Beim Rodeln verletzt:"Ganz bekannte Unfallstelle"

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Eine 30-jährige Frau verunglückt an der Naturrodelbahn am Wallberg schwer. Sie verklagt die Lenggrieser Brauneck- und Wallbergbahnen auf Schmerzensgeld in Höhe von 96 000 Euro.

Von Andreas Salch, Lenggries/München

Die Brauneck- und Wallbergbahnen GmbH Lenggries ist vor dem Landgericht München II auf die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 96 000 Euro verklagt worden. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Unternehmensberaterin aus München. Im März 2015 flog sie auf der Abfahrt von der Naturrodelbahn des Unternehmens am Wallberg aus einer Kurve und stürzte einen Abhang hinunter. Dabei zog sie sich schwerste Verletzungen am rechten Bein zu. Bisher hat sich Unternehmensberaterin fünf Operationen unterziehen müssen. Nach Einschätzung ihrer Ärzte könnten weiter folgen. Die Vertreterin der inzwischen 30-jährigen Klägerin, Rechtsanwältin Bettina Löblein, sagte am Rande der Verhandlung vor der 9. Zivilkammer, dass sich ihre Mandantin bei dem folgenschweren Unfall eine Fraktur des rechten Schienbeins, einen Trümmerbruch im Sprunggelenk, einen Fersenbruch und einen Knorpelschaden am Sprunggelenk zugezogen habe. Außerdem seien "sämtliche Bänder und Sehen" gerissen. Die junge Frau leidet bis heute unter den Folgen des Sturzes.

Bereits kurz nach dem Start von der laut Eigenwerbung "längsten und sportlichsten" Naturrodelbahn Deutschlands, habe sie sich über die eine oder andere gefährliche Stelle gewundert, sagte die Unternehmensberaterin bei ihrer Vernehmung. Verschiedene Abschnitte sollen völlig vereist gewesen sein. Die 30-Jährige fuhr an jenem 13. März 2015 mit ihrem Lebensgefährten das erste Mal auf der Bahn. Sie habe versucht, so langsam zu fahren wie möglich, beteuerte sie und betonte, dass sie kein Risiko eingegangen sei.

Doch alle Versuche, das Tempo zu verringern seien fehlgeschlagen. Sie sei immer schneller geworden, schilderte die 30-Jährige die Momente vor ihrem Sturz. Als sie eine scharfe Kurve vor sich gesehen habe, habe sie bemerkt, dass es brenzlig wird. Es gelang ihr nicht den Schlitten an Hörnern nach oben zu ziehen. Deshalb, so die Klägerin, sei sie auf einen Schneewall am Rande der Bahn zugefahren und habe gehofft: "Der stoppt mich." Der Schneewall wirkte aber wie eine Schanze. Die 30-Jährige flog in die Luft und stürzte mehrere Meter einen Steilhang hinunter. Ihr Lebensgefährte leistete Erste Hilfe. Einige Zeit später wurde die Münchnerin von der Bergwacht geborgen. Einer der Retter soll zu ihr gesagt haben, "das ist eine ganz bekannte Unfallstelle." Die Unternehmensberaterin kritisierte, dass keine Fangnetze aufgestellt worden seien.

Hat das Lenggrieser Unternehmen aus zivilrechtlicher Sicht also seine Sorgfaltspflicht verletzt? Mit einer Entscheidung werde die Kammer "Neuland in der Rechtsprechung" betreten, erklärte der Vorsitzende der 9. Zivilkammer, Richter Johannes Brose. Er riet beiden Parteien dazu, einen Vergleich zu schließen. Kommt dieser nicht zustande, wird das Gericht am 7. Juni eine Entscheidung verkünden.

Richter Brose stellte fest, dass es sich bei der Kurve, in der der Unfall passierte, um eine "Schlüsselstelle" handelt. Es sei die "schärfste Kurve auf der ganzen Bahn." Gleichwohl habe er "ganz erhebliche Zweifel" daran, ob der Münchnerin und ihrer Anwältin der Nachweis gelungen ist, dass das Lenggrieser Unternehmen seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Die Klägerin müsse sich daran messen lassen, so Richter Brose, dass sie gewusst habe, dass die Rodelbahn am Wallberg eine "sportliche Bahn ist." Womöglich sei sie zu schnell gefahren, auch wenn sie heute fest davon überzeugt sei, "dass sie fest gebremst" habe. "Ich weiß um die Schwächen des Erinnerungsvermögens", fügte der Vorsitzende hinzu. Er müsse davon ausgehen, sagte er zu der Münchnerin, "dass Sie damals ein kleinwenig auf Risiko gefahren sind." Dies sei jedoch nur eine vorläufige Einschätzung, so Richter Brose.

Der Vertreter der Brauneck- und Wallbergbahnen GmbH, Rechtsanwalt Wolfgang Prestele, gab im Hinblick auf eine mögliche außergerichtliche Lösung keine Stellungnahme ab und begründete dies damit, dass er seinen Kollegen in dem Fall vertrete. Richter Brose regte jedoch an, die Haftpflichtversicherung der Brauneck- und Wallbergbahnen GmbH solle einen Betrag in Höhe von rund 18 000 Euro an die Unternehmensberaterin zahlen. Zu der 30-Jährigen sagte er: "Ihr persönliches Schicksal geht mir nahe. Es ist die Hölle in ihrem Alter so etwas durchmachen zu müssen."

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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