Bayerische Rarität:Ein historischer Puppenwagen fürs Tölzer Museum

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Sammlerin und Stifterin Renate Hainzer (links) zusammen mit Elisabeth Hinterstocker und dem antiken Puppenwagen. (Foto: Manfred_Neubauer)

Renate Haitzer stiftet das kostbare, über 100 Jahre alte Spielzeug, das sie auf einem Antiquitätenmarkt entdeckt hat.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der Puppenwagen hat eiserne Räder und einen Sonnenschutz, der schon ein wenig löcherig ist. Um 1900 herum muss das betagte und seinerzeit teure Gefährt einmal der kleinen Tochter einer gutbürgerlichen Familie gehört haben, die auf jeden Fall in der Stadt lebte. Der Wagen sei fürs Kopfsteinpflaster gedacht gewesen, meint Elisabeth Hinterstocker, Leiterin des Tölzer Stadtmuseums. "Mit den dünnen Reifen hätte man auf dem Land ein Problem bekommen, sie wären schnell eingesunken." Renate Haitzer hatte das kostbare Spielzeug einst auf einem Antiquitätenmarkt in München erstanden. Auch ein halbes Jahrhundert später sei er nicht gerade billig gewesen, erzählt die 85 Jahre alte Tölzerin. Nun hat sie den kostbaren Puppenwagen dem Stadtmuseum vermacht.

"Ich denke, dass ich ein gutes Werk tue, wenn ich ihn verschenke", sagt sie. Den entsprechenden Vertrag unterzeichnete sie zusammen mit Drittem Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU) im Historischen Sitzungssaal des Stadtmuseums. Das Exterieur des Puppenwagens dürfte noch vom Ende des 19. Jahrhunderts stammen, schätzt Hinterstocker. Zuweilen könne man solche Exemplare noch von Trachtenvereinen auf den Oktoberfestumzügen sehen. Das Interieur mit den feinen, weißen Spitzendeckchen und dem Spitzenbesatz am inneren Rand hat Renate Haitzer selbst geschaffen. Auf den Puppenwagen sei sie seinerzeit von einer Antiquitätenhändlerin aufmerksam gemacht worden, als sie selbst noch für das Münchner Kaufhaus Ludwig Beck am Rathauseck gearbeitet habe, genauer gesagt: für die Weihnachtsausstellungen. Der Kauf geschah so enthusiastisch, dass sie zunächst nicht wusste, wie sie ziemlich sperrige Spielzeug nach Hause bringen sollte. Die Händlerin habe den Stubenwagen dann erst einmal bei sich untergestellt, berichtet die 85-Jährige, die mit ihrem Mann Hans Haitzer seit 60 Jahren in Bad Tölz wohnt.

Das Stadtmuseum verfügt damit über drei Puppenwagen aus alter Zeit. Einer stammt aus dem Besitz der Malerin Stefanie von Strechine, die 1858 in Odessa geboren wurde und 1940 in Tölz starb. Die Künstlerin zog in diesem ungewöhnlichen Gefährt stets ihre Staffelei und ihre Malutensilien durch die Stadt. Der andere stammt aus dem Besitz der Familie Wiedenhofer und wurde als eine Art Sportwagen in den Zwanzigerjahren gebaut. Der Puppenwagen der Haitzers war zuletzt 2006 beim Festzug zur 100-Jahr-Feier der Stadt Bad Tölz zu sehen. Diese drei Exponate könne man künftig in Sonderausstellungen zeigen, meint Museumsleiterin Hinterstocker. Dabei denkt sie zum Beispiel an eine Schau über das bürgerliche Leben von einst in Bad Tölz. Oder auch an eine Weihnachtsausstellung, um zu zeigen, wie das Christfest im Kaiserreich begangen wurde. Allerdings, so Hinterstocker: "Geplant ist aktuell noch nichts."

Puppen haben das ganze Leben von Renate Haitzer geprägt, sie wurden ihr ebenso buchstäblich wie im übertragenen Sinn in die Wiege gelegt. Als sie etwa sechs Jahre alt war, fuhr sie mit ihrer Mutter von Hamburg in ihre Geburtsstadt Bayreuth. Ihr Eltern, erzählt sie, hätten zwei Geschäfte betrieben und seien nicht eben arm gewesen. Deshalb habe sie viel Spielzeug besessen, darunter auch eine Lieblingspuppe.

Mit dem historischen Wagen überreichte Renate Hainzer auch die dazugehörige Puppe. (Foto: Manfred_Neubauer)

Aber dann kam der Zweite Weltkrieg, die Zeiten änderten sich. Ihre Mutter tauschte die Puppe bei den Verwandten in Oberfranken gegen ein Paar Schuhe ein. "Sie hat gesagt, ich muss doch Schuhe haben, sonst kann ich nicht laufen." Aber für ihre kleine Tochter war die Puppe nicht bloß ein Spielzeug - "das war doch mein Kind". Sie habe geheult und geheult, erinnert sie sich.

Dieses Erlebnis war vermutlich der Auslöser für das Puppensammeln, dem sie ihr ganzes Leben lang frönte. Das Zuhause der Haitzers in Tölz ist sozusagen ein Puppenhaus. "Es ist voll", sagt Hans Haitzer, der von 1972 bis 1996 im Tölzer Stadtrat saß, von 1966 bis 1986 auch im Kreistag. Nicht weniger als rund 300 Puppen hat seine Frau seit Anfang der Fünfzigerjahre erstanden. Porzellanpuppen, Zelluloidpuppen, Barbie-Puppen - "sie hat alles, was das Puppensammlerherz begehrt", sagt Hinterstocker. Dazu kommen noch Teddybären, unter anderem von Steiff, oder auch Marionetten.

Manche Stücke hat die heute 85-Jährige selbst gearbeitet, etwa einen Leonhardiwagen mit Puppen. Oder auch Accessoires wie das "Kranerl", die kleine Krone der Tölzer Tracht für Frauen. Nachdem die drei Söhne ausgezogen waren, seien zwei Kinderzimmer in ein Puppenzimmer umgestaltet worden, sagt Hans Haitzer. Außerdem gebe es Puppen im Treppenhaus, im Flur, im Wohnzimmer. "Überall sind Nester", scherzt er. Was damit einmal geschehen soll, ist noch unklar. Seine Frau sagt ein wenig traurig: "Ich wollte damit ein großes Museum machen, aber das ist mir leider nicht geglückt."

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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