Drogenpolitik und Jugendschutz:"Weg vom erhobenen Zeigefinger"

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Die Legalisierung von Cannabis-Konsum zeigt in der Praxis Schwierigkeiten. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Bundestag hat die Teil-Legalisierung von Cannabis auf den Weg gebracht - was Sozialarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit im Landkreis zu der Entscheidung sagen.

Von Philipp Rahn, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Bundestag hat die Teil-Legalisierung von Cannabis beschlossen. Im Vorfeld zur Abstimmung hatten verschiedene Interessengruppen ihre Bedenken gegen das Gesetz geäußert, häufig mit Verweis auf den Kinder- und Jugendschutz. Der Gesetzesentwurf sieht daher auch einige Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen vor. Generell bleibt der Besitz und Konsum für Jugendliche unter 18 Jahren verboten. Zudem soll es eine Schutzzone von 100 Metern um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Spielplätzen geben, in der der Konsum untersagt ist. Präventionsangebote durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sollen ausgebaut werden.

Aber sind die geplanten Maßnahmen für den Jugendschutz ausreichend, und wie ist die aktuelle Situation in der Jugendarbeit? Cannabis ist laut Jugendsuchtberatungsstelle im Landkreis die mit Abstand am häufigsten konsumierte Substanz. In den Jahren 2022 und 2023 sogar noch vor Alkohol, sagt Manuela Köhler von der Caritas Bad Tölz-Wolfratshausen. 2023 hätten 69 von 144 Klienten im Alter bis 21 Jahre angegeben, dass Cannabis ihre am häufigsten genutzte Substanz sei. Laut Julia Brandner, Stadtjugendpflegerin in Geretsried, seien auch dort im Stadtgebiet Cannabis und Alkohol die beiden am häufigsten konsumierten Drogen. Dass Jugendliche konsumieren, ergebe sich aus der Historie und werde sich auch in Zukunft kaum ändern.

Auf Nachfrage sagt Max Aichbichler, Leiter des Jugendhauses "La Vida" in Wolfratshausen, die Entkriminalisierung sei ein besserer Ansatz, als zu behaupten, man habe keine Drogenproblematik.

Sozialarbeiter Max Aichbichler betreibt im Jugendhaus "La Vida" auch Aufklärungsarbeit. (Foto: Hartmut Pöstges)

"In der offenen Kinder- und Jugendarbeit spielt das Thema Cannabis eine große Rolle. Der Anstieg des Konsumverhaltens ist in den letzten Jahren spürbar", so Aichbichler. Durch eine Entkriminalisierung könne mehr Kontrolle im Vertrieb und im Markt stattfinden. Auch Brandner steht der Teil-Legalisierung nicht generell ablehnend gegenüber. Für sie bringt diese Vor- und Nachteile mit sich, vor allem aber Aufgaben für die Kinder- und Jugendarbeit. Zudem seien noch einige Fragen zum neuen Gesetz offen. "Wie können und müssen Kinder und Jugendliche zu Hause und auch im öffentlichen Raum geschützt werden? Wer soll die Kontrolle der Schutzzonen übernehmen?" Aus ihrer Sicht brauche es insbesondere eine Begleitung der Jugendlichen und eine adäquate Aufklärung, "weg vom erhobenen Zeigefinger, hin zu sogenannter ,Harm Reduction' ". Dieses Konzept beinhaltet niedrigschwellige Hilfen, die auf die unmittelbare Reduzierung der Risiken von Drogenkonsum ausgelegt sind.

Und was sagen die Jugendlichen zur Teil-Legalisierung?

Laut Manuela Köhler sind die Jugendlichen gespannt auf die geplanten Änderungen und würden sich vor allem eines wünschen: Straffreiheit. "Sie fühlen sich oft einseitig in eine kriminelle Ecke gestellt und wünschen sich mehr offenen Diskurs über die Substanz. Und vor allem zusätzlich eine ehrliche Reflexion des Alkohol-Konsumverhaltens ihrer Bezugspersonen." Diesen Eindruck hat auch Patrick Schmook, der in Geretsried in der mobilen Jugendarbeit tätig ist. "Häufig können Jugendliche es nicht nachvollziehen, dass man sich mit 16 Jahren völlig legal im Supermarkt einen Vollrausch ,abholen' kann. Besitzt man jedoch Cannabis, begeht man eine Straftat." Der Verfolgungsdruck sei häufig der Grund, warum Jugendliche der Polizei kritisch gegenüberstünden. Er denkt daher, dass sich die Haltung einiger Jugendlicher gegenüber der Polizei durch die Entkriminalisierung verbessern könnte.

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