden. Allerdings hatten wir beim Konzert schon ein paar No-Shows, also Leute mit Karten, die nicht erschienen sind. Ich gehe davon aus, dass wir bei manchen Veranstaltungen größere Probleme bekommen werden - etwa bei den Bananafishbones-Konzerten im Dezember. Da wird es sicher Leute geben, die nicht geimpft sind und sich für das Konzert getestet hätten. Aus Kulanz nehmen wir bei unseren eigenen Veranstaltungen in solchen Fällen die Karten zurück. Bei manchen Veranstaltungen müssen wir mittlerweile zum dritten, vierten Mal die Regelungen anpassen, das ist schon anstrengend. Und es ist leider nicht absehbar, wie es weitergeht. Viele Künstler sind nicht geimpft. Bis Montagmorgen dachte ich noch, dass für sie der gleiche Standard wie für Besucher gilt. Die aktuelle Auskunft aus dem Tölzer Landratsamt lautet jedoch, dass sie sich mit einem PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, freitesten können, weil man sonst in die Nähe eines Berufsverbots käme."

Wolfgang Ramadan heißt auf der Bühne nun Wolfgang Ferdinand. (Foto: Manfred Neubauer)

Wolfgang Ramadan, Kultur-Veranstalter aus Icking: "Wir haben schon im Sommer geahnt, dass die Infektionszahlen wieder steigen würden. Deshalb legen wir eine Herbst- und Winterpause ein und bieten als Weihnachtsgeschenk erst wieder Karten fürs Frühjahr an. Ansonsten hätten wir jetzt mit der 2-G-Regel womöglich mit Stornierungen zu kämpfen. Andererseits haben wir bei unserem Festival in Bad Tölz im Sommer die Erfahrung gemacht, dass unser Publikum nahezu ausnahmslos doppelt geimpft ist. Für freie Kultur-Veranstalter, die sehr eng kalkulieren müssen, bringen alle Corona-Maßnahmen einen großen Organisationsaufwand und hohe zusätzliche Kosten mit sich. Für jede Spielstätte muss ein eigenes Sicherheitskonzept erstellt und umgesetzt werden: Security, Desinfektionsstände, Wegekonzepte - all das kostet Geld."

Hoteldirektorin Stefanie Moser. (Foto: Hartmut Pöstges)

Stefanie Moser, Hoteldirektorin auf Schlossgut Oberambach in Münsing: "Wir sind mit den bisherigen 3-G-Regeln gut gefahren. Die Antigen-Schnelltests waren der Goldstandard. Das war für alle in Ordnung. Alle haben sich damit sicher gefühlt. Im Haus haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Die allermeisten Gäste waren sowieso geimpft und über die gültigen Regelungen informiert. Die Auflagen zu kontrollieren, war natürlich ein Mehraufwand, aber beim Check-in kein Problem. Im Haus wissen wir von keinem Corona-Infektionsfall. Seit vergangener Woche nehmen allerdings die Stornierungen zu. Wir haben sehr viele Tagungen im Haus. Die Unternehmen sind einfach verunsichert, weil die Infektionszahlen steigen. Ob die neuen Regeln sinnvoll sind oder nicht, wird sich erst noch zeigen. 3-G-plus ist de facto ja 2G. Wer macht denn schon einen teuren PCR-Test, um abends ins Restaurant gehen zu können?"

© SZ vom 09.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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