Vortragsabend in Wolfratshausen:Brecht und seine mutige Haushälterin

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Mari Hold aus Wolfratshausen war Haushälterin von Bertolt Brecht. (Foto: Privat)

Der Historiker Michael Friedrichs schildert im renovierten Stadtmuseum die tragende Rolle, die Mari Hold im Leben des Dichters und seiner Frau Helene Weigel spielte, als die Nazis 1933 an die Macht kamen.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Flammen im Reichstag: Der Brandanschlag, der am 27. Februar 1933 das Parlamentsgebäude in Berlin zerstörte, brachte den schlagartigen Durchbruch des Hitler-Regimes. Verbunden mit der umgehenden rücksichtslosen Verfolgung all jener, die sich als Oppositionelle verdächtig gemacht hatten - und die schon zuvor als kritisch und links beargwöhnt worden waren. Denn das Brandattentat wurde von der NS-Propaganda den Kommunisten und Sozialdemokraten in die Schuhe geschoben. Einen tiefen Einschnitt bedeutete 1933 die radikale Zuspitzung der politischen Lage auch für den Lyriker und Dramatiker Bertolt Brecht und dessen Frau Helene Weigel, die beide - von der Entwicklung überrascht - gerade noch in Richtung Schweiz entkommen konnten. Ein Alptraum für alle Eltern: Barbara, ihr zweijähriges Kind, mussten sie mangels passender Papiere zunächst zurücklassen. Die kleine Tochter war damit vorübergehend dem eigenen Schutz entzogen worden.

Michael Friedrichs forscht seit 20 Jahren zu Bertolt Brecht. Im Stadtmuseum beleuchtete er eine dramatische Episode aus seinem Leben, deren Wurzeln nach Wolfratshausen reichen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Über den Fortgang der geschichtlichen Ereignisse, in deren Mittelpunkt die geborene Wolfratshauserin Mari Hold stand, referierte jetzt der Augsburger Historiker, Lektor und ausgewiesene Brecht-Kenner Michael Friedrichs im neuen Wallner-Bockhorni-Kabinett - einem Multifunktionsraum, der sich im Rückgebäude des renovierten Stadtmuseums befindet. Zugleich war es auch der erste öffentliche Auftritt der Museumsleiterin Annekatrin Schulz in größerem Rahmen, aber auch in ihrer Eigenschaft als neue stellvertretende Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen. Die Stadt verfügt mit den modernen Räumlichkeiten nunmehr über ein zusätzliches ideales Forum für Vortragsveranstaltungen, das denn auch gleich bis auf den letzten Platz genutzt wurde. Und Wolfratshausen kann mit Mari Hold nun eine bislang weitgehend unbekannte, historische Gestalt in seine Ortsgeschichte aufnehmen.

Viel von ihrer Jugend ist nach den Forschungen des Brecht-Spezialisten Friedrichs nicht bekannt. Nur soviel: Sie wurde 1909 im Wolfratshauser Untermarkt als dritte von fünf Schwestern geboren. Für die Augsburger Familie Brecht diente Hold bereits mit 13 Jahren als umsichtige Haushälterin, später folgte sie dem jungen Bertolt nach Berlin und kümmerte sich dort um seinen und um Helene Weigels Haushalt. Durch ihr mutiges Eintreten ermöglichte sie, dass Barbara, das Töchterchen der beiden, den Naziterror unversehrt überstehen konnte.

Ein Tondokument mit einer englischen Quäkerin schildert die Ereignisse im Jahr 1933

Während Sohn Stefan nach dem Reichstagsbrand in Richtung Wien Zuflucht fand, gab es für die kleine Barbara keine Papiere, die einen gefahrlosen Grenzübertritt ermöglicht hätten. Die Eltern versteckten das Mädchen deshalb zunächst bei den Großeltern in Augsburg. Wie Friedrichs in seinem einstündigen lebendigen Vortrag berichtete, war das Kind dort aber nicht sicher. In dieser Notlage war es Mari Hold, die mutig ihre Hilfe erbot und die Kleine zunächst zu ihren eigenen Eltern brachte, die in Großaitingen, einer Gemeinde südwestlich von Augsburg, lebten.

Die weiteren Ereignisse schilderte Friedrichs anhand eines Tondokuments, auf das ihn ein Augsburger Antiquar aufmerksam gemacht hatte. Zu hören ist darauf Irene Grant, eine englische Quäkerin, die bei der Rettungsaktion ebenso wie Mari eine tragende Rolle spielte. Grant, die in Wien lebte und Kinder in ihrem Pass stehen hatte, stieg auf Helene Weigels Bitte in einen Nachtzug Richtung Augsburg und traf sich am Bahnhof mit Mari, die ihr heimlich die kleine Barbara übergab. Von dort brachte Grant sie wohlbehalten zu den Brechts ins Tessin. Die Rettung Barbaras erfolgte im letzten Augenblick: Ende März 1933 hatten die Brechts erfahren, dass die Nazis bereits nach ihrer kleinen Tochter suchten, um sie als Geisel gegen die Rückkehr ihrer Familie nach Deutschland zu benutzen.

Eine Geschichte, "deren Wurzeln nach Wolfratshausen reichen"

Ausführlich mit der Thematik "Mari" beschäftigt sich auch ein Textbeitrag der Bundesstiftung "Haus der Geschichte", die auf das Entstehen der Friedrichs-Recherchen abhebt. Dessen Nachforschung habe "eine Geschichte ans Tageslicht befördert, deren Wurzeln nach Wolfratshausen reichen". Es ist die Geschichte vom familiären Verhältnis zwischen der Familie Brecht und der mutigen Mari, das sich erst lockerte, als die Wolfratshauserin 1934 einen Dänen heiratete und das Brecht'sche Haus nach vier Jahren verließ. Als Ausdruck seiner engen Verbundenheit widmete Brecht ihr ein drei Seiten langes "Dankgedicht". Unter anderem heißt es darin: "Da Sie ein schönes Mädchen sind / Sah ich Sie gerne herumgehen bei mir und alle / Gäste lobten Sie und fragten: Was ist das für ein / Schönes Mädchen? Und ich sagte: sie ist / Aus Baiern, dem Land, wo ich auch her bin."

Zumindest ein kleines Denkmal hat der unerschrockenen jungen Frau auch der Historische Verein Wolfratshausen gesetzt. Mari ist mit einem Beitrag im "Weibsbilder"-Kalender vertreten, der an starke Frauengestalten in der Stadt erinnert.

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